die wahrheit: Aus Streu und Glauben

Winterleid: Wo bleibt das Salz für unsere spiegelglatten Straßen?

Eines der höchsten Güter ist das Salzkammergut. Die Erkenntnis kommt dem Autofahrer immer dann, wenn alle Salzkammern leer sind. Denn wehe, uns geht das kostbare Natriumchlorid oder Chloridnatrium, wie man früher sagte, aus, gleich kommt der moderne Mensch mächtig ins Schleudern.

Wenn sich erst ein glitzerndes Gewand auf den spiegelglatten Asphalt legt und dann die Fahrspur vor dem entsetzten Autopiloten in der weißen Pracht verschluckt wird, schwindet auch die Hoffnung des verzagten Reisenden. Die Beifahrerin nestelt das Riechsalz heraus, doch ach, der Flakon ist leer, es hat sich ausgerieselt. Festgefroren, eingeschneit, da hülfe nur der Pökeldienst der Autobahnmeistereien, aber der pökelt schon lange nicht mehr und spielt Schafskopf in seinen verschneiten Unterständen. Denn die Streusalzkisten sind lange leer, das teure Salz ist verstreut, zerbröselt und aufgebraucht. Die herbeigesehnten Salzlaster liegen am Straßenrand und langsam legt sich eine weiße Decke über sie und die Hoffnungen der Gefangenen der Autobahn. Die drei furchtbaren Herrscherinnen des Winters - Leichtsinn, Misswirtschaft und Verantwortungslosigkeit - können wieder zufrieden auf ihr Werk schauen.

Dahin ist der Tau des Trostes, die kristalline Hoffnung der Fahrspur, das kostbare Tausalz. Das wird bekanntlich dadurch gewonnen, dass Seeleute Taue im Meer mit Salzwasser tränken und diese später in großen Tauwerken trocknen. Anschließend wird das kostbare Salz mit Salzkämmen ausgekämmt und in die Streusalzkisten abgefüllt, die wir alle von den Seitenstreifen der Autobahnen kennen. Die Kisten sind nun alle leer, doch siehe, es gibt Hoffnung! Wie sagte schon Prophet Jesaia, der Zerstreute? "Ihr seid das Salz der Erde!" Denn ist nicht der Mensch voll des köstlichsten Salzes? Schmecke nur deinen Schweiß, deinen Urin und deine bitteren Tränen, die du in die Schneewehen auf deiner Kühlerhaube fallen lässt, Verzagter. Richtig: Sie schmecken nach Salz, denn unser Körper ist ein kleines Salzbergwerk, das ständig neues Salz zutage fördert.

Wenn nun jeder Autofahrer sein eigenes Salz mitbrächte und sich von der säumigen Autobahnmeisterei unabhängig machte? Wir sollten unsere Tränen nur auf flache Teller vergießen und zu den Salzpfannen des kleinen Mannes machen. Damit nicht genug: Nach dem Joggen, Walken und Stalken lassen wir den Schweiß auf unserer Haut trocknen und schaben anschließend das weiße Gold mit einem Spatel ab.

Auch die Eigenurintherapie muss nun zurückstehen, damit die Urintöpfe auf unseren Heizungen brodeln können. Zurück bleibt das weiße Glückspulver. Das kostbare kristalline Gut füllen wir in unsere Salzstreuer und bringen diese zum zuständigen lokalen Streuwart, der die Menge misst und in das große Salzfass schüttet. Ist das voll, schirrt er das Schlittenhundgespann und jagt zu den leeren Salzkisten der Autobahn. Zum Lohn für unsere Tausalzspende pappt uns der Streuwart die begehrte Salzspenderplakette auf die Windschutzscheibe. Das bedeutet freie Fahrt für edle Spender.

Freunde der Straße, macht alle mit: Versalzt dem sauertöpfischen Winter die Suppe!

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kari

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