Schleswig-Holsteinische Grüne Löhr und Habeck: "Klar wollen wir regieren"

Die Parteivorsitzende Marlene Löhr und Fraktionschef Robert Habeck der Grünen in Schleswig-Holstein über grünen Gestaltungsanspruch, die Verdruckstheit von SPD und CDU und das Scheitern der GAL in Hamburg.

Die perfekte Idylle aus Windkraft, blauem Himmel und Bio-Raps: So stellen sich die Grünen Schleswig-Holstein vor. Bild: dpa

taz: Frau Löhr, Herr Habeck, in einem Jahr wird in Schleswig-Holstein gewählt. Wollen die Grünen dann in die Regierung?

Marlene Löhr: Wir lassen uns von guten Umfragen nicht besoffen machen. Bis Mai 2012 sind es noch 13 lange Monate.

Robert Habeck: Regieren wollen heißt ja, gesellschaftliche Mehrheiten herzustellen. Klar wollen wir das. Aber Regieren ist erstens kein Selbstzweck und zweitens kein Zuckerschlecken. Wir müssen eine klare, umsetzbare Gestaltungsperspektive erarbeiten.

Klingt nicht nach hehren Werten, sondern nach dem schnöden Machbaren.

Löhr: Wir müssen uns nicht über Werte klar werden, das müssen andere. Wir Grüne stehen seit 30 Jahren für das Konzept der Nachhaltigkeit: in Ökologie und Ökonomie wie auch in Bildung, Sozialem, Integration, Bürgerrechten - eben überall. Wir haben da keinen Nachholbedarf.

Haben Sie das konkreter?

LöHR UND HABECK Marlene Löhr, 25, Studentin der European Studies an der Universität Flensburg und der Syddansk Universität Sonderborg, seit 2004 Grüne, seit November 2009 grüne Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein.

Robert Habeck, 41, verheiratet, vier Kinder, promovierter Philosoph, Schriftsteller, von 2004 bis 2009 grüner Parteivorsitzender in Schleswig-Holstein, seit Oktober 2009 Fraktionschef im Landtag.

Habeck: Wir müssen den Ausbau der Netze und der Erneuerbaren schneller voranbringen, wir brauchen eine moderne Kommunalstruktur und wir müssen das Kleinstaatendenken in der Bildung überwinden.

Mit welchem Koalitionspartner wollen Sie das umsetzen, wenn es für die absolute Mehrheit doch nicht reichen sollte?

Löhr: Wenn wir die Menschen von unseren Konzepten und Perspektiven, an denen wir jetzt arbeiten, überzeugen können, werden wir auch die Möglichkeit zum Regieren haben. Aber eine Koalitionsdebatte führen wir jetzt nicht, weder hinter verschlossenen Türen noch in der Öffentlichkeit.

Aber Sie wollen doch nach der nächsten Wahl regieren?

Löhr: Ja. Wir wollen dieses Land voranbringen. Darauf werden wir uns vorbereiten. Aber sowohl CDU als auch SPD sind zurzeit orientierungslos und mit sich selbst beschäftigt. Es ist nicht absehbar, dass die in einem Jahr seriöse Partner sein könnten.

Aber nähern die sich nicht gerade nicht nur in der Energiefrage den Grünen an?

Habeck: Insgesamt wächst die Gesellschaft auf die Grünen zu. Aber die anderen Parteien sträuben sich doch eher, oder? Das wirkt alles verdruckst.

Löhr: Ich sehe nicht, dass zum Beispiel die CDU in der Energiepolitik einen Plan hat. Und ich bezweifle, dass da noch einer kommt. Und wenn doch, bin ich nicht sicher, dass der uns gefällt. Atom durch Kohle zu ersetzen, wäre nichts, worauf wir uns einlassen würden.

Die SPD debattiert auf ihrem Parteitag heute und morgen über die Querung des Fehmarnbelt: "Ja, aber" oder "Nein, aber". Ist das Einsicht oder Rhetorik?

Löhr: Das ist Konzeptlosigkeit. Die SPD merkt, dass ihre Begeisterung für das Milliardenprojekt nach 20 Jahren nicht mehr sexy ist im Land. Mit einer durchdachten Kursänderung hin zu einer modernen und zukunftsfähigen Verkehrspolitik in Schleswig-Holstein und Norddeutschland hat das aber nichts zu tun. Aus unserer Sicht ist das zu wenig.

Im Nachbarland Hamburg ist die GAL eine schwarz-grüne Koalition erst eingegangen, hat sie dann platzen lassen und sitzt nun in der Opposition. Welche Erkenntnisse und Lehren ziehen Sie für Schleswig-Holstein daraus?

Löhr: Wir haben daraus gelernt, dass Grüne nicht so sehr in Strukturen denken sollten, sondern eben mehr in Inhalten. Bei der Schulreform hatte in Hamburg die Strukturfrage - Primarschule oder Gymnasium - die Fragen nach der Qualität des Unterrichts, nach dem besseren Lernen, überlagert.

Habeck: Die strategische Lehre auch aus Hamburg lautet, man sollte sich nicht zu einer Spiegelstrichpartei machen oder machen lassen. So nach dem Motto, wir haben fünf Projekte, wenn wir die durchsetzen, sind wir toll, drei wären okay, bei weniger haben wir versagt. Es muss einen weitergehenden Anspruch auf Perspektiven und gesellschaftliche Prozessgestaltung geben. Dafür braucht man aber nicht nur fünf Maßnahmen, sondern 50.

Und einen grünen Ministerpräsidenten Robert Habeck?

Habeck: Der aktuelle Zuspruch für die Grünen erklärt sich auch daraus, dass wir uns nicht in Personaldebatten verzetteln. Es richtig zu machen, heißt, es nicht wie die FDP zu machen.

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