Großbritannien vor der Hochzeit: Im Reich der königlichen Kotztüte
Dass am 29. April zwei Menschen Hochzeit feiern, löst bei vielen Briten nur wenig Begeisterung aus. Angucken werden sie sich dennoch die meisten.
Haben Sie auch schon genug von dem Brimborium um die britische Royal Wedding? Dann geht es Ihnen wie vielen Briten, die sich voller Begeisterung auf die Spucktüten der britischen Designerin Lydia Leith gestürzt haben. Auf den Tüten sind das Prinzenpaar und die Aufschrift "Sick Bag. Keep this handy on April 29th 2011" zu sehen. Ursprünglich als kleiner Scherz gedacht, erwiesen sich die Kotztüten als Verkaufserfolg. Großbritannien als Volk von Royalists? No, Sir!
Großbritannien ist nicht mehr das, was es einmal war. 34 Jahre nachdem die Sex Pistols "God save the Queen the fascist regime" grölten, hat auf den britischen Inseln ein gewisser Sinneswandel eingesetzt. Stand die britische Welt bei Lady Dis Hochzeit 1981 noch Kopf, greifen viele Angelsachsen jetzt zur Tüte.
Alle Briten? Nein, nicht alle. Eine nicht ganz kleine Gruppe liebt die Traditionen und die Royals gehören nun mal dazu. Auch wenn die Zahl der Straßenpartys im Vergleich zu 1981 gefallen ist, so werden doch immer noch mehr als 5.500 gefeiert. Der Spitzenreiter in Sachen "Street Parties" ist übrigens London. Bei einem traditionellen britischen Straßenfest werden Gurkenschnittchen, schottische Eier, Käse-und-Ananas-Spießchen, Scones mit Marmelade und Clotted Cream gereicht und man stößt mit Pimms (traditioneller englischer Aperitif, der in den besten Kreisen getrunken wird) an.
In einer kürzlich von dem britischen Meinungsforschungsinstitut ComRes für den britischen Independent erstellten Umfrage unter 1.000 Briten erklärten 31 Prozent, ihnen sei die Prinzenhochzeit "ziemlich egal", 28 Prozent waren der Ansicht, ihnen sei die Royal Wedding "völlig wurscht". Ebenso viele Untertanen zeigten sich jedoch "ziemlich aufgeregt" angesichts des Großereignisses, während nur 11 Prozent "sehr aufgeregt" sind. Autsch! ComRes ermittelte auch, dass 50 Prozent der "Aufgeregten" Frauen sind. Trotzdem glauben rund 57 Prozent der Befragten, die UK solle doch lieber eine Monarchie bleiben. Also wie nun?
Union Jacks und Royal-Wedding-Memorabilien
Trotz etwas ernüchternder Zahlen leiden London und Großbritannien zumindest offiziell am Hochzeitsfieber. In Radio, Fernsehen und Internet wird über nichts anderes mehr geredet. Täglich wartet die Presse mit neuen "Enthüllungen" und Gerüchten auf. Wohin das Auge blickt, sieht man in London nur noch Union Jacks und Royal-Wedding-Memorabilien.
Die Vorbereitungen für das Jahrhundertereignis begannen bereits im November letzten Jahres. London macht sich fein, denn immerhin wird eine Million Besucher aus aller Welt erwartet. 50 Staatsoberhäupter sollen anwesend sein. Die Sicherheit hat dabei oberste Priorität. 5.000 Polizisten haben ein Auge auf die Menge. 80 Bodygards bewachen die Royals. 35 Spürhunde haben die Route des Prinzenpaares bereits abgeschnüffelt. Die Royal-Air-Force-Trompeter haben mit "Valiant and Brave" sogar eigens ein neues Musikstück für die Prinzenhochzeit komponiert.
Während an jeder Straßenecke Union-Jack-Flaggen verkauft werden, stellt das aufgeregte Drittel der Bevölkerung schon den Champagner kalt.
Zu den Royalisten gehört auch die ehemalige Londonerin Tracy Pelekanou: "Ich bin so aufgeregt, ich kann es kaum aushalten. So ein Ereignis bringt doch die Leute näher, vor allem in so unruhigen Zeiten wie den unseren. Jeder mag eine Romanze, vor allem eine, die so echt ist wie diese."
Natürlich wird sie das Ereignis auf einer Royal-Wedding-Party feiern, wie damals 1981. "Ich sah Dianas Hochzeit als Kind", erinnert sich Tracy. "Die Zeitungsartikel, die ich damals ausgeschnitten habe, klebte ich alle in einen Ordner ein, den ich jetzt wieder herausgekramt habe. Außerdem lief ich damals mit meiner Familie die Route des Hochzeitspaares zu Fuß ab." Und ist Kate eine würdige Nachfolgerin von Diana? "Auf jeden Fall, sie ist doch sehr liebenswürdig." Da bleibt nur noch zu wünschen: Bottoms up!
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