Methanschlupf in der Biogasanlage: Klimakiller tonnenweise
Die BSR will die Verwertung von Biomüll verbessern. Doch die geplante Anlage hat einen Haken: Sie stößt viel zu viel klimaschädliches Methan aus.
Eine Kartoffelschale oder ein Apfelgriebsch, die heute in eine Berliner Biomülltonne geworfen werden, landen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Brandenburg. In einer offenen Kompostierungsanlage zerfällt der Müll in seine Bestandteile. Was natürlich und nachhaltig klingt, hat einen Nachteil: Bei der Kompostierung des feuchten Biomülls entsteht Methan. Das Klimagas hat eine vergleichbare Wirkung wie Kohlendioxid (CO2) - nur über 20-mal stärker.
Um die Verwertung von Biomüll zu verbessern, will die Berliner Stadtreinigung (BSR) eine Biogasanlage bauen. Dort soll das Methan aus der Vergärung der Abfälle gewonnen werden. Methan, aufbereitet und konzentriert, ist chemikalisch gesehen Erdgas. Und Erdgas lässt sich zum Beispiel zum Heizen oder für den Antrieb von Fahrzeugen nutzen.
Ursprünglich sollte es sogar zwei Anlagen geben: Eine in Marzahn und eine weitere in Ruhleben hätten es ermöglicht, den Biomüll verhältnismäßig dezentral zu sammeln und zu verwerten. Inzwischen ist nur noch eine Anlage in Planung. Doch das Kernproblem ist ein anderes: So wie die Anlage derzeit geplant ist, gelangt klimaschädliches Methan in die Luft, und zwar mehr, als Grenzwerte das vorsehen.
Das Problem ist erst seit wenigen Jahren untersucht: Das bei der Vergärung in einer Anlage entstehende Methan wird nicht vollständig genutzt. Ein Rest entweicht in die Luft. Methanschlupf heißt das in der Fachsprache. Das ist durch die starke klimaschädliche Wirkung des Methans deutlich problematischer, als wenn die gleiche Menge CO2 entweichen würde. Doch für den Standort Ruhleben zeichnete sich im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses im Januar eine mögliche Lösung ab: ein Rohr, das das überschüssige Methan in die benachbarte Müllverbrennungsanlage leitet. Dort könnte das Methan verbrannt werden. So würde letztlich zwar immer noch CO2 in die Luft entweichen, aber immerhin kein Methan mehr.
"Die Idee ist relativ neu, vermutlich hat die BSR das daher bislang nicht berücksichtigt", sagt die Umweltberaterin und Expertin für Abfallwirtschaft Gudrun Pinn. "Doch die BSR sollte als landeseigenes Unternehmen ein Vorbild sein, und schließlich ist so eine Anlage auch ein paar Jahrzehnte in Betrieb", sagt sie.
Umweltschützer befürchten nicht nur die tatsächlichen Emissionen, sondern auch einen Imageschaden für den Biomüll. Denn der Verbraucher ist sensibel, vor allem wenn es um die Mülltrennung geht und bei Biomüll noch viel mehr. Hat er das Gefühl, dass er durch das Sammeln keinen ökologischen Beitrag leistet, lässt er es bleiben. Das Sortieren der feuchten, oft stinkenden Abfälle ist besonders im Sommer unbeliebt. "Die Leute trennen Bioabfälle nicht gern", sagt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Und erzählt von Versuchen, die Akzeptanz von Behältern in der Küche zu erhöhen und der Problematik der Singlehaushalte.
Das Biomüllproblem zeigen auch die Zahlen: Berlin liegt, was das Sammeln von Biomüll angeht, hinten. Jeder Berliner entsorgte 2008 im Schnitt 32 Kilogramm organische Abfälle in der Biotonne. Nur Hamburg hat mit 20 Kilogramm pro Kopf noch weniger aufzuweisen. Im bundesweiten Durchschnitt sind es 107 Kilogramm pro Einwohner. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass bei den Berlinern viel weniger Biomüll anfällt. Denn beim Hausmüll liegen die Berliner deutlich über den Bundesdurchschnitt. Es landet also mehr Biomüll in der Restmülltonne.
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft beziffert den jährlich anfallenden Haushaltsbiomüll in der Stadt auf 300.000 Tonnen. Laut BSR werden 60.000 Tonnen pro Jahr gesammelt. Viel Potenzial also für eine Biogasanlage. "Die Anlage wäre grundsätzlich ein Fortschritt", sagt Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Biogas sei eine hochwertige Nutzung. Aber auch sie verweist darauf, dass so eine Anlage zukunftsfähig sein müsse. Daher sollten alle Möglichkeiten, sie ökologisch besser zu machen, ausgeschöpft werden.
Derzeit ist die Anlage in der Genehmigungsphase. Die BSR hofft, dass sie im Frühsommer genehmigt wird, dann könnte die Anlage Mitte 2012 in Betrieb gehen. Rechtlich ist umstritten, welche Regelung bei der künftigen Vergärungsanlage die Menge an Schadstoffen bestimmt, die in die Luft entweichen dürfen. Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt sagt, dass nach der derzeit zugrunde gelegten Regelung die Grenzwerte wohl um ein Vierfaches überschritten würden. Doch, so die Verwaltung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage, die Anlage entspreche dem Stand der Technik. An den Grenzwerten würde eine Genehmigung also wohl nicht scheitern.
Die BSR hat nun zugesagt, die Idee mit dem Rohr zumindest zu prüfen. "Wenn es eine Möglichkeit gibt, die Anlage noch besser zu machen, und das auch finanzierbar ist, machen wir das natürlich", sagt Thümler. Rund 335.000 Euro, so die Schätzungen eines Experten bei einer Anhörung im Umweltausschuss, würde das Unternehmen für eine Leitung ausgeben müssen. Dazu kämen etwa noch Planungs- und Bauarbeiten. Die gesamte Anlage in ihrer jetzigen Planung soll laut BSR rund 20 Millionen Euro kosten.
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