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Kolumne GeräuscheLady Leierschwanz

Kolumne
von Arno Frank

Vom Luxus, ausnahmsweise mal keine Meinung zu haben.

I n letzter Zeit muss ich häufig an den Leierschwanz denken. Normalerweise kreisen meine Gedanken mit planetarischer Gemächlichkeit um alles Mögliche. Ein scheuer Vogel, der aussieht wie ein gerupfter Pfau und sein Leben hüpfend auf dem Waldboden verbringt, gehörte bisher nicht dazu. Wo doch der Leierschwanz über die verblüffende Fähigkeit verfügt, jedes Geräusch, das er jemals gehört hat, mühelos und originalgetreu wiederzugeben.

Beim Spaziergang durch die australische Wildnis erklingt plötzlich eine Explosion, ein Presslufthammer, eine Gitarre, ein Kameraklicken, eine Motorsäge, ein Motor, ein Maschinengewehr oder irgendwas anderes Modernes, Technizistisches? Dann ist der Leierschwanz im Busch. Das Tonstudio mit Federn, sozusagen.

Dabei hätte ich eigentlich über Lady Gaga nachdenken müssen. Es finden nämlich gerade die 2. Internationalen Lady-Gaga-Festspiele statt, weil eben ihr zweites Album, "Born This Way", erschienen ist. Ein Musikjournalist, der sich nicht für Lady Gaga interessiert, ist wie ein Wirtschaftsjournalist, der mit dem Begriff Euro nichts anfangen kann. Umso peinlicher, dass mir zu Lady Gaga einfach nichts einfallen mag. Gar nichts. Dabei "verstehe" ich die Musik und das Phänomen der Lady Gaga durchaus, so wie ich, sagen wir, die Angaben über die Inhaltsstoffe auf meiner Duschgelflasche verstehe, das Klingeln eines Mobiltelefons, den Zweck einer Büroklammer oder den Sinn der bunten Aufkleber, die immer der Bravo beiliegen. Es ist nur so, dass ich ziemlich eingeschüchtert bin.

taz

Arno Frank ist tazzwei-Redakteur.

Denn ringsum in restlos allen Feuilletons der Republik sind die hydraulischen und gut geölten Exegese-Maschinen angeworfen worden, um dem postmodern-komplexen Megaphänomen populärsemiotisch, hermeneutisch, psychoanalytisch, strukturalistisch oder genderkritisch beizukommen. In der FAZ beispielsweise deliriert ein Kritiker über die vielen Klicks, die Gaga-Videos bei Youtube bekommen: "1,5 Milliarden: Man spricht diese Ziffer aus und hat ein Mantra für die Gesellschaft im Angesicht ihrer Entschlüsselung im Netz." Hat man das? Oder: "1,5 Milliarden, das sind nicht mehr irgendwelche Zielgruppen, irgendwelche Teenager, irgendwelche Fans. 1,5 Milliarden: Das sind wir." Sind wir das? Muss wohl: "Das Schicksal ist heute eine Idee aus Bits und Bytes und Lady Gaga seine Vestalin", die "anthropologische Konstanten mit Design zu ändern" versucht. Wow! Und ich dachte immer, Lady Gaga bestreicht einfach ihren Körper mit Klebstoff und rollt wahllos in irgendwelchen Gegenständen herum.

Beeindruckend auch die Kronzeugen für die Wichtigkeit der Lady Gaga, von Marcel Duchamps über Andy Warhol, Franz Kafka, Marshall McLuhan, Alexander McQueen, Klaus Nomi bis zu Rainer Maria Rilke. Ich finde, wir sollten alle häufiger an den Leierschwanz denken.

Text: "I assume you understand that we have options on your time / And will ditch you in the harbor if we must / But if it all works out nicely / Youll get the bonus you deserve / From doctors we trust" (Brian Eno)

Musik: Auf Youtube "Lyrebird imitating man" eingeben.

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Inlandskorrespondent

3 Kommentare

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  • P
    Peter

    Wer ist Katzenberger?

  • B
    blackbird

    alles schön und gut. nun seien sie bitte so konsequent und erklären mal als mensch vom fach ihren taz-kolleg_innen, dass gaga-artikel nicht in die musik-rubrik gehören!!!

     

     

    ps: ja, eine kleine ornithologische reihe zu singvögeln wär was feines - bin dabei!

  • P
    pixiland

    Über Lady Gaga keine Meinung haben ist irgendwie so, wie die Katzenberger nicht zu kennen.

     

    Du siehst das viel zu ernst, verstehst nicht, dass die nur ihre Rolle spielt und es genau versteht, die Medien zu ihrem Vorteil einzusetzen. Die ist eigentlich total intelligent.

     

    Du musst doch irgendwie mit der Zeit gehen und kannst dieses gesellschaftliche Phänomen nicht beiseite schieben. Die spielt total intelligent mit der Rolle der Frau. Aha.

     

     

    Man kann nichtmal mehr gähnend die Bedeutungslosigkeit der Selbstdarsteller erwähnen ohne sich vom Umfeld eine zwangsintellektualisierungsdusche geben zu müssen.

     

    GÄHN GÄHN GÄHN, verdammt! Das ignorier ich noch nichtmal.