Künstlerförderung: Viel zu wenig Mutterschiffe

Schleswig-Holstein stattet Museen und Künstlerhäuser nicht gerade üppig aus. So wandern Junge ab, die Älteren bleiben, Austausch fehlt. Diese Kluft spiegelt auch eine aktuelle Ausstellung in Kiel.

Gespenstisch: Rene Schoemakers' "Hephaiste! Take up thy stethoscope and walk!" (Ausschnitt). Bild: Stadtgalerie Kiel

Einzelne Worte sind deutlich zu erkennen: "Bürger", "Krise", "Ratlosigkeit". "Haushaltsdefizit" und "gefährdet". Viele andere Worte aber verschwimmen ineinander, ergeben mal fließende Linien, mal eine schraffierte Fläche, aus der eine sitzende Gestalt mit Dreispitz auf dem Kopf erwächst: Asmus Bremer. Er war von 1702 bis 1720 Bürgermeister in Kiel und galt als besonders volksnah. Es gibt ihn in gleicher Pose auch als bronzene Figur in der Kieler Fußgängerzone: Ein Bürgermeister zum Anfassen, einer, der unbeweglich bleibt - egal, was man mit ihm anstellt.

"Pressesprecher" hat die Kielerin Ute Diez diese Arbeit genannt, ihren Beitrag zur diesjährigen Ausstellung des Bundes Bildender Künstler (BBK) Schleswig-Holsteins. Als Sprach- und Zeichenmaterial dienten Diez vier Reden, die Kiels derzeitiger Oberbürgermeister Torsten Albig in den letzten Monaten gehalten hat: zur Kulturpolitik und zur Lage des Haushalts.

Es ist das erste Mal in der 57-jährigen Geschichte des BBK Schleswig-Holstein, dass diese "Landesschau" in der Städtischen Galerie Kiel zu sehen ist. Und diese hätte eigentlich zum 1. Januar auf des Oberbürgermeisters Geheiß ihre Pforten schließen sollen, um rund 80.000 Euro einzusparen, die der allgemeine Ausstellungsbetrieb kostet.

Doch als die Schließungspläne bekannt wurden, erhob sich in ein vielstimmiger Protest, besonders von honorigen Kieler Bürgern. Bald meldete sich auch ein Stifter, der nicht genannt werden will, und bot dem bedrohten Haus die nächsten drei Jahre jährlich 48.000 Euro an. Die Stadt entschied neu: Nun sind im Haushalt 32.000 Euro für den Ausstellungsetat der Stadtgalerie ausgewiesen - das Stiftungsgeld wurde eingerechnet. Ein Verfahren, dass dem Stiftungsgedanken widerspricht, soll gestiftetes Geld doch besonderen Projekten zugute kommen und eben nicht der Deckung regulärer Kosten.

"Es ist natürlich ein Wermutstropfen, dass wir das Stiftungsgeld nicht zusätzlich zum bisherigen schmalen Etat nutzen können, um in Ruhe über neue Konzepte und Fördermöglichkeiten nachzudenken", sagt Dirk Mirow, Vorsitzender des Fördervereins für die Kieler Stadtgalerie. Und er stellt knapp fest: "Für das Innovative, das immer gefordert wird, sind keine Mittel da."

Mirow ist zugleich Kanzler an der Kieler Muthesius Kunsthochschule, bestückt mit gut 400 Studierenden. Die meisten verlassen nach dem Examen Kiel und das Land und ziehen weiter: nach Hamburg, nach Berlin. "Von Berlin aus gesehen sind die Künstler, die hier geblieben sind, doch die Verlierer", sagt denn auch Wolfgang Zeigerer, Direktor der Stadtgalerie. Er findet es problematisch, dass es im Land zwischen den neugierigen Jungen und den gediegenen Alten kaum Austausch gibt: "Die Studenten kennen die alteingesessenen BBK-Künstler nicht, die BBKler wissen nicht, was die Kunststudenten umtreibt - das sind völlig getrennte Szenen."

Diesen Zwiespalt spiegelt auch die aktuelle BBK-Ausstellung in der Stadtgalerie: Viel ergriffen Gemaltes ist dabei, vieles ist gut gemeint, in der künstlerischen Positionierung aber in den 70ern, 80ern hängen geblieben. Arbeiten etwa, die dem frühen Informel oder dem naiven Realismus des Peter Nagel verpflichtet sind, einer Kieler Größe, dem die Stadtgalerie unlängst eine Retrospektive widmete.

Auch medial zeigen sich die meisten Mitglieder des BBK wenig experimentierfreudig: Eine einzige Videoarbeit hat ihren Weg in die Stadtgalerie gefunden, eine vergleichsweise harmlose Installation einer Fahrt durch einen Autotunnel, während Gewehrfeuer ertönt.

Dem stehen Arbeiten der jüngeren Generation wie Tobias Regensberger gegenüber, der seinen apokalyptischen Reiter aus Dachlatten und Alltagskrempel beherzt in die Gegenwart hinein preschen lässt. Spannend auch die Malerei von Katrin Pieczonka, die schon lange nicht mehr an die absolute Wahrheit des Darzustellenden glaubt. Und eben Ute Diez mit ihrem spöttisch-klugen Bürgermeisterporträt: Als Mutterschiff hat sie ihrerseits die Stadtgalerie unlängst bezeichnet, wie Zeigerer durchaus gerührt erzählt.

An genau solchen Schiffen mangelt es in Schleswig-Holstein: An der Westküste findet sich neben dem privaten Museum für Gegenwartskunst auf Föhr nur noch der ehrenamtlich betriebene Kunstverein Husum, der weder von der Stadt noch vom Kreis oder dem Land regelmäßig gefördert wird: Allenfalls die eine oder andere Projektförderung fällt da mal ab. Abgesehen davon leistet sich das Land ganze zwei Stipendiatenhäuser, in denen neben Kunst auch Musik und Literatur gefördert werden wollen: das Kloster Cismar und das Künstlerhaus Lauenburg an der Elbe. In beiden Häusern fällt das monatliche Stipendium von 750 beziehungsweise 700 Euro zudem nicht gerade fürstlich aus und das Versprechen, frei von wirtschaftlichen Sorgen arbeiten zu können, dürfte kaum einzuhalten sein. In Lübeck wirkt immerhin noch die Overbeck Gesellschaft - getragen von einem Verein. Kunst von seinen kreativen Landeskindern einzukaufen, auch das ist lange her: Seinen Ankaufsetat hat Schleswig-Holstein vor längerem auf Eis gelegt.

Da nicht den Mut zu verlieren, da sich nicht stumm in sein Schicksal zu fügen, verlangt Verve. Auch um sich manches Vorschlags zu erwehren, der an ein Haus wie die Stadtgalerie herangetragen wird: Sie solle doch mal überlegen, nur noch lokale Kunst auszustellen, heißt es dann zum Beispiel - vielleicht auch Bilder aus Malkursen der Volkshochschule oder aus Schulen. Und könnte man die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe, die auch in Kiel ständig an Land gespült werden, nicht als neue Besuchergruppe gewinnen?

Galerie-Chef Zeigerer atmet dann tief durch und sagt: "Wir sind ein Museum für Gegenwartskunst, damit stehen wir auch für Qualitätssicherung." Und genau hierin läge auch nach Zeigerers Einschätzung das große Potential Schleswig-Holsteins, das durch Lage und Geschichte vielfältig mit den diversen Ostseestaaten verbandelt ist: "Hätte das Land vor 20 Jahren begonnen, einigermaßen klug Kunst der Region zu sammeln, Kiel als Landeshauptstadt könnte heute locker mit einem Museum für Gegenwartskunst des Ostseeraums punkten."

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