die wahrheit: "Alles ist beglaubigt!"
Wir befinden uns in einer Scheune, die bis oben hin mit Spielsachen gefüllt ist. Hier, im lüneburgischen Örtchen Barum, verwahrt Clemens Feininger einen Schatz...
...der seinesgleichen sucht. Verschmitzt betrachtet der 52-jährige Frührentner seine vielen Sammlerstücke, streicht mit einem sanften Staubwedel durch die zahllosen Regale und lässt sich dabei nur zu gern in ein Gespräch verwickeln …
taz: Herr Feininger, erklären Sie uns doch einfach mal, was wir hier sehen.
Clemens Feininger: Hier zum Beispiel sehen Sie die Carrera-Bahn von Margarete Mitscherlich. Baujahr 1971, voll funktionstüchtig, komplett mit Tribüne, Looping, Leitplanken und Steilkurvenstützen. Da ist die Frau Mitscherlich oft "am Drücker" gewesen, wie man so sagt, und natürlich oft auch gemeinsam mit ihrem Mann Alexander.
Können Sie das beweisen?
Aber selbstverständlich. Es existiert ein von Frau Mitscherlich persönlich geführtes Fahrtenbuch. Das ist im Gesamtpreis inbegriffen. Da können Sie alles haarklein nachlesen. Nur mal als Beispiel: "Dienstag, 7. 3. 1972, 14.30 Uhr, 10 Runden: Rot (M) 02:32:11 schlägt Gelb (A) 02:49:19." Das bedeutet: Margaretes rotes Rennauto hat die Distanz siebzehn Sekunden und acht Hundertstelsekunden schneller überbrückt als das gelbe von Alexander. Nachprüfen kann man diese Angaben im Einzelnen anhand der gleichfalls zum Verkauf stehenden Super-8-Filme von allen Autorennen, die im Hause Mitscherlich gefahren worden sind. Ab 1976 gibts die Filme auch mit Tonspur. Glauben Sie mir, da ist es manchmal echt heiß hergegangen!
Und wie haben Sie diese Objekte in Ihren Besitz gebracht?
Die lagen beim Sperrmüll. Fast alles, was Sie hier sehen, hat beim Sperrmüll gelegen. Auch dies Autoquartett zum Beispiel. Das hat Jürgen Habermas gehört.
Woher wissen Sie das?
Er hats mir selbst gesagt. Ich sag: "Herr Habermas, in Ihrem Sperrmüll liegt ein Autoquartett, ist das Ihres? Und kann ich das haben?" Und er so an der Haustür: "Ja, das können Sie gern mitnehmen. Ist nur ein einziges Mal benutzt worden." Und ich sag: "Wann denn, wenn ich fragen darf?" Und er: "Ach, das war Weihnachten 67, da hab ich gegen Niklas Luhmann gespielt und verloren, weil ich nur die ganzen altertümlichen Benzindroschken auf der Hand hatte und Luhmann die Ferraris, und seither mag ich das nicht mehr leiden." Und ich: "Können Sie mir das schriftlich geben?" Und er: "Ja, sicher doch!" Und daher habe ich dieses beglaubigte Zertifikat, so wie auch bei dem Denkfix-Spiel von Golo Mann, den Mikadostäben von Rainer Barzel, dem Ego-Shooter von Harry Rowohlt und ganz allgemein bei allen Exponaten. Sonst wären die ja gar nichts wert. Ich will ja schließlich auch verkaufen. Holzauge, sei wachsam!
Was kosten die denn so?
Das ist ganz verschieden.
Haben Sie irgendetwas von Hanna Schygulla?
Freilich. Da bin ich sogar besonders reich ausgestattet! Sie haben die Wahl: Chemie-Baukasten, Tischtennisplatte, Sandförmchen, Schlümpfe-Kollektion, Match-ATTAX-Karten, Filly-Pferde, Legoburg, Rollschuhe …
Was würden die Rollschuhe kosten?
Mal sehen … mit denen ist sie 1986 von Kufstein nach Paris gefahren und hat sich an einer Bordsteinkante beide Fußknöchel verstaucht. Das hebt den Preis natürlich etwas an. Zehn Euro, würde ich sagen, und die Rollschuhe gehören Ihnen.
Fünf.
Acht.
Vier.
Sechs.
Drei.
Fünf.
Zwei.
Vier.
Ein Euro. Letztes Angebot.
Machen Sie wenigstens wieder drei draus, Mensch! Ich muss doch auch von irgendwas leben!
Das kann man auch anders sehen. Aber apropos leben: Leben Sie wohl.
Idiot!
Clemens Feininger, wir danken Ihnen nicht für das Gespräch.
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