Streit um Flüchtlingspolitik: Unzufriedenes Gremium

Immer mehr Menschen suchen die Hilfe der Härtefallkommission. Deren Mitglieder ärgert, dass zu oft nach wirtschaftlichen Kriterien entschieden werde.

Egal wie die Härtefallkommission entscheidet: das letzte Wort hat Innenminister Uwe Schünemann. Bild: dpa

HANNOVER taz | Um die niedersächsische Härtefallkommission für Flüchtlinge gibt es erneut Konflikte. Von 141 auf 264 ist die Zahl der Fälle, die bei der Kommission gemeldet wurden, zwischen 2009 und 2010 gestiegen.

Vor allem Roma, denen die Abschiebung ins Kosovo droht, haben vermehrt Härtefallverfahren beantragt, teilte die Kommission am Freitag bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichtes für 2010 mit.

Unzufriedenheit herrscht in der Kommission vor allem bei den Vertretern kirchlicher und sozialer Institutionen. 2010 war nicht nur Edeltraud Windolph vom katholischen Büro zurückgetreten, auch der frühere Hildesheimer CDU-Oberstadtdirektor Konrad Deufel hatte frustriert aufgegeben.

"Von einer Härtefall- zur Einwanderungskommission" entwickele sich das Gremium, warnt jetzt Christian Meyer, Superintendent in Hameln und Vertreter der evangelischen Kirche in der Kommission.

Wirtschaftliche Gesichtspunkte, "die Frage, wie sich jemand einfügt und ob er Deutschland nutzt", kritisiert Meyer, wiegten bei den Entscheidungen schwerer als humanitäre Gründe.

68 Fälle hat die Kommission 2010 abschließend beraten. In 40 Fällen hat sie Innenminister Uwe Schünemann (CDU) empfohlen, den Betroffenen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Dem ist Schünemann in 35 Fällen gefolgt, vier hat er abgelehnt, ein Fall ist derzeit noch offen.

Schon die Entscheidungsfindung innerhalb der Kommission, sagt der stellvertretende Vorsitzende und IG-Metall-Vertreter Dieter Dicke, stehe bei vielen in der Kritik. Offiziell braucht es für eine Abstimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

"Bei acht Stimmberechtigten ist in der Praxis aber eine Dreiviertel-Mehrheit nötig", erklärt Dicke. Er fordert, ein neuntes Mitglied in die Kommission aufzunehmen. Und das, so Dicke, sollten die Flüchtlingsorganisationen stellen - die sind bislang von der Härtefallkommission praktisch ausgeschlossen.

Umstritten ist das Gremium schon seit Beginn seiner Arbeit. 2006 hatte sich Niedersachsen - als vorletztes Bundesland - dazu durchgerungen. Und immer wieder, kritisiert die Linksfraktion, konterkariere Innenminister Schünemann die Arbeit der Härtefallkommission. Er beruft nicht nur die Mitglieder, sondern hat auch das letzte Wort in der Frage Bleiberecht oder nicht.

Die Vorsitzende der Kommission stört das wenig: "Auch in anderen Ländern werden die Ersuchen nicht immer von den Innenministern übernommen", sagt Martina Schaffer, Leiterin des "Referats für die Aufnahme von Flüchtlingen" in der Innenbehörde.

Schaffer verteidigt den Minister auch vor der Kritik der Landtagsgrünen: "Die gestiegene Zahl an Anträgen", erklären die, "sind Ausdruck der gescheiterten Flüchtlingspolitik von CDU und FDP".

Mit einer rigiden Abschiebepraxis hätten die Zahlen nichts zu tun, meint hingegen Schaffer, in Niedersachsen gebe es einfach mehr Roma als in anderen Bundesländern.

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