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IntegrationSchröder will deutsche Imame

Die Familienministerin will muslimischen Jugendlichen neue Vorbilder anbieten. Hintergrund ist eine Studie zur Gewalt unter jungen Migranten.

Familienministerin Schröder sieht in der Ausbildung zu Imamen eine Karriereoption für junge Muslime. Bild: dpa

BERLIN taz | Familienministerin Kristina Schröder (CDU) wirbt dafür, mehr Studiengänge für angehende muslimische Geistliche einzurichten. "Wir müssen dringend unsere eigenen Imame ausbilden", forderte Schröder. "Das könnte auch eine Karriereoption für junge Muslime sein."

Anlass für den Appell waren zwei Gutachten, die das Familienministerium in Auftrag gegeben hatte und am Freitag vorstellte. Aus diesen geht hervor, dass jugendliche Migranten gewaltaffiner sind als deutschstämmige Jugendliche. Nach Einschätzung der Autoren sind es vor allem soziale Faktoren wie geringe Bildung und daraus resultierend trübe Berufsaussichten, die den Gewaltpegel steigen ließen. Kämen gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen hinzu, könnten diesen Vorstellungen Taten folgen. Wobei Jugendliche aus islamisch geprägten Kulturen - aber auch aus Spätaussiedlerfamilien - solchen Männlichkeitsidealen vermehrt zustimmen.

Schröder folgerte daraus: "Wir müssen an die ran, die Werte vermitteln. Wir brauchen deutsche islamische Autoritäten." Die Bundesregierung fördert seit Oktober die Ausbildung islamischer Theologen an drei Hochschulen. Weitere sollen folgen.

Gleichzeitig beklagte Schröder die einseitig und polemisch geführte Debatte über Integration. Damit trat sie einen Schritt zurück - von den islamfeindlichen Bemerkungen auch aus der CDU und ihrem eigenen, wenig fundierten Diskussionsstil. Am 10. Oktober hatte Schröder in der FAS vor Deutschenfeindlichkeit und Angriffen auf Schulhöfen und in U-Bahnen gewarnt. Erst einige Tage später beauftragte sie Wissenschaftler damit, diese Behauptung zu belegen.

Die Ergebnisse sind dünn: "Wir wissen sehr wenig über die Gewaltbereitschaft junger Muslime", sagte die Regensburger Sozialwissenschaftlerin Sonja Haug. Auch das Thema Deutschenfeindlichkeit ist kaum untersucht. Der Dortmunder Sozialwissenschaftler Ahmet Toprak sieht eher das Phänomen, dass Mehrheiten Minderheiten unterdrücken: "Das kann auch Deutsche treffen, wenn sie in der Minderheit sind." Toprak plädiert dafür, nicht gegen Deutschfeindlichkeit speziell, sondern gegen Rassismus allgemein vorzugehen. Als Beispiel nannte er das Schulnetzwerk "Schule ohne Rassismus". Schröder pflichtete ihm bei: Das könne man ausbauen. Auch müsse an den Schulen vermehrt islamischer Religionsunterricht angeboten werden: von in Deutschland ausgebildeten Lehrern, auf Deutsch und unter Obhut der Schulaufsicht. Die grüne Bildungsexpertin Priska Hinz frohlockt: "Damit ist die CDU bei den Grünen angekommen."

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6 Kommentare

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  • C
    Charlotte

    Allein die Kommentare der von ihnen zitierten Wissenschaftler dokumentieren, wie richtig der Weg Schröders ist, die Imame fundiert auszubilden. Jeder hebt in der Integrationsdebatte sein Fähnchen in die ideologische Richtung, die ihm passt. Wer die Realitäten zum Beispiel an Haupt- und vor allem Gesamtschulen in Deutschland ansieht, der erkennt, dass die Feindlichkeiten, vor allem auch die einer muslimischen Mehrheit gegen Deutsche und den Lehrkörper im Unterreicht, grassieren. Und das nicht nur in den stets so hochstilisierten "Problemvierteln". Es gibt aber eine sozialwissenschaftliche Integrationsindustrie, die diesen Fakt stets negiert, um ihre Daseinsberechtigung weiter zu legitimieren.

     

    Sich auf diese ideologiedebatte eben nicht einzulassen und fundiert Imame auszubilden, die zivilisatorische Grundrechte achten und auch weitergeben ist hier nach meinem Begriff ein unideologischer Schritt, gegen den nun wirklich niemand etwas haben kann - oder finden sie da vielleicht auch mal wieder etwas, gegen das man stänkern könnte?

  • O
    Ozman

    Frau Schröder betreibt eine Appeasement- und Reaktionspolitik, die obendrein noch wirkungslos bleiben muss, da sie von völlig falschen kulturhistorischen Tatsachen ausgeht.

    Ein kleiner historischer Exkurs: Wenn ich mich recht entsinne, hatte Kemal Atatürk nach dem Zusammenbruch des "osmanischen Reiches" das Sultanat und das Kalifat abgeschafft und durch eine Kulturrevolution den modernen türkischen Nationalstaat begründet. Sollte nicht der Kemalismus für junge, moderne Türkinnen und Türken ein Vorbild sein? Dieser kulturpolitische Aktivismus ist kein Zeichen des Entgegenkommen, sondern ein Zeichen der Angst des deutschen "Bürgertums" vor dem, was es nicht versteht und Ausdruck aller sonstiger, ansozialisierter Minderwertigkeitskomplexe der Mehrheitsbevölkerung. Frau Schröder hält junge Türken unter den Hand für potenzielle, latente "Selbstmordattentäter", denen man besser scheinbare Zugeständnisse macht, bevor sie "auf den falschen Weg geraten". Geht's noch?

  • MM
    mit Majo

    Die ganze Debatte fördert nur die Legitimation eines Aberglaubens. Die Ursachen von Gewalt, liegen in einem archaischen bildungsfernen Lebensumfeld begründet und werden durch den politischen Islam weiter zementiert, die Richtung stimmt einfach nicht. Das kann man auch in den USA beobachten, bei den sogennanten "Wiedergeborenen Christen". Aberglauben, kann man nur mit Aufklärung begegnen und mit besseren sozialen Bedingungen, die werden im Postkapitalismus jedoch heute allen Bürgern verweigert, nicht nur den Gläubigen.

  • N
    Nüchternheit

    Mit psychischen Vorurteilen in Germany Familienministerin, Frau Schröder.

  • H
    Hatem

    Dass in Berlin 79 % der Intensivtäter türkisch- bzw. arabischstämmig sind, hat nichts damit zu tun, dass sie Muslime sind!

  • K
    KFR

    na super, dann gibts wohl bald einen islamischen Luther ( wer kann den Koran denn schon im Origial lesen geschweige denn verstehen ) oder einen islamischen deutschen Papst ( der die Gegen-fatwas ex cathedra publiziert ) ?