Kommentar Flüchtlingstragödie Lampedusa: Zynische Politik der Abschottung
Europa macht es sich einfach mit den Umstürzen in Nordafrika: Jetzt herrsche ja Demokratie, da müsse auch niemand mehr nach Europa flüchten.
D ass die Gewässer zwischen Europa und Afrika sich in den vergangenen Jahren in einen riesigen Friedhof verwandelt haben, ist seit Jahren bekannt und wird dennoch in Europa voller Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen. Jetzt sind wieder 150 Menschen elend ertrunken, doch ihr Schicksal wird schnell in Vergessenheit geraten.
Zwar mag Europa den nordafrikanischen Freiheitsbewegungen großen Beifall dafür spenden, dass sie die dort herrschenden Diktatoren abserviert haben. Europa mag auch Tunesien und Ägypten über den grünen Klee dafür loben, dass beide Länder Hunderttausende Flüchtlinge aus Libyen aufnahmen - ansonsten aber möchte es, dass die Dinge so bleiben wie gehabt: dass die Abschottung der Festung Europa so gut funktioniert, wie sie es in der - auf diesem Feld sehr fruchtbaren - Partnerschaft mit Ben Ali, Gaddafi, Mubarak tat.
Die zynisch-belehrende Auskunft aus Europa heißt heute, die Flüchtlinge müssen gar nicht mehr weg. Sie haben ja jetzt die Demokratie. Doch wie wenig es um Demokratie und Menschenrechte geht, zeigt allein schon die Tatsache, dass in der bisherigen Zusammenarbeit mit Tunesien und Libyen eine Frage zuallerletzt eine Rolle spielte: ob die Menschen, die uns ein Gaddafi vom Hals hielt, verfolgt waren oder nicht.
ist Italien-Korrespondent der taz.
Auch jetzt werden wieder Eritreer und Somalier kommen - und auch jetzt, so steht zu fürchten, wird es die Hauptsorge Italiens, die Hauptsorge auch Europas sein, den Zufluss zu stoppen. Zur Not inszeniert sich dann ein so reiches Land wie Italien als "völlig überfordert" durch den Zustrom von gerade einmal 20.000 Menschen - und freut sich jetzt, die Flüchtlingsabwehr erneut an Tunesien delegiert zu haben.
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