piwik no script img

Mit libyschen Rebellen an der KriegsfrontRechts Wüste, links Wüste

Schon wieder stockt der Vormarsch der libyschen Aufständischen irgendwo östlich von Gaddafis Geburtsort Sirte. Aber die Rebellen kontrollieren jetzt das Öl.

Bis Tripolis sind es noch ein paar Kilometer: Libysche Rebellen bei Bin Jawad, östlich von Sirte. Bild: dpa

BIN DSCHAWAD/BENGASI taz | Hinter Adschdabija geht es anscheinend immer weiter. Der Vormarsch der Rebellen sieht aus wie eine Rallye. Auf umgerüsteten Zivilfahrzeugen sausen sie die eine endlose lange Autobahn durch die Wüste entlang, die über mehrere tausend Kilometer Tobruk im Osten mit Tripolis im Westen verbindet, vorbei an den zerschossenen Fahrzeugen der Gaddafi-Truppen, an verkohlten Panzern, von denen einige noch brennen. Auf der Gegenspur werden mit Lastern erbeutete Panzer von den Rebellen nach Bengasi transportiert.

An jedem Stadteingang ähnelt sich das Bild: Junge Männer, einige in Jeans und Lederjacke, andere in Uniformteilen, sammeln sich in Gruppen, schießen Maschinengewehrsalven in die Luft, schwenken Fahnen, fotografieren einander dabei ausgiebig mit Handys. Auch vor Ras Lanuf. Rechts neben der Straße tauchen, wie aus der Wüste gewachsen, Tanks und Raffinerien dieses größten libyschen Ölhafens auf. Schlote rauchen. Die Arbeit hier geht weiter, auch im Krieg.

Mit diesem Küstenstreifen sind den Rebellen die wichtigsten Ölexporteinrichtungen des Landes in die Hände gefallen. Und deshalb, so meint einer von ihnen, der mit eine Gruppe vor der Ausfahrt zum Werksgelände zurückgeblieben ist, sei das Gerede von einer Teilung des Landes auch nicht ernst zu nehmen. "Wovon soll ein Gaddafi-Staat denn leben, wenn er Ostlibyen nicht mehr beherrscht?", fragt er. Ein anderer entgegnet: "Im Westen gibt es Gas. Und unerschlossene Ölvorkommen." Der erste insistiert: "Selbst wenn: Alle großen Stämme haben Familienangehörige im Osten wie im Westen. Ich bin aus Bengasi, aber meine Familie stammt aus Misurata. Soll meine Tante etwa ein Visum beantragen, um uns zu besuchen?"

Die Versuche ausländischer Libyen-Experten, die Bevölkerung des Landes in "Pro-Gaddafi"- und "Anti-Gaddafi"-Stämme einzuteilen, halten die Menschen hier für unergiebig. "Sie müssten mal eine Umfrage machen, wie viele unter uns ,Gaddafi' heißen. Sie wären erstaunt." Wir sind Libyer, nichts sonst. Libyer lassen sich von Libyern nicht trennen. "Oder nur mithilfe ausländischer Söldner."

Jemand zieht ein Handy hervor und spielt Bilder ab, die er vor ein paar Tagen selber aufgenommen haben will: Das Kameraauge schweift über die Leichen von olivgrün uniformierten Schwarzafrikanern, die meisten mit blutumrandeten tellergroßen Löcher in den Schädeln. Es scheint, als seien sie aus allernächster Nähe erschossen worden. Die Auskünfte des Kämpfers darüber, was er da auf seinem Handy geschossen hat, bleiben unklar: Wenn sie nicht aufhören wollen, Widerstand zu leisten, fragt er, was soll man machen? Warum soll man Milde walten lassen, wenn man im Gepäck der Schwarzen sogar Viagra findet, damit die noch besser libysche Frauen vergewaltigen können?

"Wir sind keine Rassisten", versichern alle aus der Gruppe. Aber der Sprachgebrauch wirkt ungut. "Abid" werden Gaddafis Söldner hier genannt - das übliche abfällige arabische Wort für Schwarzafrikaner, wörtlich "die Knechte" oder "die Sklaven".

Vor Bin Dschawad weiter westlich herrscht eine andere, angespantere Stimmung. Gefeiert wird nicht mehr. "Aufpassen", warnen einige, die hier auf ihren Wagen in der Etappe warten. Ein Teil der Stadtbevölkerung unterstütze Gaddafi. Anders als in Brega oder Ras Lanuf sei man nicht freudig hupend und fahnenschwenkend empfangen worden. Hier geht es schon Richtung Sirte, Gaddafis Hochburg. Und hier endet jetzt schon zum zweiten Mal in der kurzen Geschichte dieses Krieges der Vorstoß der Rebellen von Ost nach West.

"Feinde haben sich in Zivil unter die Leute gemischt", will einer wissen. Kaum ist das gesagt, fallen in nächster Nähe Schüsse, Dutzende kommen von vorne zurückgerannt, springen in ihre Fahrzeuge, wenden, sausen in Richtung Ras Lanuf zurück. Es ist ein Wunder, dass in dem Chaos keiner überfahren wird. Auch wir werfen das Steuer herum, schließen uns der Flucht an. Später wird bekannt, der Rebellenvormarsch sei 80 Kilometer vor Sirte mit schwerem Artilleriefeuer gestoppt worden; daraufhin hätten Gaddafis Truppen den Ort Nawfalijah 120 Kilometer östlich von Sirte wieder unter ihre Kontrolle gebracht.

Zurück in Bengasi, erschüttert der Donner schwerer Maschinengewehre die Luft, begleitet von den Detonationen großkalibriger Flugabwehrwaffen. Haben die Gaddafi-Militärs auf einmal doch wieder die Initiative? Nein, erklären lachend die Nachbarn auf der Straße: "Das ist Freudenfeuer. Gerade ist bekannt geworden, dass unsere Leute Gaddafis Geburtsstadt Sirte erobern konnten." Die Nachricht erweist sich als falsch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Q
    qrty

    Marc Thörner , schön das du wieder was machst - für mich bist du der frontman - der artikel aus libyen ist aber dein schwächster. frontman heißt nicht frontberichterstattung. mich würde interessieren was sind das für leute, die im reichsten land afrikas, da mit handy und ballermann den aufstand proben. dem hinweis auf rassitische ausfälle wäre nachzugehen. was und welche rolle spielt qaida. - mach mal ein bericht aus algerien.

    ich warte immer auf deine o-töne.

    so long

    qrty

  • P
    Phil

    Man sollte bemerken, dass die Genfer Konvention für Söldner ausdrücklich nicht gilt, sie sind keine Kriegsgefangenen.

  • L
    libyer

    ...die ganze amerika hetze hier ist ja langsam nicht mehr schön ... diese rebellen sind keine horde wilder, sondern normale bürger die es satt haben sich in einem koruppten system beuteln zu lassen, und das von einem geisteskranken möchtegern sozialisten der seinem sohn ne 8mil. villa als studentenbude stellt ....

    solche anti alles linken wie die freunde hier ein paar beiträge unten drunter braucht kein mensch.

    denkt ihr weil der typ sein öl nach china verkauft und er lustige uniformen trägt sei er einer von euch?! ...

    mann mann

    ich habe familie in benghasi und ich bin heilfroh das man das scihere massaker dort noch verhindert hat. ihr habt nicht den geringsten anschein einer ahnung was in dem land die letzen 40jahre vor sich ging....

  • K
    Kai

    Vielleicht könnte man ja auch eine Teilung Libyens anstrengen, ähnlich wie im Sudan. Der Osten für die Rebellen, und der Westen für die Gaddafi-Anhänger.

  • V
    vic

    Wer sind sie denn jetzt eigentlich, diese Rebellen?

     

    Es stimmt doch etwas nicht, wenn die "westliche Wertegemeinschaft" eine dubiose Horde Bewaffneter so engagiert unterstützt, die sie anderswo als Terroristen bekämpfen würde.

    Und weshalb diese Wertegemeinschaft ausgerechnet in Libyen eingreift und nicht in einem der vielen diktatorischen und völkermordenden Nachbarstaaten.

  • L
    Lars

    Ach das sind ja wirklich sympathische Gesellen diese Rebellen. Übrigens genau das was ich im, von der TAZ aus welchen Grund auch immer, zensierten Beitrag zu Averny als Frage aufgeworfen habe. Ich überspitze jetzt mal aber sind monarchistische, rassistische Mörder wirklich besser als Gaddafi. Und wie sich rassistische Stereotypen gleichen, der böse schwarze Mann der "unsere" Frauen vergewaltigt.Ganz ehrlich die Vergleiche mit dem Kosovo werden immer zwingender. Erst bombte man der UCK ein unabhängiges Kosovo herbei, jetzt der nächsten zweifelhaften Bewegung.Libyer in Tripolis bzw,. im Westen des Landes möchte ich jetzt nicht sein.

     

    Und von mir aus könnt Ihr das auch zensieren.

  • OK
    Oliver Kröger

    ein ergänzender absatz, der sich ein bisschen aus der "embedded-perspektive" löst wäre fein gewesen. wenigstens ist man um die vermeidung des euphorischen/empathischen duktus bemüht...

  • H
    hinterwald

    lieber marc thörner,

     

    das ist schön, daß sie jetzt auch für die taz schreiben, aber ich ziehe es doch vor, ihre tollen features im radio zu hören ;-)

  • M
    Martin

    Dankesehr!!!

  • R
    Rose

    Wird der taz-Korrespondent Marc Thörner als Zeuge vor dem internationalen Strafgerichtshof in den Haag auftreten?Schliesslich sind die Ermordung von Kriegsgefangenen und die systematische Liquidierung von politischen Funktionären des Gaddafi-Regimes durch die

    "democratie Fighters"eindeutig Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

    Aber vermutlich werden der Profilneurotiker aus Paris schon dafür Sorgen,dass seine Kumpane nicht behelligt werden!Es hat ja auch nur ein Befehl genügt,damit die "unabhängigen" Richter eine Anklage gegen Gaddafi erhoben haben.Für Beweise wird später schon gesorgt werden...Nicht dass ich missverstanden werde:Gaddafi gehört vor ein ordentliches Gericht!Aber auch diejenigen,welche in Benghasi und anderen Städten Liquidierungslisten "abarbeiten" lassen,dürfen nicht ungeschoren davon kommen!Und gibt es nicht auch den Straftatbestand des "Verbrechen gegen den Frieden"?

  • B
    Beobachter

    "Aber die Rebellen kontrollieren jetzt das Öl"....und darauf kommt es dem Westen ja in erster Linie an, gell?

     

    Gestern tagte eine entsprechende Konferenz in London, die die Beute schon mal aufteilen soll unter den Kriegstreibermächten im Westen, die unter dem Deckmantel des Zivilistenschutzes und der "Konterkonterrevolution" (seit wann eigentlich hat das kapitalistische System Sympathien für Basisdemokratie) Gaddafis Verstaatlichung der lybischen Ölvorräte rückgängig machen wollen, als dieser 1969 den korrupten Kleptokraten und US-Vasallen König Idris aus dem Lande jagte und (entgegen aller hier vorherrschenden Propaganda) vorwiegend in die Infrastruktur des eigenen Landes steckte, Analphabetentum bekämpfte und dem Volk einen enormen Wohlstand bescherte im Vergleich zu vorher (allerdings auch sich und seinem korrupten Clan, wie alle, die zu lange an der Macht sind).

     

    Was für ein Glücksfall, dass der verrückte Diktator da so eine Steilvorlage und günstige Gelegenheit bietet. Voller Freude und einer gewissen Häme (nun endlich kann man mit dem verhassten und eigenwilligen arabischen Despoten, der sich eben nicht wie alle anderen dort für die westlichen Interessen einspannen ließ, abrechnen) nahmen Medien und Politik diese Steilvorlage an und brachen in Windeseile einen Krieg vom Zaun.

     

    Die Konferenz: So sicherten Vertreter der sog. "Übergangsregierung" dem Westen zu:

    "Die Interessen und Rechte von ausländischen Bürgern und Unternehmen sollen geschützt werden"

    sprich, die westliche Ölmafia will nun nach 42 Jahren den Reichtum der Lybier wieder in ihre gierigen Hände scheffeln.

     

    Es pfeifen übrigens die Spatzen von den Internetdächern, dass maßgebliche "Rebellen"-Führer CIA-Agenten sind.

     

    Fürchterlich diese Kriegshetze auch in der "taz"!

     

    Quellen:

     

    http://www.jungewelt.de/2011/03-30/058.php

     

    http://www.informationclearinghouse.info/article27779.htm

  • B
    benny

    Der größte Teil der europäischen Linken steht hinter den Luftschlägen und der Flugverbotszone. Nur die deutsche Linke nicht. Ist sie in Wahrheit spießbürgerlich oder gar rechts?