Kolumne Männer: Oscar Wilde versus Schwarmintelligenz

Wie sind Männer heute? Fragen Sie ihre sogenannten Freunde im Internet bloß nicht danach.

Homer Simpson hat es längst gewusst. Angesprochen auf die großen Möglichkeiten des Internets, entgegnete er: "Das Internet? Gibts das immer noch?" Neulich, als ich etwas über Männer herausfinden wollte, fand ich seine Abneigung gegen das Netz bestätigt.

Bei Facebook bat ich meine Kontaktpersonen "um einen Knallersatz, der auf den Punkt bringt, wie Männer heute sind. Beginnend mit 'Männer …'." Die Schwarmintelligenz sozialer Netzwerke, hoffte ich, würde mir rhetorische Edelsteine von Oscar-Wildescher Güte liefern.

Während ich auf Antworten wartete, guckte ich mir beliebte Gruppennamen bei StudiVZ an. StudiVZ ist das Facebook von früher. Manche Gruppennamen bergen in ihrer Kürze eine große Assoziationskraft. Hatte ich zumindest gehört. Zu meiner Überraschung fand ich kaum Gruppentitel, die die Wörter "Mann" oder "Männer" enthielten. Eines der wenigen Beispiele: Männer werden 7. Danach wachsen sie nur noch. Keine Hilfe war auch: Maaaaan, meine Haare, scheiß Wind… ich könnt kotzen.

Die erste Facebook-Antwort kam von einer Frau. Sie schrieb schlicht: "geil". "Männer geil", schrieb ich vorsichtig zurück, das sei ja jetzt nicht so direkt ein Satz. Eine andere Frau formulierte daraufhin, ich zitiere wörtlich: "Männer sind offensichtlich irgendwie von Natur aus nen defekt mit sich rum (im Kopf irgendwo, vermute ich) und Schaffens trotzdem nach wie vor, unsere Gesellschaft anzuleiten, allerdings, ich gebe zu-der ein oder andere ist ganz nett von Zeit zu Zeit." Was hätte Oscar Wilde dazu gesagt?

Bei StudiVZ fand ich die Gruppe Nee, war scheiße, … aber ist nur meine Meinung.

Auf Facebook schrieb eine dritte Frau: "Männer, ach." Hat was, dachte ich. Zeugt es nicht von der Ambivalenz menschlicher Empfindungen? Von der Last, gesellschaftlichen Geschlechtszuschreibungen ausgesetzt zu sein? Und von der Sehnsucht von Frauen, die nicht mit Männern können, aber auch nicht ohne sie?

Auf StudiVZ las ich: Hurra!!! …ach nee, doch nicht.

Ich wurde ungeduldig: Herrscht immer noch das Klischee vom großen, aggressiven, emotionsgehemmten Kind, das die Welt beherrschen will?

Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden.

Endlich antworteten mir auch männliche Freunde: "Der Mann von heute ist eine unterschätzte Frau", schrieb einer. Ein anderer: "Männer - das anachronistische Geschlecht". Ein dritter formulierte: "Männer - Man steckt halt nicht drin." Und ein vierter dichtete: "Die Birne grün, die Nudel al dente. Moderne Männer."

Ich fragte mich, wie viele meiner Facebook-Freunde wohl Mitglied waren in der Gruppe Ich hatte in der Schule nur Singen und Klatschen.

Zum Thema Mann fiel gut ausgebildeten, seit Grundschulzeiten auf Geschlechtergerechtigkeit getrimmten Menschen nichts ein, was übers Niveau Mario Barths hinausging. Wie konnte das sein?

Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.

Es reichte. Das Internet ist eine Quatschbude, dachte ich, und schrieb diesen Text. Ich verlinke ihn direkt mal bei Facebook.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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