Kommentar zum Steuerstreit: Ein wohlkalkulierter Test

Wie schön, dass ein FDPler der Ansicht ist, der Staat könnte eine Milliarde Euro sinnvoller investieren, als damit Gutverdiener zu sponsern. Aber Parteilinie ist das nicht.

Was ist bloß in die FDP gefahren? Noch vor einem Jahr kannte die Partei kein dringlicheres Anliegen, als die wenigen Hotelbesitzer des Landes mit einem saftigen Mehrwertsteuernachlass zu beschenken. Jetzt plötzlich will der junge FDP-Hoffnungsträger und Generalsekretär Christian Lindner "alle ermäßigten Sätze hinterfragen" und das oft kritisierte Gesetz elegant entsorgen.

Wie schön, dass ein Freidemokrat der Ansicht ist, der Staat könnte eine Milliarde Euro - so viel kostet der Nachlass den Steuerzahler jährlich - sinnvoller investieren, als damit unter dem Deckmantel der Wachstumsförderung wenige Gutverdiener zu sponsern. Allerdings wäre es voreilig, der gesamten FDP nun späte Einsicht zu unterstellen. Lindners Meinung ist nicht Parteilinie. Zudem hat die Koalition eine Kommission damit beauftragt, eine Reform des unübersichtlichen Mehrwertsteuersystems zu überprüfen. Dass sie alle Sätze - auch den für Übernachtungen - hinterfragt, ist eine Binsenweisheit, täte sie es nicht, könnte sie sich auflösen.

Bei dem Lindner-Interview handelt es sich also nicht um einen politischen Schwenk, sondern um einen wohlkalkulierten Test. Die FDP ist in der Lage, Fehler zu überdenken, so Lindners Botschaft kurz vor den wichtigen Landtagswahlen - während die CSU als irrationale Bedenkenträgerin dasteht, weil sie reflexhaft aufheult und das verrückte Gesetz verteidigt.

Fast noch wichtiger aber ist, dass der Generalsekretär der FDP den Boden bereitet für ihr wichtigstes Ziel. Nämlich dieses: doch noch eine große Steuerreform unter dem Motto "Mehr Netto vom Brutto" umzusetzen, mit der sie ihr Milieu kurz vor der nächsten Bundestagswahl milde stimmen könnte.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Guttenberg zurücktreten sollte.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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