Gefährdete arabische Despoten (I): Jemens Regierung der Dementis
Seit Anfang Januar kommt es im Jemen immer wieder zu Protesten. Ein oppositionelles Parteienbündnis verweigert aber das Gespräch mit Staatschef Ali Abdullah Saleh.
Die jemenitische Führung kommt aus dem Dementieren gar nicht mehr heraus. Vergangene Woche stritt Staatspräsident Ali Abdullah Saleh ab, dass er eine Amtszeit auf Lebenszeit anstrebe oder seinen Sohn als Nachfolger inthronisieren wolle. Am Sonntag dementierte die Militärführung, dass Salehs jüngerer Sohn zum Kommandeur einer neuen Einheit ernannt worden sei. Eine offizielle Quelle des Verteidigungsministeriums sagte, solche Informationen seien "Erfindungen und irreführende Behauptungen mit dem Ziel, im Land Unruhen zu schüren".
Auch ein oppositionelles Parteienbündnis griff am Wochenende zu einem Dementi. Dieses wies Berichte zurück, wonach sich das Bündnis am Wochenende getroffen habe, um über einen Dialogaufruf der Regierungspartei zu diskutieren. Die Regierungspartei hatte zu einem Dialog eingeladen, um die von Tunesien und Ägypten inspirierten Proteste zu beenden.
Ein Sprecher der Opposition erklärte, man werde weiterhin jedweden Dialog ablehnen, solange die Regierungspartei nicht von geplanten Verfassungsänderungen Abstand nehme. Am 1. Januar war im Parlament ein Vorschlag eingebracht worden, nach dem der Präsident das Recht haben soll, sich für eine unbegrenzte Zeit selbst zu ernennen. Salehs Amtszeit läuft im Jahr 2013 ab.
Seit Anfang Januar kommt es im Jemen immer wieder zu Demonstrationen. Die bislang größte mit Zehntausenden von Menschen fand vergangenen Donnerstag statt. Am Wochenende ging eine kleine Gruppe auf die Straße, um vor der ägyptischen Botschaft zu demonstrieren. Sie riefen: "Gestern Tunesien, heute Ägypten, morgen Jemen!" Es kam zu Zusammenstößen mit Unterstützern der Regierung, während die Polizei zusah.
Die gemeinsamen Charakteristika in allen drei Ländern sind wirtschaftliche Probleme, Korruption und eine schlechte Regierungsführung. Die wesentlichen Unterschiede sind das Fehlen einer gebildeten Mittelschicht, eine geringere Verbreitung des Internets und eine schwache Zivilgesellschaft im Jemen. Die Regierung wiederum verfügt über einen gut ausgebauten Sicherheitsapparat und eine Armee, die loyal zum Präsidenten steht.
Allerdings kontrolliert die Regierung vornehmlich die Hauptstadt Sanaa und ihre Umgebung. Auf dem Land haben die Stämme das Sagen, die gelegentlich ihre Loyalitäten wechseln. Im Norden des Landes flammt eine Rebellion der schiitischen Houthis immer wieder auf, im Süden des Landes gibt es eine starke Unabhängigkeitsbewegung.
Insofern ist es bemerkenswert, dass es am Montag Demonstrationen in ländlichen Gebieten gab. Laut Wall Street Journal protestierten in Maweya in der südlichen Provinz Tais 3.000 Personen gegen die Regierung. In al-Hada in der zentralen Provinz Dhammar gingen rund 1.500 Menschen auf die Straße. Der Distrikt al-Hada gilt als Hochburg von Präsident Saleh.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen