Justiz: Freispruch in Serie

In einem Prozess um einen Brandsatzwurf am 1. Mai wurde Yunus K. freigesprochen. Nun stand er wieder vor Gericht: wegen eines Einbruchs.

Seinen Zivildienst machen, vielleicht im Ausland, nannte Yunus K. Ende Januar 2010 seine Ziele. "Endlich richtig ins eigene Leben starten." Fünf Monate Prozess, siebeneinhalb Monate Untersuchungshaft hatte der 21-Jährige da hinter sich. Zehn Wochen nach seinem Freispruch wacht Yunus in seinem Zimmer auf, neben einem Rucksack mit Schmuck im Wert von 10.000 Euro, gestohlen aus dem Technikmuseum.

Der Freispruch vom Januar 2010 hatte einen aufsehenerregenden Prozess besiegelt. Einen Molotowcocktail sollten Yunus K. und sein Kumpel Rigo B. am 1. Mai 2009 geworfen haben, eine Frau wurde durch den Feuerschweif schwer verletzt. Die Anklage: versuchter Mord. Doch vor Gericht zerbröselten die Beweise. Eine Verwechslung könne nicht ausgeschlossen werden, konstatierte die Richterin am Ende.

Am Mittwoch fand sich Yunus K. nun vorm Amtsgericht Tiergarten wieder. "Besonders schwerer Diebstahl", so die Anklage. Die Vorgeschichte: An einem Freitagabend im April 2010 betrinkt sich Yunus K. mit Norman B., einem 21-jährigen Gelegenheitseinbrecher, den er in der U-Haft kennengelernt hat, im Kreuzberger Club Clash. Die beiden wollen auf einen Turm am Technikmuseum steigen, "für die Aussicht", entdecken einen unverschlossenen historischen Speisewagen und landen so im Museum. Norman B. macht sich an zwei Vitrinen zu schaffen, packt Büsten, Ketten, Ohrringe, Krawattennadeln, Ringe und Brieföffner in seinen Rucksack. 41 Einzelstücke sind es am Ende. Yunus sagt, Norman soll das lassen, er will nur weg. Als die Jungs am nächsten Morgen mit dem Diebesgut in Yunus Zimmer erwachen, ruft dieser seine Anwältin an und lässt sie den Schmuck zurückgeben.

"Eine Schnapsidee" nennt der Staatsanwalt die Tat. "Aber eine strafrechtlich relevante." Yunus K., schmächtig, kurze dunkle Haare, dunkelblaues Polohemd, blickt auf den Boden, mahlt mit dem Kiefer. Beide Angeklagten schildern den Abend, Norman B. gesteht die Tat. "Ich hatte tierisch Panik", sagt Yunus, "wollte das Zeug nur loswerden."

Im Molotowcocktail-Prozess hatten sich Eltern, Mitschüler und Lehrer auf den Zuhörerbänken gedrängelt. Für sie war die Unschuld der Angeklagten keine Frage gewesen. Auch Kirchenvertreter, Grüne Jugend, Jusos und Antifa-Gruppen hatten "Freiheit für Yunus und Rigo" gefordert, beide seien Sündeböcke für die alljährliche 1.-Mai-Randale. Lange hatte die Richterin die U-Haft aufrechterhalten. Vielleicht hatte sie gezögert, weil K. vorbestraft war. Wegen eines Flaschenwurfs in der Walpurgisnacht 2007. Es klinge vielleicht dämlich, sagte Yunus K. damals, aber er sei auch bei dem Flaschenwurf unschuldig gewesen.

Am Mittwoch bleiben die Zuhörerbänke leer. Von Sündenbock sprach im Vorfeld niemand. Die, die es wohlwollend meinten, sagten, dass siebeneinhalb Monate Knast nicht spurlos an einem Menschen vorbeigehen. Im Grunde, befindet der Jugendgerichtshelfer, sei Yunus erst kürzlich eigenständig ins Leben gestartet, als er im Oktober sein Freiwilliges Soziales Jahr bei den Maltesern angetreten habe.

500 Euro Geldstrafe fordert der Staatsanwalt am Mittwoch für K. Dieser habe nach dem Einbruch ins Technikmuseum "sukzessive Beihilfe zum Diebstahl" geleistet, indem er Norman B. die Beute nicht schon vor Ort habe zurücklegen lassen, sondern B. mit nach Hause genommen habe. "Freispruch", fordert dagegen die Verteidigerin. Yunus K. habe sich von vornherein von der Tat distanziert.

Die Richter beraten lange, dann schließen sie sich der Verteidigung an. "Er hat keine Hilfe zur Tat geleistet, eher Hilfe, aus der Tat rauszukommen." Den vorbestraften Norman B. verurteilen sie zu zwei Jahren Jugendstrafe.

Yunus K. atmet sichtlich erleichtert auf. In eine WG wolle er jetzt ziehen, sagt der 21-Jährige, als er den Gerichtssaal verlässt. Sein Soziales Jahr zu Ende machen, danach vielleicht eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Bloß keine Prozesse mehr. Den 1. Mai am Sonntag etwa, den habe er zu Hause verbracht und Sushi gegessen.

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