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Patrick Bahners "Die Panikmacher"Aufstand der Unanständigen

Der konservative "FAZ"-Feuilletonchef Patrick Bahners watet mit "Die Panikmacher" durch die Abgründe der deutschen Islamdebatten und warnt vor Verrohung.

Bahners: "Die Kopftuchdebatte hat eine Verrohung des öffentlichen Lebens in Gang gesetzt (...)." Bild: ap

Es ist der gleiche Schrifttyp und das gleiche Layout wie bei "Deutschland schafft sich ab", nur die Farben sind absichtsvoll vertauscht. Statt in das knallige Alarmrot, mit dem Thilo Sarrazins Bestseller dem Leser ins Auge springt, ist der Umschlag von Patrick Bahners wie zur Entwarnung in ein beruhigendes Weiß getaucht; allein der Titel, "Die Panikmacher", sticht daraus in roten Lettern hervor.

Der Feuilletonchef der FAZ widmet sich jener Erregungswelle, auf welcher Sarrazin letztlich nur ganz oben surft. Sein Buch ist weit mehr als eine bloße Erwiderung auf den erfolgreichsten Angstmacher der Nation, der ehemalige Bundesbank-Vorstand und seine Thesen selbst kommen nur am Rande vor. Vielmehr spürt Bahners jener Vorgeschichte nach, die Sarrazins Aufstand der Unanständigen erst den Weg bereitet hat.

"Islamkritiker" wie Necla Kelek, Henryk M. Broder und ihre Unterstützer wähnen sich in einem Krieg mit dem Islam, weshalb die demokratischen Gepflogenheiten für sie außer Kraft gesetzt gehören. Genüsslich seziert Bahners ihr Vokabular, ihre schrillen Warnungen vor "Appeasement" und "Einknicken", ihre Verachtung der Toleranz oder ihr Pochen auf "Leitkultur" und "christlich-jüdische Tradition". Er verweist auf die Widersprüche einer Doppelmoral, nach der ein Bundesbank-Vorstand zwar aus der Rolle fallen, eine muslimische Lehrerin aber kein Kopftuch tragen darf. Und er zeigt, wie Topoi, die zuvor aus der rechtsextremen Propaganda bekannt waren, in den öffentlichen Diskurs eingesickert sind: etwa, wenn ausgerechnet Ralph Giordano den historischen "Schulddruck" beklagt, der es den Deutschen angeblich unmöglich mache, sich dem "wahren" Integrationsproblem Islam zu stellen. Oder wie die Devise, jetzt müsse "ohne Tabus" debattiert werden, zum Beispiel bei Kristina Schröder als Code dafür dient, Vorurteile in die Welt zu setzen.

Bahners macht deutlich, dass es sich bei der antiislamischen Polemik, die Necla Kelek, Henryk M. Broder oder Ralph Giordano popularisiert haben, um eine sehr spezifische Form der "Religionskritik" handelt, die selbst religiöse Züge aufweist und zum apokalyptischen Denken neigt. Der Islamgegner setzt seine Wahrheit absolut - und sieht jeden Dialog deshalb als Verrat an. Einerseits wünscht er sich einen omnipotenten Staat, der wie ein strafender Gott abweichendes - in diesem Fall: muslimisches - Verhalten in seine Schranken weist. Zugleich, und das ist die neoliberale Pointe, hält er den Wohlfahrtsstaat für weitgehend obsolet. Denn da jede Integrationspolitik für ihn ohnehin vergeblich ist, solange die Muslime nicht ihrem Glauben abschwören, hält er politische Bemühungen in diesem Bereich für kontraproduktiv.

Detailliert zeichnet Bahners die skurrile Genese des "Muslim-Tests" in Baden-Württemberg sowie den Streit um das Kopftuchverbot für Lehrerinnen nach, den er als Sündenfall betrachtet, weil hier die Logik des Verdachts erstmals obsiegte und in diskriminierende Gesetze mündete. "Die Kopftuchdebatte hat eine Verrohung des öffentlichen Lebens in Gang gesetzt, die in den Moschee- und Sarrazin-Debatten forciert wurde."

Ein weiteres Kapitel widmet er Necla Kelek, der Säulenheiligen der deutschen "Islamkritik", von der er das spöttische Psychogramm einer Konvertitin zeichnet. Trotz haarsträubender argumentativer Widersprüche und vielfach widerlegter Falschbehauptungen ("Jede zweite türkische Ehe ist eine Zwangsheirat"! "Immer mehr muslimische Eltern melden ihre Töchter vom Schwimm- und Sportunterricht ab!") wird sie von Medien und Politik weiter hofiert, weil sie für viele Deutsche dem Ideal eines "säkularen Muslims" entspricht, der mit seiner Religion abgeschlossen hat.

Bahners hat ein überfälliges Buch geschrieben. Einzuschränken ist, dass sein eigenwilliger, zuweilen sperriger Stil und die unstrukturierte und anekdotenhafte Art und Weise, mit der er sich von Zitat zu Zitat hangelt, leider viele Leser abschrecken dürfte.

Ins Gewicht fällt natürlich, dass dieses Buch von einem Konservativen stammt. Als Anhänger bürgerlicher Tugenden schmerzen Bahners die Verrohung der Debatte und die Schäbigkeit der Anwürfe, die gegen Muslime in Stellung gebracht werden. Und als Katholik reibt er sich verwundert die Augen ob der plötzlichen Amnesie vieler, die Geschichte und die Irrwege des Christentums in Deutschland betreffend. Er fragt sich, wohin das alles führen soll, schließlich lassen die Postulate der Islamgegner in letzter Konsequenz ja nur einen Schluss zu: "Muslime raus".

Ein Blick in die Nachbarländer hätte da sicher weitergeholfen. In Österreich wirbt die FPÖ längst mit Zitaten von Stichwortgebern wie Alice Schwarzer oder Henryk M. Broder, und in den Niederlanden schlägt der Rechtspopulist Geert Wilders aus dem politischen Erbe von Ayaan Hirsi Ali Kapital, er fordert eine Zuzugssperre für Muslime und ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum. Die Angst vor dem Islam, die Bahners beschreibt, ist ja kein rein deutsches Phänomen, das Personal der Debatte bis zu einem gewissen Grad austauschbar.

Schade auch, dass Bahners die Verantwortung der Medien nur beiläufig anspricht. Ein blinder Fleck? Schließlich gehört gerade das Feuilleton der FAZ zu den bevorzugten Orten, an denen Necla Kelek, Thilo Sarrazin und andere Islamgegner ihre Pamphlete absondern, meist unkommentiert und unerwidert. Manch spöttische Entgegnung von Bahners hätte man sich da schon früher gewünscht.

Patrick Bahners: "Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam". C. H. Beck Verlag, München 2011, 320 Seiten, 19,95 Euro

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17 Kommentare

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  • A
    Antifaschist

    @Hatem:

     

    Das was Sie da schreiben ist absolut dumm. Hlauben sie etwa ernsthaft, das es "Nur der Islam" ist, der Homosexcualität verachtet(was nicht ganz stimmt) und der Frauen unters Kopftuch zwingt?

     

    Waren Sie jemals in einer Gegend, in der die Christlich-Orthodoxe Kirche das sagen hat? Oder in den Vierteln in Rotterdam, in denen überwiegend Othodoxe Juden leben? Oder vielleicht im BibleBelt in den USA?

     

    Um das mal klar zu stellen: In jeder Religion gibt es Fundamentalisten. Und in jeder Religion tendieren solche Fundamentalisten auch zum Extremismus.

     

    Das ist definitiv KEIN Phänomen des Islam.

     

    Und ich als Schwuler mit überwiegend muslimischen Freunden weiss wovon ich rede. P.S.: Die Wohnnähe zu den niederlanden erlaubt es mir auch Jüdische Freunde zu haben.

     

    http://gaylife2011.wordpress.com/2006/12/02/verkehrte-welt-in-israel-angeblich-homofreundlich/

     

    http://antifaschista.wordpress.com/2011/05/09/der-heiliger-schein-ein-buch-von-david-berger/

  • BG
    Bernd Gubernator

    Lieber Herr Bahners,

    als höflicher Mensch bin ich gerne dazu bereit Ihre Thesen als "streitbar" zu betrachten.

    Da aber auch ich mich gelegentlich den Realitäten des Lebens beugen muss,es fällt mir in gewisser Art schwer,

    muss ich leider in aller Höflichkeit in Erwägung ziehen,dass Sie einen dicken Fisch im Arsch haben.

    Sorry for that, mir bleibt leider nur der gutgemeinte Ratschlag, stecken sie sich mal beide Daumen in den Arsch und versuchen sie zu fühlen ob sie noch zuhause sind.Vermutlich ist aber neben dem dicken Fisch kein Platz mehr.

    mfg

    Bernd Gubernator

  • M
    Maddin

    Mit Daniel Bax ("Einen Sarrazin braucht niemand") hat die taz ja den richtigen Claqueur für Bahners Machwerk gefunden...

  • H
    Hatem

    Traurig ist nur eines: Dass Bahners eine Religion verteidigt, die Schwule verachtet, Frauen die Selbstbestimmung verweigert und Apostasie mit dem Tode bestraft. (Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen.)

     

    Als aufgeklärter Mensch sollte man sich gegen eine solche Religion stellen, anstatt sie zu verteidigen und mit der "Islamophobie"-Keule auf Islam-Kritiker einzuprügeln.

  • L
    Lucia

    >>...Vielmehr spürt Bahners jener Vorgeschichte nach, die Sarrazins Aufstand der Unanständigen erst den Weg bereitet hat......Oder wie die Devise, jetzt müsse "ohne Tabus" debattiert werden, zum Beispiel bei Kristina Schröder als Code dafür dient, Vorurteile in die Welt zu setzen...

  • N
    Ninon

    Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, wie erzreaktionär Linke sind, dann ist es mit dieser Lobpreisung eines ultrakonservativen Buches geschehen.

     

    Der reaktionäre Katholik Bahners verbrüdert sich mit den reaktionären Muslimen, und die TAZ applaudiert.

  • DE
    django erhardt

    Die neuen rechten Rattenfänger kommen im Gewand der Aufklärung daher, Hauptsache: gegen den Islam! Neuerdings haben sie sogar die Frauenrechte entdeckt. Tatsächlich haben diese Leute noch nie irgendetwas für die Rechte der Frauen getan. Im Gegenteil, es war immer patriarchalisch erzreaktionärer Affekt - für die Unterdrückung der Frauen. Gleichberechtigung war solchen Leuten doch nie ein Anliegen. Das haben sie doch früher immer bis aufs Messer bekämpft! Und Gewalt gegen Frauen, das wollten die doch überhaupt nicht wahrhaben. Wo haben sich die heutigen Islamfeinde und ihre Alt- und Neonazis im Schlepptau je für Frauenhäuser engagiert?

  • K
    Krauskopf

    Ich finde es bemerkenswert, dass (endlich) jemand versucht ein Gegengewicht zu Herrn Sarrazin zu bilden.

    Schlimm finde ich, dass Leser der FAZ ihr ABO zurück geben, wegen den Ausführungen von Patrick Bahrnes.

    Demokratische Gesinnung steckt da nicht dahinter.

  • C
    Curt

    Was mir sehr merkwürdig erscheint, ist dieses Faible deutscher Intellektueller für das strukturell antiintellektuelle, reaktionäre gesellschaftliche Weltbild des politischen Islams und der dialektischen Wucht seiner Apologeten. Ist das eine Art "Horror-Chic", ist das vergleichbar mit Salon-Kommunismus oder sind Leute wie Herr Dax ernsthaft so naiv. Dazu kommt dann noch die unerträgliche Verhöhnung und Herabsetzung von Frauen wie Hirsi oder Kelek. Medien wie die taz machen sich hier auf mir unerklärliche Weise mit archaisch-gewalttätigen Weltsichten gemein.

  • AH
    Arne Hoffmann

    @ Fordler: "Wer so viele Meinungsgegner auflistet, der muß eigentlich selbst falsch liegen. Das ist wie mit dem Geisterfahrer auf der Autobahn, der die Verkehrswarnung vor ihm mit den Worten: "Was heißt hier einer??!! Hunderte, hunderte kommentiert."

     

    Verflixt - wenn das damals die Leute von der Weißen Rose schon gewusst hätten, hätten sie sich all ihre Flugblattaktionen sparen können. Sie hätten einfach mal die Nationalsozialisten durchgezählt und sich danach ihren Hobbys gewidmet statt dem Widerstand gegen eine menschenverachtende Massenpsychose.

  • IN
    Ihr NameJoachim Böcher

    Guten Tag,

    mein kommentar zu der Vorstellung des Buch von Patrick Bahners in der FAZ war meine Kündigung des ABO

  • B
    buenaventura

    Wenn irgendwas traurig ist dann das gegeneinander Ausspielen von Frauen in Deutschland und Frauen in muslimischen Gesellschaften. Frau Kelek stellt sich selbst ins Abseits wenn Sie Zahlen verbreitet, die keine öffentliche oder gesellschaftliche Institution überhaupt seriös erhebt. Allein das sollte schon zu denken geben. Der Herausforderung ist so nicht gerecht zu werden, sie ist noch nicht ein mal identifizierbar. Kelek wird nicht in eine Rechte Ecke gestellt, sie trägt die Rechte in die "Mitte der Gesellschaft" oder bedient diese, im sakrosanten Auftrag ihres Diploms in Soziologie, und verdient materiell wie immateriell äußerst gut daran. Wer nach Kopftuchverbot schreit, kann es mit den emanzipativen Bestrebungen nicht sehr ernst nehmen. Jedenfalls sehe ich nicht was daran emanzipativ sein kann, die unter Zwang stehenden Frauen via Kopftuchverbot et al in die Privatheit zurückzudrängen und jene Muslima, die das Kopftuch aus freien Stücken tragen, an der Ausübung ihrer Religion hindern. Es wundert nicht, dass die scheinbar dem Mainstream anhängenden VorkommentatorInnen den Kern des Artikels, die demokratische Verrohung, ignorieren, und stattdessen einem gut-böse Bias das Wort reden.

  • F
    Fordler

    Wer so viele Meinungsgegner auflistet, der muß eigentlich selbst falsch liegen. Das ist wie mit dem Geisterfahrer auf der Autobahn, der die Verkehrswarnung vor ihm mit den Worten: "Was heißt hier einer??!! Hunderte, hunderte kommentiert.

  • N
    Nessie

    Meine Guete, was ich so alles bin. Unglaeubig, Unrein, Unanstaendig.

     

    Mir egal. Ich denke und handle selbstbestimmt ohne Input der religioesen Halbhirne und deren naiven Versteher.

  • A
    A.Grech

    "Manch spöttische Entgegnung von Bahners hätte man sich da schon früher gewünscht. "

     

    Nein, hätte man nicht. Das ist ja das Schöne an der FAZ: es sind dort nicht immer die üblichen Verdächtigen die "Bösen" bzw. "Guten" - im Gegensatz zu taz.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Der Erfolg von Sarrazin, Schwarzer, Kelek, Broder u.a. sind nur möglich vor dem Hintergrund des wachsenden Umbehagens einer Bevölkerungsmehrheit vor dem Islamismus, wobei die Träger dieses Umbehagens auch Muslime sind, die die ersten Opfer der Islamisten waren und sind. Patrick Bahner kann sich ja mal in die Hand von Islamisten begeben. Die gehen dann schon mit ihm um und werden ihm handfest zeigen, was sie vom FAZ-Feuilleton halten, nämlich als Instrument der Ungläubigen gar nichts!

  • N
    neville

    Die Menschenverachtung und der Chauvinismus des Herrn Bahner sowie seines Apologeten Herrn Bax sind ein Hohn für "Ehrenmord"-Opfer wie Hatan Sürücü. Auch rechtfetrigen sie Genitalverstümmelungen und Zwangsheirat, indem sie Leute wie Ayaan Hirsi und Necla Kelek ins lächerliche ziehen, bzw. in eine angeblich politisch "rechte" Ecke stellen.

    Es ist sehr traurig, dass Frauenrechte in der taz so mit Füßen getreten werden.