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die wahrheitDübel der Gottlosigkeit

Porträt: Der atheistische Handwerker und Denker Arno Schwedler.

Das Dasein ist wie eine Gebrauchsanweisung für Wandschränke: eine Abfolge von Widersprüchen. Bild: reuters

"Atheismus muss nicht in Intoleranz münden", erklärt Arno Schwedler, Autor und Vorsitzender des Verbandes atheistischer Handwerker in seinen jüngst veröffentlichten "Paderborner Schriften zu Gottlosigkeit und fachgerechtem Gebrauch von Bandschleifern", und fügt erläuternd hinzu: "Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt. Gleichzeitig tut er mir aber leid wegen der Sache, die seinem Sohn passiert ist." Gott ist für den 1958 in Nordhorn geborenen Teilzeitphilosophen wie ein fehlender, aber dringend benötigter Dübel, ein Nichthandeln im Nichtvorhandensein. Darin erreiche dieser aber Vollkommenheit.

In Schwedlers soeben erschienenem Heimwerkerdrama "Nicht ungeschützt der Witterung aussetzen" ist Gott gleichzeitig eine sprechende Wand, die im 4. Stock eines Hochhauses in Recklinghausen steht, und ein ambitionierter Heimwerker sowie eine mitlaufende konische Spannhülse. Gleich zu Beginn bekennt Gott, dass er weder Liebe geben noch empfinden könne, und führt dies auf seine einsame Kindheit zurück, in der er nie zu vertrauen gelernt habe. Außerdem habe er sich schon damals einen kleinen Elektrohobel gewünscht, ihn aber nie bekommen.

Nach diesem Anfangsmonolog repariert Gott mit einigem Geschick eine elektrische Blechschere. "Mein Leben besteht vor allem darin, dass andere etwas von mir wollen", erklärt er danach, während er seine Klebepistole sucht, die er kürzlich seinem Nachbarn ausgeliehen hat. "Der Dampfreiniger ist auch nicht mehr da", stellt er anschließend resigniert fest, als bestätige dies seine Aussage ein weiteres Mal. Den Menschen empfindet Gott laut Schwedler als "geistig wenig anregend, zu bedürftig und unfähig, fachgerechte Metallbohrungen durchzuführen". Der anschließenden Aufforderung des Chors der Heimwerker und Fliesenleger, ewig zu leben, um eine dringend benötigte Schleifmaschine zu kaufen, begegnet Gott zunächst mit Ausflüchten. "Zeit ist ein mit Restmüll überfüllter Abfalleimer", bekennt er, verzweifelt nach seinem Schraubenschlüsselset suchend. Darauf leugnet der Chor die Existenz Gottes und raubt ihm seine Sammlung an Stichsägen sowie einen begehbaren Werkzeugschrank.

Nachdem er im Wettbewerb "Wen würden Sie anrufen, wenn Sie existenziell bedroht sind?" nur den 4. Platz belegt hat, stürzt Gott im folgenden Akt in eine Phase tiefer Ratlosigkeit und Enttäuschung. Schließlich beginnt er aber einen florierenden Handel mit wiederverwertbaren Reinkarnationsfliesen, deren Beständigkeit der Oberfläche gegen Abrieb ein überzeugendes Verkaufsargument bildet. Am Ende des Dramas erklärt sich Gott schließlich bereit, ewig zu leben, unter der Voraussetzung, dass er nicht als Durchreiche wiedergeboren und Dörte genannt wird. Seine Vollkommenheit will er vor allem dafür einsetzen, sich eine neue Einbauküche zu erschaffen, "weg vom Komplexen, hin zur schlichten Einfachheit".

"Was heißt schon ,Beste aller möglichen Welten'?", entgegnet Schwedler seinen Kritikern. "Jeder, der mal das Regalsystem ,Hölderlin' aufgebaut hat, weiß, dass sich da in Bezug auf die Standfestigkeit noch einiges verbessern ließe." Und dies sein nur ein Beispiel dafür, wie nachlässig die Welt zuweilen von Gott erschaffen worden sei. "Ich habe das gründlich recherchiert", versichert Schwedler und ergänzt: "Krieg, Inquisition und Kostenexplosionen bei der Wärmedämmung, ich hoffe, dass Gott das Jenseits etwas besser im Griff hat." Bis es so weit ist, gelte es, sich mit Schicksal, Schuld und Unberechenbarkeit von Gasheizkesseln zu beschäftigen. Die Frage nach dem Tod beantwortet Schwedler dagegen mit der lakonischen Antwort: "Tod? Fragen Sie nicht mich. Fragen Sie jemanden, der schon gestorben ist." Schwedler selbst bekennt sich lediglich zu einem Nahtod-Erlebnis: "Einmal stürzte mein Dielengarderobenset Tessa Walnuss mit selbsthaftender Spiegelfront auf mich, während im Hintergrund ,Schön ist es, auf der Welt zu sein' von Roy Black und Anita lief. Es wäre das Letzte gewesen, was ich vor meinem Ableben gehört hätte", stellt Schwedler erschüttert fest. Für ihn ein fester Beweis dafür: "Wenn es einen Gott gibt, hat er einen merkwürdigen Humor." Das würde auch das Fehlen eines Schallschutzes bei Abwasserleitungen aus KG-Rohren eindeutig belegen. "Der Atheismus ist ein Teil von Deutschland", fasst Schwedler seine Überzeugungen zusammen und hofft in der aktuellen Glaubens- und Wertedebatte auf Unterstützung von oberster politischer Stelle. Auf den Sinn des Lebens angesprochen, erwidert er nur: "Das Dasein ist wie eine Gebrauchsanweisung für Wandschränke: Eine Abfolge von Widersprüchen, die wir vergeblich aufzulösen versuchen." Und fügt abschließend, während er die Gebrauchsanweisung in kleine Stücke zerreißt, hinzu: "Aber solange wir beschäftigt sind, haben wir jedenfalls zu tun."

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