piwik no script img

Tierschützer verurteiltEmder darf keine Gänse warnen

Weil er Nebelhupen blies, die Arme schwenkte und die Gänsejagd störte, muss ein Emder 2.000 Euro zahlen. Jäger unterstellen ihm "Stasi-Methoden". Ob er Berufung einlegt, weiß der Naturschützer noch nicht.

Müssen laut Gesetz ahnungslos in den Tod fliegen: Graugänse in Ostfriesland. Bild: dpa

EMDEN taz | Wegen Jagdstörung hat das Emder Amtsgericht gestern den Tierfotografen und Naturschützer Eilert V. zu 2.000 Euro Ordnungsgeld beziehungsweise zwanzig Tagen Haft à je 100 Euro verurteilt. V. hat die Gerichtskosten zu tragen. In ihrem Urteil folgte die Amtsrichterin Angelika Brüggemann in allen Punkten der Klage der Emder Jäger. Die hatten im Dezember eine Einstweilige Verfügung unter Androhung von bis zu 25.000 Euro Ordnungsgeld gegen V. erwirkt. Die Forderung: V. solle aufhören, den Jagdpächter - einen ehemaligen Ortsvorsteher aus Emden-Petkum - an der Jagd auf Gänse im Naturschutzgebiet des Petkumer Deichvorlandes zu hindern.

Der Jagdpächter hatte Voß verklagt, weil er fand, V. habe Ende Dezember zweimal gegen die einstweilige Verfügung verstoßen und durch "Herumlaufen", "Armeschwenken" und "Nebelhornblasen" während einer Jagdpartie die Gänse verscheucht. Jetzt gab die Richterin den Jägern Recht. "Ich habe die Jäger auf gesetzwidrige Jagdausübung hinweisen wollen", verteidigte sich Eilert V. vor Gericht.

In Niedersachsen ist die Jagd auf bestimmte Gänsearten auch in Vogelschutzgebieten von November bis Februar erlaubt. "Wegen der schlechten Sicht konnten die Jäger jagdbare und geschützte Gänse aber gar nicht unterscheiden", argumentiert V. In mindestens einem Fall hätten die Jäger bei einem Jagdgang keine Hunde bei sich gehabt. Das ist laut Jagdgesetz verboten. "Wir hatten einen Hund dabei, dem war aber kalt, deshalb saß er im Auto", konterte ein beteiligter Jäger außerhalb des Gerichtssaals.

Die Richterin hielt alle Einwendungen V.s für rechtlich unerheblich. Die Höhe der Geldstrafe begründete sie deshalb mit der "Schwere der Tat". "Selbst wenn sich die Jäger ungesetzlich verhalten hätten, dürfte der Naturschützer sie nicht bei der Jagd stören. Er hätte die zuständigen Behörden oder die Polizei informieren müssen", heißt es in der schriftlichen Urteilsbegründung.

V. sagte, das habe er mehrfach getan. Aber "entweder sind die Behörden nur zögerlich tätig geworden, oder die Polizei kam gar nicht. Mir hat die Polizei gesagt, sie hätten keinen verfügbaren Einsatzwagen", berichtete V. Naturschützer vermuten, dass einige Behördenvertreter selbst jagen und ihre Mitjäger schonen.

Die "Gänsewacht"

Die "Gänsewacht", die sich ausdrücklich nicht als Verein, sondern als verbandsübergreifende Plattform zum Schutz durch Jagd gefährdeter Vögel versteht, besteht sei drei gut Jahren. Ihr Ziel: Jagdverstöße zu dokumentieren. Ihre Kritik: viele Jäger könnten geschützte Arten - besonders bei schlechter Sicht - nicht von jagdbarem Wild unterscheiden. Ihre Forderung: ein Verbot der Jagd in Schutzgebieten. Unterstützt werden die Forderungen vom Naturschutzverein Wattenrat, dem Landesverband der Ökologischen Jagd, von BUND und Nabu.

Nach der Urteilsverkündung gab es verständnisloses Murren im Gerichtssaal, denn die Gänsejagd im Vogelschutzgebieten ist selbst unter Jägern umstritten. Und das Petkumer Deichvorland ist Europäisches Vogelschutzgebiet. "Hier sollte die Jagd grundsätzlich verboten werden", fordert Manfred Knake, wie V. Mitglied des regionalen Umweltschutzvereins "Wattenrat". Unterstützt wird diese Forderung vom Niedersächsischen Landesverband der Ökologischen Jagd.

Die Vertreter der traditionellen Jägerschaft waren mit dem Urteil zufrieden. "Die selbst ernannten Naturschützer können das Recht nicht in die eigene Hände nehmen", erklärte Wilke Siebels, der Bezirksvorsitzende der Landesjägerschaft Ostfriesland. Vor der Urteilsverkündung bezeichnete er die Gänsewächter als "Spitzel", die mit "Stasi-Methoden" arbeiteten. "Wir werden auch in Zukunft nicht auf die Gänsejagd verzichten. Die Population lässt eine Bejagung zu, wir haben Freude an der Jagd und sind im Recht", meinte Siebels.

V. könnte gegen das Urteil Berufung einlegen. Ob er es tun wird, wusste er am Dienstag noch nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • W
    www.schnitzel-ist-out.de

    Wahrscheinlich ist der Richter auch Jäger :-((

    Solche Leute müssten wegen Befangenheit aus dem Amt geworfen werden, sie können kein objektives Urteil abgeben. Es kann nicht sein, das der Emdener eine Strafe bezahlen muss. Die Jagd gehört abgeschafft, warum dürfen Hobbymörder überhaupt auf Lebewesen schießen? Das gehört bestraft!

  • A
    Antonietta

    Jahr für Jahr ballern Jäger in Deutschland über 5 Millionen Wildtiere tot. Für das einzelne Tier ist dies meist mit furchtbaren Qualen verbunden, die im Grunde gegen das Tierschutzgesetz verstoßen - von dem die Jäger bezeichnender Weise ausgenommen sind - und die durch nichts zu rechtfertigen sind. Denn die Jagd ist aus ökologischer und biologischer Sicht nicht notwendig, ganz im Gegenteil: Jagd schädigt mehrfach das ökologische Gleichgewicht.

  • S
    Sam

    Wie Pater Brown fiel auch mir sofort die Strafe für den vieltausendfachen Lebendgänserupf von 3.000,- € ein.

    Da drängt sich einem doch sofort der Verdacht auf, dass die Justiz klar auf Seiten der Tierquäler und der Tiermörder steht.

     

    Die Jäger zeigen hier der Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit, wie sehr sie darauf aus sind, Tiere zu töten. Es scheint sie so sehr zu frustrieren, nicht zum Schuss zu kommen, dass sie dafür einen Menschen verklagen!

    Sind diese Jäger eigentlich noch normal?

    Und ist das Gericht noch normal, das nicht zu erkennen?

     

    Ich wünsche mir Richter, die keine Jäger oder mit der Jagd verbundene Menschen sind. Vielleicht gibt es dann mal gerechtere Urteile!

  • A
    Astrid

    Alle Achtung, Herr Voß. Das ist gut und mutig. Hoffentlich spenden genug Leute – auch für die Berufung. Vielen Dank aus dem Ruhrgebiet!

  • BH
    Barry H.

    Dieses Urteil ist nicht nur lächerlich, sondern lässt auch auf "Verbindungen" schliessen. Ich kann nachvollziehen, wieso solche Meldungen immer häufiger zu lesen sind.

     

    http://www.google.com/search?q=hochsitz+angez%C3%BCndet

     

    Gegen die Jägerlobby scheinen rechtsstaatliche Mittel nicht mehr möglich zu sein und daher gilt meine Solidarität und Wertschätzung diesen Aktivisten.

  • W
    Wattenrat.de

    Die Jäger jagen seit Jahren unter Verletzung der

    Bundesjagdzeitenverordnung bei Dunkelheit, Nebel oder Schneetreiben auf Gänse im Schutzgebiet, die sie nicht sicher nach geschützten oder nicht geschützten Arten unterscheiden können. Das ist verboten! Dagegen gibt es Anzeigen bei der Polizei, bei der Stadt Emden und dem nieders. Landwirtschaftsminister. Kopien erhielten der Vorsitzende der Landesjägerschaft, Dammann-Tamke (CDU-MdL), die nieders. Landesjägerschaft und

    der Deutsche Jagdschutzverband. Ergebnis: Keine Reaktion von der Polizei, zunächst keine Reaktion der Stadt Emden, dann nur der Verweis

    auf die angeblich zuständige Jagdgenossenschaft. Die

    Fachaufsichtsbeschwerde beim nieders. Landwirtschaftsminsiter wurde völlig unzureichend mit Allgemeinplätzen beschieden, die Jagdverbände

    reagierten gar nicht. Hier handelt es sich um einen geschlossen Jagdklüngel, dem mit Sachargumenten und Beweisen offensichtlich nicht beizukommen ist.

    Details beim Wattenrat.

  • PB
    Pater Brown

    Diese Justiz ist wirklich zum Kotzen. Ende letzten Jahres hat der Tierquäler Schwerk aus Wistedt für einen tausendfachen Lebendrupf bei Gänsen von der Staatsanwaltschaft Stade einen lächerlichen Strafbefehl über €3000 erhalten und das Wedeln mit den Armen und Nebelhornblasen wird hier mit €2000 geahndet. Diese Justiz ist nicht unabhängig, sondern verhält sich mafiös. Es ist skandalös!

  • A
    Albion

    Mal wieder der Hammer. Die Jägertruppe schützt die Interessen der ihrigen, egal wie irrsinnig. Klar sitzen da Jäger in der hiesigen Justiz und Behörde - anders ist das garnicht zu erklären. Und Herrn Eilert "Stasi-Mehtoden" zu unterstellen .. ach bitte. Wie idiotisch muss es denn in den Kreisen der behördlich bestellten Massenmeuchler noch werden? Wenn ein Jäger so was sagt dann lenkt er nur vom eigenen braunen Dreck am Stecken ab, sorry. Das ist dreist in einem Maße dass einem schlecht wird.

  • R
    rob

    Vielleicht kann es ja im Prinzip gute Gruende fuer eine Jagd geben. Dass die Jäger "Freude daran" haben, Tiere zu ermorden, ist aber sicherlich keiner.

    Ja, und gerade diese Freude ist das eindeutige Merkmal, welches die Verwendung des Wortes "Mord" hier noetig macht.

  • BD
    bitte den Nachnamen überall

    Bitte den Nachnamen überall zu einem V zusammen ziehen. Einen Klarnamen in einem Pressetext stehen zu lassen ist in Deutschland sicher rechtlich bedenklich.