ASBETOSE: Krank, aber nicht krank genug

Zwei Initiativen aus Bremen setzen sich dafür ein, dass Berufskranke leichter als solche anerkannt werden. Bislang kämpfen Betroffene oft jahrzehntelang - vergebens.

Vulkan-Arbeiter haben mit ihrem Job oft auch den Beweis verloren, dass der sie krank gemacht hat. : dpa

Gut möglich, dass der Kampf von Walter Topf erst mit seinem Tod endet. Dann hätte die Berufsgenossenschaft einmal mehr gewonnen.

Walter Topf, in den letzten Kriegstagen geboren, war einst Tischler, 22 Jahre arbeitete er im Hafen und auf der 1983 untergegangenen AG Weser. Seit über 15 Jahren schon hat er Asbestose. Eine Berufskrankheit, die ihm 1995 auch anerkannt wurde. Dennoch bekommt er bis heute keine Entschädigung - obwohl er inzwischen lebensbedrohlich krank ist. Doch die Berufsgenossenschaft sieht sich auch nach 17 Jahren außerstande, seinen Fall abschließend zu entscheiden.

Gleich mehrere Initiativen aus Bremen bemühen sich derzeit um Fälle wie diesen. Ihnen geht es vor allem um die Umkehr der Beweislast bei Berufskrankheiten. Denn wer als ehemaliger Werftmitarbeiter beispielsweise lungenkrank ist und als berufskrank anerkannt werden will, muss nachweisen, dass das krebserregende Asbest am Arbeitsplatz ursächlich schuld daran war. Das fällt vielen schwer, zumal viele Beweise gemeinsam mit der AG Weser oder dem Vulkan untergegangen sind. Die Anerkennungsquote ist entsprechend gering, das Verfahren langwierig und "demütigend", wie Betroffene immer wieder berichten. Und selbst wenn am Ende der Nachweis gelingt, heißt das noch nicht, dass die Berufsgenossenschaft auch zahlt. Wer an Asbestose leidet, muss rechnerisch zu mindestens 20 Prozent geschädigt sein, ehe er deswegen Rente bekommen kann.

Bereits im vergangenen Jahr hat der Verein zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie eine Petition beim Bundestag eingereicht. Die Berufsgenossenschaften, so fordert sie, sollen nachweisen, dass die Erkrankung nicht auf der jahrelangen Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz beruht. Und "frühzeitig und konsequent alle erforderlichen präventiven Maßnahmen ergriffen" worden sind. Das fiele schwer: Schon 1968 gab es vom Gewerbeaufsichtsamt Hinweise über die Gefahren, die von Asbest ausgehen. Zehn Jahre später wurden auf der Vulkan-Werft die damaligen Grenzwerte um das 40-fache überschritten. Erst seit 1993 sind die Herstellung und die Verwendung von Asbest verboten.

Noch ist über die Petition nicht entschieden. Aber im Bundesministerium für Arbeit und Soziales hält man nicht viel von der Initiative: Eine Beweislastumkehr würde die "Grenze" zwischen einer Unfallversicherung wie der rein arbeitgeberfinanzierten Berufsgenossenschaft und der gesetzlichen Krankenversicherung "verwischen", heißt es da. Eine Abgrenzung zwischen Berufskrankheiten, für die Unternehmen einzustehen haben, und sonstigen Erkrankungen wäre dann "nicht mehr möglich".

Der rot-grüne Senat hat im vergangenen Jahr auf Initiative der Grünen eine Bundesratsinitiative beschlossen, die ebenfalls eine Umkehr der Beweislast erreichen will. Derzeit sei man noch auf der Suche nach "Partnerländern", heißt es. Auch die grüne Bundestagsfraktion hat sich des Themas angenommen. Man habe sich gegen eine "schnelle Initiative" entschieden, sagt der grüne Sozialpolitiker Horst Frehe, das sei "nicht hilfreich", senkt es doch die ohnehin geringen Chancen der Initiative. Es könnte aber auch sein, dass erst die kommenden Landtagswahlen abgewartet werden, ehe ein Antrag in den Bundesrat eingebracht wird.

Bremen hat, verglichen mit anderen Ländern, besonders viel Asbest-Geschädigte, und Deutschland wiederum mehr als andere EU-Staaten. Etwa 5.000 einschlägig Erkrankte gibt es in Bremen, nur jeder Zweite wurde als berufskrank anerkannt. Fast 8.000 BremerInnen, 60 Prozent davon über 60, werden heute routinemäßig auf asbestbedingte Krankheiten untersucht. Experten erwarten, dass die Zahl der Asbest-Geschädigten noch bis 2017 steigt, Asbest macht oft erst nach Jahrzehnten krank.

Schon im November hat die Bürgerschaft beschlossen, dass in Bremen eine Beratungsstelle des Ex-Vulkan-Betriebsrates Rolf Spalek "langfristig" abgesichert werden soll. Doch noch fließt kein Geld: Spalek, selbst erkrankt, arbeitet seit 2005 ehrenamtlich und wurde soeben für sein Engagement vom Verein "Arbeit und Zukunft" mit einem Preis geehrt. Einem undotierten. "Noch vor der Wahl", so sagen die Grünen, soll Geld bewilligt werden. Die Deputation der Bürgerschaft wird wohl im April darüber entscheiden.

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