Schläge auf der Davidwache: Geldstrafe für Polizisten
Das Hamburger Amtsgericht verurteilt einen Einsatzleiter der Davidwache wegen Körperverletzung im Amt. Kronzeugen waren zwei Bereitschaftspolizisten.
HAMBURG taz | Es ist wegen oft ausgeprägtem Korpsgeistes die absolute Ausnahme, dass Polizisten einen Kollegen wegen Gewalt anzeigen. Doch solch ein Fall ereignete sich am 8. Juli 2009 im Hamburger Kiezrevier auf der Reeperbahn, wo zwei Bereitschaftspolizisten gegen einen Vorgesetzten Strafantrag stellten. Der Dienstgruppenleiter der berühmten Davidwache, Martin S. (43), ist am gestrigen Dienstag vom Hamburger Amtsgericht wegen Körperverletzung im Amt zu 120 Tagessätzen à 40 Euro (4.800 Euro) verurteilt worden. "Sie haben einen Fehler gemacht, der menschlich nachvollziehbar ist, aber als Polizist nicht passieren darf", sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring.
Martin S. und weitere Beamte waren in jener Nacht einer Peterwagenbesatzung zur Hilfe geeilt, die Probleme hatte, einen mutmaßlichen Scheckkartenbetrüger vor einem Casino auf der Reeperbahn festzunehmen. Der damals 20-jährige Dennis B. leistete dermaßen Widerstand, dass eine Polizistin zu Boden stürzte und sich eine stark blutende Kopfplatzwunde zuzog. Nach erfolgter Festnahme gab Dennis B. seine Gegenwehr auf, ließ sich zur Davidwache bringen und in einem Durchsuchungsraum filzen. Ihm wurden eine Scheckkarte und 1.300 Euro abgenommen.
Plötzlich sei Martin S. in den Raum gestürmt, berichtet Opfer Dennis B., habe sich Lederhandschuhe übergestreift und ihm mit den Worten: "Du Wichser, was hast du da gerade der Beamtin angetan" am Hals gepackt und ins Gesicht geschlagen.
Diesen Vorfall beobachtete ein Bereitschaftspolizist, der sich ebenfalls in dem Raum befand. Er will versucht haben, seinen Vorgesetzten wegzuziehen, berichtete der 26-jährige Beamte vor Gericht. Und nicht nur das: Seine Kollegin, die durch das Getöse alarmiert worden war, beobachtete die Attacke von Martin S. auf Dennis B. durch ein Fenster zum Durchsuchungsraum. Sie gab vor Gericht an, deutlich zwei Ohrfeigen gesehen zu haben.
Die Bereitschaftspolizisten hatten Martin S. nach dem Vorfall zur Rede gestellt. Der habe sich entschuldigt und bedauert "dass die Pferde mit ihm durchgegangen" seien. Vor Gericht jedoch beteuerte Martin S. bis zuletzt seine Unschuld. Er habe als Dienstgruppenleiter die Beschlagnahme des ergaunerten Geldes angeordnet. Da Dennis B. Anstalten gemacht habe, ihn in dem engen Raum anzugreifen, sei er ihm "entgegengetreten" und habe ihn mit beiden Händen an den Schultern wieder auf eine Bank zurückgedrückt. Den beiden "Belastungszeugen" warfen Martin S. und sein Verteidiger Rolf Huschbek eine "Fehlinterpretation" vor, die "unerfahrenen Beamten" wären durch den "vorherigen Stress schlichtweg von der Situation überfordert" gewesen.
Huschbek bezog sich dabei auf die Aussage zweier Beamten der Davidwache, denen eineinhalb Jahre später eingefallen war, dass die Polizistin durch das Fenster gar nichts gesehen haben könne, da sie die Jalousien zugezogen hätten. Ein anderer beteiligter Kollege, der damals nichts gesehen haben wollte, beteuerte, da er auf das Geldzählen "fixiert" war, heute die "Schläge ausschließen zu können".
"Ich nehme Ihnen Ihre Version nicht ab", sagte Richterin Meier-Göring in der Urteilsverkündung. "Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht alles richtig gelaufen ist." Dem Angeklagten Martin S. warf sie vor, von sich "das Selbstbild eines guten Polizisten zu haben", der vor "sich selbst nicht einräumen kann, diesen Fehler gemacht zu haben." Meier-Göring zeigte sich überdies "erschrocken", dass zwei Polizisten regelrechte "Gefälligkeits- und Falschaussagen gemacht" hätten. "Das ist ein Verhalten von Polizisten, das Misstrauen in der Bevölkerung schürt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS