Kolumne Fernsehen: Eine Lanze für Pflaume

Eine sehr seltene Tugend ist es, unter gar keinen Umständen abheben zu wollen.

Damit Sie es gleich wissen: Für diese Kolumne habe ich mir eine Freundin gekauft, auf taz-Kosten, also die Zeitschrift, keine Schweinereien: Menschenhandel lehne ich nämlich ab (wenn Dieter Bohlen in einer Sowjetnachfolgerepublik jemand haben will, wäre ich bereit, eine Ausnahme zu machen).

Jetzt werden Sie sich fragen, warum sich ein junger, sympathischer, bildungshungriger Mann (gemeint bin ich) eine Frauenzeitschrift kauft. Ich sage es Ihnen: wegen Kai Pflaume. Der hat der Freun…

Hallo, sind Sie noch da? Haallooo! Keine Antwort. Hmmm, so schnell hat seit Troubadix wohl niemand einen Dorfplatz leer gekriegt. Dabei habe ich noch gar nicht gesagt, dass ich Kai Pflaume, der der aktuellen Freundin ein Interview gegeben hat, irgendwie … mag. So, jetzt ist es raus. Aber egal. Hört ja eh keiner mehr zu. Umso besser: Dann muss ich das erst mal nur vor mir selbst rechtfertigen und nicht gleich vor der ganzen Welt - was schon schwer genug ist.

Kai Pflaume hat 18 Jahre - also gemäß der alten Rechnung, dass ein Fernsehjahr sieben Menschenjahren entspricht, unfassbare 126 Jahre lang - die Sat.1-Herzschmerzshow "Nur die Liebe zählt" moderiert und dabei nie den Eindruck erweckt, damit unzufrieden, ja eigentlich für Größeres bestimmt zu sein. Damit hebt er sich wohltuend von all den anderen Strahlemännern ab, die Moderationskärtchen zu halten schon für Talent halten.

Pflaume nimmt sich selbst nicht zu wichtig - das ist der Eindruck, den er auch im Freundin-Interview eine Spur zu bemüht pflegt. "Ich habe den Anspruch an mich, nicht abzuheben", sagt er da. Anders als Jörg Pilawa schreibt Pflaume keine überflüssigen Bücher und ist außerhalb eigener Sendungen kaum im Fernsehen präsent - ostdeutsche Bescheidenheit statt hanseatischer Großmannssucht. So altmodisch das klingt: Schuster Pflaume bleibt bei seinem Leisten - und das ist seine Leistung, denn die Versuchungen für Fernsehnasen, sich zu produzieren, sind mannigfaltig. Kai Pflaume wird wohl nie "Wetten, dass . . ?" moderieren (aber mit "Klein gegen Groß" ab Juni immerhin eine Samstagabendshow im Ersten), allerdings auch nicht Gefahr laufen, dass sich das Publikum an ihm sattsieht.

Pflaumes große Qualität bei "Nur die Liebe zählt" war, dass seine Anwesenheit nicht von den Gästen und ihren Beziehungsgeschichten abgelenkt hat - die Nichteigenschaft als hervorstechendste Eigenschaft eines Gesprächspartners trägt allerdings nicht. Pflaume ist einfach zu nett, um interessant zu sein. Und so hinterlässt das Interview den Eindruck gepflegter Langeweile - auch wenn die Interviewerin alles gibt, Pflaume in die Zange zu nehmen. "Hatten Sie je mit Vorbehalten gegenüber Ihrem Namen zu kämpfen?" "War TV-Moderator schon immer ein Traumberuf für Sie?", fragt sie. Seine Antworten stehen den Fragen in nichts nach.

Nur für den Fall, dass doch noch jemand drangeblieben ist, möchte ich abschließend dementieren, Kai-Pflaume-Fan zu sein. So weit geht die Liebe nicht, aber seine branchenatypische Genügsamkeit und Demut nötigen mir Respekt ab - nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.