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Vom Suchen und Finden einer BleibeWohnen ist was für Warmduscher

Wer nach Kreuzberg ziehen will, braucht starke Nerven. Eine Wohnungssuche im heutigen Berlin. Mit WBS, Umzug im Schnee und unzuverlässigen Maklern.

Eine Wohnung ist ein scheues Reh: aber manchmal bringen solche Zettel ja wirklich etwas. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein bisschen genervt war ich schon: Die WG-Genossin hatte mir drei Monate Zeit zum Ausziehen gegeben. Als Untermieter hatte ich mich nicht ganz heimisch gefühlt in Alt-Treptow und wollte zurück nach Kreuzberg. Doch Kreuzberg und Kreuzkölln waren überlaufen. Viele, die in den 90ern nach Mitte gezogen waren, strömten hierhin, weil ihnen Mitte zu teuer oder zu langweilig geworden war; die jungen Neuberliner aus allen möglichen Ländern fanden die Gegend auch am besten.

Ich gab einen WBS in Auftrag, aktivierte Suchagenten in unterschiedlichen Internetwohnungssuchportalen, abonnierte einen alternativen Newsletter und alarmierte meine Netzwerke.

Der Anfang lief gut. Eine Bekannte zeigte mir eine seltsam nostalgische Wohnung in der Nähe des Mehringdamms. Sie war 50 Quadratmeter groß, kostete 450 Euro warm (also die Hälfte von dem, was ich so verdiente) und hatte Charakter. Jahre hatte sie leer gestanden. Aus welchen Gründen auch immer. (Ich vermutete: Mord, denn sie erinnerte an einen Tatort aus den frühen 80ern.) Wäre sie billiger gewesen, wäre ich eingezogen.

Andere Wohnungen kamen vorbei, über die ich tagelang fantasierte. Dass es mit dem schönen Berliner Zimmer am Kottbusser Damm in der Wohnung eines netten Altfreaks nicht klappte, war Pech und Ungeschick. Eine philosophisch gebildete und sympathische Dänin im Prenzlauer Berg wollte keinen Raucher als Mitbewohner. Ein Undergroundliteraturagent schrieb, dass Friedrichshainer Freunde - "beide mit fernbeziehungen, beide unser alter. beide im job. beide platten, kiffen, kneipe, aber gedämpft" - einen Mitbewohner suchen würden.

Ich fand den Stadtteil eher so so; ein bisschen zu deutsch und einen Tick zu unzentral.

Einer der gedämpften Kiffer war im Hauptberuf Postbote. Irgendwann hatte er die Wohnung gekauft. Leider war das Zimmer, das er mir anbot, vollgestellt mit den Möbeln seiner verstorbenen Eltern. Die indirekten Verhandlungen über ein anderes Zimmer - in einem Kreuzberger Hausprojekt, das 1981 als besetztes Haus begann - zogen sich über anderthalb Monate hin, bevor es eine endgültige Absage gab, ohne dass ich das Zimmer oder meinen angedachten Mitbewohner je gesehen hätte.

Irgendwann, ein bitterkalter Donnerstag im November, stand ich mit zehn anderen Wohnungsuchenden im nicht mehr so schicken Teil von Neukölln. Die anderen waren meist Frauen um die dreißig und schienen sympathisch. An dem Haus hing ein Transparent: "Wohnungen direkt vom Eigentümer provisionsfrei zu vermieten." Wir froren richtig. Mit einer halben Stunde Verspätung kam ein Makler, entschuldigte sich kurz und erklärte, dass man für die Wohnung Provision zahlen müsse.

taz

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Sie war schön und preislich okay - 60 Quadratmeter für 450 Euro warm. Ich war am Ausfüllen des Bewerbungsbogens, als G. anrief. Entschieden - wir stritten uns richtig - riet er mir ab. Ich widersprach eine Weile, doch er hatte Recht: Die Wohnung war zu weit weg von meinen Freunden.

Die Tage vergingen, aus Herbst wurde Winter. Tagsüber war ich guter Dinge - ein neuer Lebensabschnitt würde nun bald beginnen, abends wurde ich oft richtig panisch und träumte drei Buchstaben: OFW.

Eine Freundin schrieb: "Wohnen wird überbewertet", ich antwortete: "Wohnen ist was für Warmduscher". Eine schöne Wohnung ist wie ein scheues Reh. Die Freunde, die mit ihren tollen billigen Wohnungen in Top-Kreuzberg-Lage prahlten, gingen mir auf den Geist.

Ab und an rief ich beim Finanzamt an, um auf eine eilige Bearbeitung meiner Steuererklärung von 2009 zu drängen, die das Wohnungsamt brauchte, um mir einen WBS auszustellen. (Ein Fußballfreund und Hausmeister hatte mir Wohnungen vorgeschlagen, für die ich mich nicht hatte bewerben können, da ich noch keinen WBS hatte.) Irgendwann kam der Steuerbescheid endlich. Meine amtlich bestätigten Werte waren super - 2008 war verdiensttechnisch eine Katastrophe gewesen. Sofort schickte ich eine Kopie des Bescheids ans Wohnungsamt. Nichts passierte. Dann rief ich an. Wenig später kam ein maschinell erstelltes Schreiben, das mich aufforderte, irgendwas nachzureichen und mein Finanzamt um Bestätigung des Nachgereichten zu bitten. Was ich sofort tat. Zwei Wochen später schickte mir das Wohnungsamt das gleiche Schreiben noch einmal. Ich war empört, die sympathisch klingende Sachbearbeiterin entschuldigte sich. Der WBS kam Heiligabend. Als ich den Bogen für eine Sozialwohnung ausfüllte, trug ich versehentlich die schöngerechneten Verdienste ein, mit denen ich mich sonst zu bewerben pflegte.

Ein paar Wochen zuvor bot mir eine Freundin an, erst mal übergangsweise in ihre Kreuzberger Ladenwohnung zu ziehen, in der sie sonst arbeitete. S. machte da manchmal Qigong-Kurse. Bei denen wir meist nur zu viert waren. Im Hintergrund plätscherte ein Aquarium. Aber irgendwie hatte ich ein bisschen Angst, den Restwinter in einer Ladenwohnung zu verbringen.

Dann war es Mitte Dezember. Die Hausverwaltungen inserierten "Weihnachtsschnäppchen", und ich besichtigte eine Einzimmerwohnung in der Wiener Straße. Freunde wohnen hier seit Jahren im Seitenflügel. Die angebotene Hinterhauswohnung kostete 100 Euro mehr, als die Freunde für ihre 15 Quadratmeter größeren Wohnungen im gleichen Haus zahlten, und taugte nicht viel. Zwei junge Männer zeigten lebhaftes Interesse. Einer von ihnen hatte eine Bescheinigung vom Jobcenter dabei. Häufige Mieterwechsel haben gerade in Kreuzberg dazu geführt, dass für langfristig belegte Vorderhauswohnungen oft weniger Miete als für Hinterhauswohnungen gezahlt wird.

Kurz vor Weihnachten schaute ich mir eine nüchtern sympathische Einzimmerwohnung an, nicht weit entfernt von dem Haus, in dem ich 16 Jahre lang billig gewohnt hatte. Sie war ein bisschen klein, lag in einem Kreuzberger Niemandsland, doch sie gefiel mir; es gab einen Balkon mit schöner Aussicht. Die Maklerin, die sich wunderte, dass ich mit dem Fahrrad gekommen war, war sympathisch.

Einen Tag vor Weihnachten bewarb ich mich für die Wohnung. In der Eile formulierte ich die Bewerbung etwas unklug und schrieb, dass ich angesichts der Preise, die in Kreuzberg bei Neuvermietungen in den letzten Jahren um gefühlte 50 Prozent gestiegen sind (in einigen Häusern variieren die Quadratmeterpreise um 100 Prozent, allerdings auch mit Handtuchwärmerlaminat und Dunstabzugshaube), ganz schön hatte schlucken müssen. Trotzdem rechnete ich damit, die Zusage zu Weihnachten zu bekommen.

Hätte ich den Zuschlag bekommen, hätte ich meine Sachen noch im alten Zimmer stapeln können und wäre Mitte Januar - da wurde die Einzimmerwohnung frei - umgezogen. Da das nicht der Fall war, musste Plan B in Kraft treten: ein Holterdipolterumzug in die Ladenwohnung. Eilig packte ich meine Sachen; ein Freund holte 25 Umzugskartons aus dem Keller von Suhrkamp. Während ich in der taz an Silvestertexten schrieb, reservierte ich eine Pritsche, die M., der beste Autofahrer der Welt, fahren sollte. Ein paar Freunde hatten kurzfristig Zeit, mir zu helfen. Es war 15 Grad minus. Ganz Berlin war zugeschneit, an den Straßenrändern schaufelten die Leute mit Spaten ihre Autos wieder frei. Ich war ziemlich alle, als die Freunde und Retter eintrafen. Der Umzug war großartig. Alles klappte, niemand murrte. Weil wir zu wenig waren, alarmierte ein Freund seinen Sohn, dem ich im Sommer geholfen hatte, einen Kühlschrank in seine Wohnung zu tragen. Er war ein Spitzenumzugshelfer. H. war richtig stolz auf seinen Jungen.

Und ich war wieder in Kreuzberg und kurz davor, die türkischen Jungs im Edeka-Markt, in dem ich Bier und Chips für meine Freunde holte, zu umarmen.

Drei Tage nach diesem Umzug bekam ich doch noch den Zuschlag für die kleine schöne Einzimmerwohnung, für die ich mich beworben hatte. Eine Nacht überlegte ich - es gab ja noch andre ungefähre Möglichkeiten drei Monate später -, dann signierte ich den Vertrag, zahlte drei Mieten als Kaution und 2,38 Monatskaltmieten als Provision. Ohne Quittung wars bisschen billiger. Pleite war ich trotzdem. Für meine erste Wohnung, 1985, hatte ich 3.000 Mark als "Abstand" für Müll zahlen müssen.

So war es halt, über die Zigarettenpreise beschwer ich mich auch nicht und die Maklerin hatte ihren Job ja gut gemacht: Sie war pünktlich gewesen und hatte einen trockenen Berliner Humor. Hätte sie mir aber ein paar Tage früher zugesagt, hätt ich mir und meinen Freunden einen Umzug erspart. Aber auch einen schönen kleinen Ferienaufenthalt, in H.s wunderschöner Wohnung am Kreuzberger Erkelenzdamm und zwei Wochen in der Ladenwohnung in der Urbanstraße, in denen ich lernte, dass es sehr gut sein kann, wieder auf dem Boden der Tatsachen zu wohnen. Als ich meine Wohnungssuchagenten deaktivierte, bedauerte ich fast, nicht mehr auf Wohnungssuche zu sein.

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14 Kommentare

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  • D
    diplom_hartzi

    "Manche Leute müssen in Hochhausburgen am Stadtrand wohnen" - Genau, und dort durch Kotze und Fäkalien waten, im Qualm ersticken (zieht durch Lüftung und einziges Fenster), Nacht für Nacht ihre Klingel mit Bauschaum festkleben lassen, Nazi-Musik hören, sich von Psychiatriefällen unterstellen lassen, man hätte ihre Freunde bei sich versteckt und sich als behindertenfeinliche Lügner abstempeln lassen, wenn nebenan jemand misshandelt wird. Wenn die krank sind und ne Mütze Schlaf brauchen, müssen die in die Unibibliothek.

    Aber das es woanders noch schlimmer ist, heisst nicht, dass es nicht schlimm ist. Vor lauter Auseinanderdividieren verlieren wir das wesentliche aus den Augen: Wie sind solche Verhältnisse mit Mobilitätszwang und befristeten untertariflichen Jobs vereinbar?

  • K
    Kolja

    @ Robert Bergholz ALTER! Lies noch mal richtig. Nicht die WBS-Werte hat er schöngerechnet, sondern jene, mit denen er sich bei den normalen Vermieters beworben hat.

  • F
    Fabian

    Schließe mich Flujito an...

    Und abgesehen davon kann man als Hamburger ohnehin nur müde lächeln... 450 warm für 50qm... soviel dafür bekommt man bei uns mit Glück mal 30 und für meine 60 zahle ich gute 750 warm... mit altem Vertrag. Hier steht man zudem nicht mi 10 Leuten im Frost sondern kann ohne Übertreibung eine Null dran hängen. Ich kenne tatsächlich niemanden, bei dem in den letzten Jahren eine Wohnungssuche so unkompliziert verlief wie die des Autoren - herzlichen Glückwunsch.

  • F
    Flujito

    Neulich war ich beim Bäcker, ich wollte gerne die Brötchen, die ich immer gerne esse, die mit dem Schlitz, also nicht die mit einem gekreuzten Schlitz und auch nicht die runden ohne Schlitz, genau die mit einem Schlitz, weil ich bin das gewöhnt und, das muss mal ganz offen gesagt werden dürfen, seine bewährten Gewohnheiten muss man ja nicht gleich ändern, nur weil ein paar Leute meinen, kreuzgeschlitze Brötchen haben zu müssen, ich meine, ich habe doch genauso das recht auf mein gewohntes einfachgeschlitztes Brötchen, weil immerhin kann ich als mündiger verbraucher doch selbst entscheiden, welches und überhaupt undsoweiterundsoweiter.. also von gleichem Interesse ist für mich die ausführlich geschilderte Zimmersuche eines ansonsten wohl problemfreien Schreibers

  • A
    Anonym

    Kreuzkölln... was zur Hölle soll das sein?

    Es gibt Kreuzberg und es gibt Neukölln.

  • SK
    Sara Kayser

    "KREUZ-KÖLN"?

  • TS
    T. Siewert

    Mir kommen die Tränen. Es ist genau dieses Verhalten, was die Mieten in besagten Bezirken in die Höhe schiessen liess.

    Als wenn Berlin nur aus Kreuzberg bestünde.

    Vollkommen gaga.

  • RB
    Robert Bergholz

    "Der WBS kam Heiligabend. Als ich den Bogen für eine Sozialwohnung ausfüllte, trug ich versehentlich die schöngerechneten Verdienste ein, mit denen ich mich sonst zu bewerben pflegte "

     

    ALTER! Hast Du da eben zugegeben, Deine Angaben auf der WBS Bewerbung gegenüber den wahren Werten zu manipulieren? Und das schreibst Du noch so fröhlich und offenkundig in der taz?

    Echt, das is doch Beschiss und Du gibst es noch zu!

     

    Der WBS is für Leute die es echt nötig haben.

     

    Robert

  • A
    Alexander

    De Autor moege doch bitte der Wortwahl, Satzbau & Ausdruck in seinem naechsten Artikel mehr Aufmerksamkeit schenken. Thema jedoch sehr interessant.

  • A
    Antifa

    und man stelle sich vor der Author hätte geschrieben "Kreuzberg war mir zu türkisch" ...

  • M
    marv_k

    tja, leben in kreuzberg ist dank der gentrifizierung ein kleiner luxus geworden. aber so wie dieser artikel es beschreibt, scheinen wohl manche keine mühen zu scheuen, an diesem lifestyle teilhaben zu wollen.

  • A
    alcibiades

    Sie sagen es ja selbst:

    "Häufige Mieterwechsel" führen zu Mietsteigerungen. Ich wohne seit acht Jahren in der gleichen Wohnung in einem Kiez, der mir schon mal besser gefallen hat - so what? Ich bleibe da trotzdem, und sieh da, die Wohnung bleibt auch günstig.

    Der Friedrichshain zu deutsch (nicht eher zu ostig?), woanders sind die Freunde zu weit weg (was ist mit der BVG?), dann ist man am Treptower Park zu weit weg - ja, aber billiger war's da, gell? Meine Güte. Manche Leute müssen in den Hochhausburgen am Stadtrand wohnen. Die dürfen sich beklagen. Herr Kuhlbrodt, manches in Ihrem Artikel lässt mich vermuten, dass Sie tatsächlich ein Warmduscher sind. Ich wünsche Ihnen dennoch viel Erfolg bei der Wohnungssuche.

  • A
    Andreas

    (mein Gott ja, was man als Vertreter der kleinbuergerlichen Alternativkultur nicht so fuer Probeme hat im schoenen D., das ruehrt einen zu Traenen..)

  • HN
    Herr Nörgler

    Die ganze "Geschichte" hätte man um gut die Hälfte kürzen können, so viel unnützes Zeugs stand da drin. Ich kann das gut einschätzen, denn ich bin Vermieter und habe schon alle möglichen Abenteuer- und Gruselgeschichten über die Wohnungssuche gehört. Bei mir gingen sie ein und aus, die armen verzweifelten Seelen, junge Studenten, die es vom Land in die schöne Metropole zog (was bitte soll an Hamburg schön sein, wenn man in Heidelberg wohnt???). Schon seit Monaten auf Wohnungssuche. Jeden Tag drei oder vier Besichtigungen, Absagen. Notunterkünfte bei Freunden oder auf dem Rücksitz vom Auto. Anfangs willst du am liebsten jedem aushelfen. Aber du musst dich entscheiden, hast nur ein freies Zimmer zur Verfügung. Du triffst deine Wahl und bereust es nach nicht einmal zwei Wochen. Zuvor geben sie sich als ruhige, unauffällige Personen aus, und nachdem sie eingezogen sind, läuft jeden Tag nur noch Hip Hop, bis weit nach Mitternacht. Kopfhörer benutzen? Denkste! Sie geben sich als Nichtraucher aus, doch plötzlich ist der ganze Balkon voller Kippen, die Vorhänge stinken nach Qualm. Laufen mit Straßenschuhen in der Wohnung rum, rühren aber den Staubsauger nicht an. Telefonieren, telefonieren, telefonieren...dass die Drähte glühen. Sammeln ihr Altpapier in der Küche, Mülltrennung ist ihnen wichtig, bringen den Müll aber nicht runter, sondern lassen alles stehen, bis es der Weihnachtsmann abholt! Kaum einer zahlt pünktlich seine Miete. Wollen aber warmes Wasser, Internet, Telefon, Geschirrspüler, wollen alles inklusive.

    Mir ist der Spaß am Mitbewohner schon vor langer Zeit vergangen. Einen habe ich noch bei mir wohnen, aber sobald dem sein Vertrag ausläuft, ist er raus - und kein anderer kommt mir je wieder in die Bude!