Ausstellung von "Tal R": Mülleimer der Kunstgeschichte

Der dänisch-israelische Künstler, der sich Tal R nennt, recycelt neuerdings die klassische Malerei. Zu seinen Bildern, die derzeit im Hamburger Kunstverein zu sehen sind, hat er ein postmodern-ironisches Verhältnis.

Der Künstler, der sich Tal R nennt, im Jahr 2004. Bild: Albrecht Fuchs

HAMBURG taz | Er kann sehr gut über seine Kunst reden. Gut malen kann er auch. Doch was seine neuen, im Hamburger Kunstverein präsentierten Bilder bedeuten, bleibt allein den Betrachtern überlassen. Und denen werden - wenn sie sich auch nur etwas in der Kunstgeschichte auskennen - die märchenhaft anmutenden Großformate in der Machart eher ältlich und in den Themen wohlbekannt vorkommen. Denn der dänisch-israelische Künstler, der sich Tal R nennt, malt neuerdings figürliche Traumszenen, kunstvoll naiv und mitunter wie unvollständig durch plötzliches Erwachen.

Zu sehen sind Blicke durch Fenster auf ruhig vorbeiziehende Schiffe und verschlossene, rätselhaft farbige Türen, schattige orientalische Innenhöfe oder einsame dunkle Gänge, Karussell und Zirkuszelt und plötzlich rasende, rennende, stürzende Pferde. Es ist eine Bildwelt, zu der die Schlüssel "Kindheit", "Psychologie" und gewiss auch "Kitsch" heißen.

Nun kann kein Maler heute noch naiv sein, egal wie seine Bilder aussehen mögen. Schon gar nicht, wenn er mit Leuten wie Jonathan Meese und Daniel Richter zusammenarbeitet, Ausstellungen in den besten Häusern in Europa hat und seit 2004 sogar Professor der Kunstakademie in Düsseldorf ist.

Der 1967 in Tel Aviv geborene, überwiegend in Kopenhagen lebende, lässig charmante Mützenträger hat ein durchaus postmodernes Verhältnis zu seinem eigenen Genre: "Die Malerei hätte ungefähr zu Cezannes Zeiten aufhören sollen, aber aus lauter falschen Gründen gibt es sie immer noch, und in diesem Geröll finde ich meine Möglichkeiten", erklärt Tal R.

Irgendwie klingt das etwas nach Recycling. Der Künstler hat seine Werke auch als "Kolbojnik" bezeichnet, ein im Kibbuz-Slang verwendetes Wort für Abfalleimer. Nachdem er bisher jedes Projekt mit unterschiedlichen Medien anging und geometrische Objekte oder farbintensive Installationen erstellte - warum es nun nicht mit einer Malerei versuchen, deren Assoziationen an die Pariser Moderne und vor allem Matisse ganz sicher nicht ungewollt sind?

Was dieser vor zwei Jahren begonnenen Bildserie zusätzlich eine Art Patina gibt, ist ihre besondere Technik. Die kräftigen Pigmente werden mit Hasenleim gebunden und flächig auf die rohe Leinwand aufgetragen, manchmal mit Wachskreide ergänzt. Das ist eine sehr schnell und leicht matt auftrocknende Malweise, die wenig Korrekturen zulässt und trotz der gewählten großen Formate weniger an Ölgemälde als an große, zeichnerisch aufgebaute Gouachen denken lässt.

Die Motive zwischen ruhigem Ornament und zirzensischem Tumult verbindet außer der Art der Herstellung nur eines: Alle sind über einer unteren, das ganze Bild abschließenden waagerechten Zone aufgebaut. Dieser Balken scheint alle Bilder zu erden, ihnen eine untere Stütze zu geben, die die Betrachter wie über eine Fensterbank in den geöffneten Bildraum blicken lässt - ähnlich dem Rahmenwerk der so ganz anderen Bilder der frühen Renaissance.

Hier sind diese Begrenzungen allerdings farbig und mehr so etwas wie eine Schwelle für diejenigen, die virtuell eintreten und sich ganz im Sinne von Tal R in dem Bild vergnügen wollen. Er selbst behauptet übrigens mit einem Lächeln, mit seinen Gedanken seitlich in die sogar ihm selbst oft fremden Bilder zu schlüpfen.

Zur Präsentation der meist zwei bis 2,80 Meter im Quadrat großen Bilder wurde der Kunstverein extra umgebaut und erhielt einen "Raum im Raum". Dieser konzentrierte Raum auf der großen oberen Etage macht die ganze Präsentation einer Galerie-Ausstellung ziemlich ähnlich. Und wirklich, dreizehn der neunzehn Arbeiten sind Leihgaben einer großen, international tätigen Berliner Galerie: "Contemporary Fine Arts", die sich selbstverständlich auch an den Kosten der Hamburger Schau beteiligt hat.

Nicht, dass das im Kunstbetrieb inzwischen so besonders wäre. Aber es betont mindestens den unterfinanzierten Normalzustand des Kunstvereins. Und es lässt Fragen aufkommen nach dem Programm dieser Institution, das unter dem Direktor Florian Waldvogel erstaunlich disparat, um nicht zu sagen kaum nachvollziehbar gemischt ist - im Hamburger Kunstverein sind Osterbingo und Wettkochen ebenso zu Hause wie Gruppenausstellungen politischer Kunst. Aber auch das Archiv der Bild- Zeitung oder der Hamburger Bauausstellung IBA finden hier einen Platz.

Aktuell spiegelt sich diese wilde Mischung auch im Erdgeschoss, wo die belgische Künstlerin Evelyne Axell neu entdeckt wird: Auf popbunten Wänden hängen durchaus politische Arbeiten der Hippiezeit in damals gerne genutzten neuen Materialien wie Acrylglas und Emailfarbe, Silberfolie und synthetischem Fell, darunter Hommagen an die US-Bürgerrechtlerin Angela Davis oder die Pariser Mairevolte.

Leider sind acht kleine Arbeiten etwas wenig, um das Werk der schon 1972 gestorbenen Künstlerin näher kennen zu lernen. So bleibt bis Juni die obere Ausstellung von Tal R mit ihrem manegestaubigen Titel dominierend: "The Elephant behind the Clown". Das Bild, das genau das zeigt, wovon dieser Titel raunt, ist allerdings nur im Katalog zu sehen.

Ob man diese Galerieausstellung wirklich gut finden kann, hängt letztlich vom guten Willen der einfühlbereiten Kunst-Zirkusbesucher ab. Immerhin ist diesmal alles so hübsch bunt hier.

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