JUSTIZ: Geschlagene vier Jahre

2.700 Euro muss ein Ex-Hooligan zahlen, der einen Polizisten in Zivil schwer verletzte. Das Opfer beklagt vor allem, wie viel Zeit bis zu Prozessbeginn verging

Vom Zusammentreffen auf dem Platz bekam N. nichts mehr mit : dpa

Am Ende geben sie sich noch die Hand. Auf dem Gerichtsflur stehen sie friedlich beisammen - der Polizist Wolfgang S., von dem die Ärzte sagten, dass er damals auch hätte tot sein können und Jens Christoph N., der ein Hooligan war, ihm direkt ins Gesicht schlug. Fast vier Jahre ist das nun schon her. Und genau das, sagt der Polizist vor Gericht, "verbittere" ihn, mache ihm heute die meisten Probleme. Zwei Monate dauerte es, bis N. gefasst und geständig war. Zwei Jahre, bis die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung formuliert hatte, nochmals zwei Jahre, bis das Amtsgericht sie gestern verhandelte. "Es hat unerträglich lange gedauert", sagte der junge Amtsrichter in seinem Urteil. Er sei erst seit ein paar Wochen da.

Mai 2007, 12 Uhr mittags, Bremen-Steintor: Vor dem Spiel Werder gegen Frankfurt sitzen gut 50 Hooligans der einen Seite in der "Steintorschänke", gut eben so viele der anderen Seite haben sich schräg gegenüber in einer Seitenstraße versammelt. Die Stimmung ist aufgeheizt, eine Schlägerei bahnt sich an. Auf der Straße, zwischen den noch ruhigen Fronten, stehen drei der so genannten "szenekundigen Beamten" in Zivil, darunter der heute 52-jährige S. Was dann passierte, darüber gehen die Erinnerungen heute auseinander. Sicher ist nur, dass S. zu Boden ging, sei es durch einen Tritt, sei es durch einen Faustschlag, jedenfalls durch N. Der flüchtete daraufhin -"in Panik", wie er sagt. S. blieb mit einem Schädel-Hirn-Trauma, gebrochenem Nasenbein, Hirnblutung und anderen Verletzungen liegen. "Ich hab ihn als Frankfurter wahrgenommen", sagt der Angeklagte.

Der 34-jährige Versicherungskaufmann war damals noch Sport- und Pädagogikstudent in Münster, sollte, wollte Lehrer werden, so wie seine Eltern es beide waren. "Fakt ist, dass ich mich in der Szene bewegt habe", sagt er. Aber nicht im harten Kern. Zwei, drei Mal war er zuvor schon mal bei Spielen als Fußball-Rowdy aufgefallen, aber Vorstrafen hat er keine. Seine Motivation vergleicht er mit der eines Bungee-Jumpers, er spricht vom Adrenalinkick, beschreibt die Schlägereien unter Hooligans als eine Art von Mannschafts-Kickboxen mit festen Regeln.

Heute, sagt N., hat er der Szene "komplett den Rücken gekehrt" - auch wenn er seine Freunde von damals nicht verpfeifen will. Immer wieder entschuldigt er sich bei S., der das auch annimmt. Nur dass N. eine Kerze im Dom für ihn angezündet hat, dass findet der Polizist dann doch "zu theatralisch". Inzwischen arbeitet er lange wieder in seinem alten Job auf der Straße, hat auch "keine Angst davor", wie er sagt. Er ist einer, der keinesfalls ein "Superheld" sein will. Nein, Therapie hat er keine gemacht, anders als N., der sagt, dass alles in den letzten Jahren für ihn "auch nicht leicht" gewesen sei. "Sie zerfließen in Selbstmitleid", wird der Richter ihm am Ende bescheinigen.

Gut 10.000 Euro Schmerzensgeld hat N. gezahlt, dazu bislang mehr als 17.000 Euro an Arztkosten, und allerlei Rechnungen von mehreren Anwälten. Zwei Monate saß er in U-Haft, eine "schreckliche Zeit" wie er sagt. Wäre ihm damals schon, ein paar Monate nach dem Spiel, der Prozess gemacht worden - gut möglich, sagt der Richter, dass er nochmals hätte ins Gefängnis müssen. So kommt er mit 2.700 Euro Geldstrafe davon.

Im Mai wird er Vater, 2009 hat er geheiratet. Bei der Versicherung ist er für die Schadensabwicklung zuständig.

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