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Kommentar leckgeschlagene AsseRückholung problematisch

Gernot Knödler
Kommentar von Gernot Knödler

Will man den Müll aus der Grube bergen, muss das schnell geschehen: Jeder Tag des Zuwartens macht diese Aufgabe schwieriger und aufwändiger.

D ie stark strahlende Lauge vor einer Lagerkammer für Atommüll ist ein schlechtes Zeichen. Sie ist ein Indiz dafür, dass die Müllfässer in der Asse in großem Umfang leckgeschlagen sind. Will man den Müll aus der Grube bergen, muss das schnell geschehen: Jeder Tag des Zuwartens macht diese Aufgabe schwieriger und aufwändiger.

Welche Gefahr von dem strahlenden Sickerwasser ausgeht, ist derzeit schwer einzuschätzen. Bekannt ist nur das Maß des radioaktiven Zerfalls: 240.000 Atome pro Sekunde - Becquerel - in einem Liter Sickerwasser. In dem Katastrophengebiet von Tschernobyl gelten Orte mit 500.000 Becquerel pro Quadratmeter als besonders stark belastet. Der Grenzwert für Lebensmittel liegt bei 600 Becquerel. In einer solchen Brühe stehend zu arbeiten, wird die Bergung der Fässer nicht gerade erleichtern.

Die Rückschlüsse auf die Fässer, die das Sickerwasser nahe legt, sind nicht ermutigend. Offenbar ist ein erklecklicher Teil korrodiert - kein Wunder angesichts der Bilder, auf denen zu sehen ist, wie sie von einem Radlader einfach in die Grube gekippt wurden.

Wie sollen Arbeiter umgehen mit maroden Fässern, bei denen obendrein unklar ist, was drin steckt? Wer garantiert, dass bei der Rückholung der Fässer nicht auf einen Schlag mehr Radioaktivität in die Biosphäre gelangt als in fünf Jahrzehnten deutscher Atomenergienutzung? Die radioaktive Suppe legt nahe, den Müll da zu lassen, wo er ist.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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1 Kommentar

 / 
  • US
    Udo Sorgatz

    Dass in der Asse nun radioaktives Wasser entdeckt wurde, das die Grenzwerte um das 24-fache überschreitet... so what?

    Wenn über 100.000 Atommüllfässer kaum bekannten Inhalts in bereits durchfeuchtete Salzkammern wild verkippt werden - wass sollte man anderes erwarten, als dass zumindest einige Fässer aufplatzen oder korridieren und sich Atommüll im Wasser löst?

     

    Die Frage ist nun, welche Konsequenzen man daraus zieht. Den Müll aus Angst vor einer möglichen Freisetzung im Schacht zu lassen, ist etwa so schlau, wie vor einer Wand nicht zu bremsen, weil man dabei ja ins Schleudern kommen könnte.

     

    Bei der Rückholung kann ein Unfall genausowenig ausgeschlossen werden, wie beim Betrieb von Atomkraftwerken. Aber die Alternative heißt hier - im besten Fall - gesteuertes Absaufenlassen unter Beimischeung von Magnesiumsalz. Dass hieß zu Zeiten des HZM Flutung und jetzt "Verfüllung".

     

    Die Folgen sind aushanmsweise mal sicher abschätzbar: Der gesamte Atommüll bekommt Wasserkontakt, der Müll geht in Lösung. Anschließend sorgt der Gebirgsdruck dafür, dass die radioaktive Pampe innerhalb weniger Jahre oder Jahrzehnte bis ins Grundwasser gedrückt wird. Und da haben dann alle etwas von, denn die Grundwasserströme sind weit verzweigt und vernetzt.

     

    Wer nun aufgrund eies früher oder später zu erwartenden Fundes radioaktiver Lauge die Rückkolung in Frage stellt, hat entweder eklatante Wissenslücken oder er gießt bewusst Wasser auf die Mühlen derjenigen, die unter dem Vorwand nun plötzlich ganz besonders hoher Gründlichkeit auf Zeit spielen.

     

    Denn Absaufen wird die Asse von alleine. Dann wird der Schaden zwar noch erheblich größer und großflächiger, aber niemand wird je erfahren, was wirklich in der Asse gelagert wurde. Und in der für Politiker relevanten Zeitspanne von wenigen Legislaturperioden ist es die kostengünstigste Lösung...