Politmagazin "Panorama Nord": Beiboot für Investigativtanker

Zum 50. Jubiläum der Muttersendung startet ein zweiter Ableger: "Panorama Nord" im NDR soll norddeutsche Enthüllungen liefern – zunächst in drei Folgen.

Frontfrau: Susanne Stichler moderiert "Panorama Nord". Bild: NDR

Begriffe wie "Markenfamilie" kannte man jahrelang nur aus Verlagen. Sie gehörten zur Begleitmusik, wenn diese Ableger eingeführter Zeitschriften auf den Markt brachten. Auf solchen Jargon und entsprechende Strategien setzt mittlerweile auch das NDR-Politmagazin "Panorama". Nach dem 2008 gestarteten Presenter-Format "Panorama - Die Reporter" kommt mit "Panorama Nord" nun das zweite "Beiboot" (NDR-Programmdirektor Frank Beckmann). Zunächst sind drei Folgen geplant, die erste läuft heute im NDR Fernsehen.

Beckmann sagt, der Sender schenke sich den Nord-Ableger quasi zum 50. Geburtstag, den man dieser Tage feiert. In dem neuen Format will man Geschichten aus der Muttersendung mit Blick auf den Norden "weiterdrehen", überwiegend aber neue Themen recherchieren. Die bekanntesten "Panorama"-Geschichten der jüngeren Vergangenheit - über den Textildiscounter KiK sowie den politisch prima vernetzten Finanzdienstleistungsunternehmer Carsten Maschmeyer - liefen zunächst in der "Reporter"-Reihe im NDR. Später griff man die Themen im Ersten auf. Das sei bei der neuen Sendung auch vorstellbar, sagt Redaktionsleiter Sven Lohmann.

In der ersten Sendung des neuen Formats geht es um Keime in Lebensmitteln - nicht um Ehec, sondern um MRSA, besser bekannt als Krankenhauskeim. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Forschung, die im Raum Oldenburg zum Thema MSRA in Lebensmitteln stattfindet. In einem anderen Fall geht es um die illegale Ausfuhr von unbrauchbarem Elektroschrott nach Afrika und Asien, die von Hamburg aus abgewickelt wird.

Der Nord-Ableger sieht sich in der "Panorama"-Tradition des investigativen Journalismus. Doch diese Geschichte ist nicht so alt, wie man denkt. Volker Steinhoff, Redaktionsleiter der Muttersendung, betonte zum Jubiläum, mit "Enthüllungen im eigentlichen Sinne" sei "Panorama" vor allem "nach der Wende" aufgefallen. Vorher habe man eher mit "Tabubrüchen" für Schlagzeilen gesorgt. Zu den wahren Enthüllungen der jüngeren Zeit zählt Steinhoff einen Beitrag zum Thema BND in Bagdad im Januar 2006, der die Rolle des Geheimdienstes im Irakkrieg beleuchtete. Danach beschäftigte sich drei Jahre lang ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Causa. Für "Panorama" ein Erfolg, der aber für die Politiker offenbar keine Gefahr bedeutete. In den 60er Jahren hatten - einer der großen Unterschiede zu heute - die Parteien Angst vor "Panorama", jedenfalls verloren mehrere Redaktionsleiter aus politischen Gründen ihren Job. Heute indes "lassen Politiker ,Panorama' in Ruhe", schreibt Moderatorin Anja Reschke in dem Buch "Die Unbequemen. Wie Panorama die Republik verändert hat". Die Gelassenheit hat wohl mit dem generellen Relevanzverlust der Politmagazine zu tun.

Mit dem Nord-Ableger will man auch diesem Verlust etwas entgegensetzen, er ist ein Ergebnis der vor einigen Jahren begonnenen Überlegungen, "wie wir dieses Traditionsmagazin am Leben erhalten können", sagt Stephan Wels, der NDR-Innenpolitikchef. Die "Beiboote" hält er angesichts der Unübersichtlichkeit des Medienmarkts für notwendig. Die Grundidee dahinter: Weil immer mehr Inhalte angeboten werden und es immer mehr Absender gibt, reicht es nicht, alle drei Wochen im Ersten auf Sendung zu gehen. Förderlicher als Ablegergründungen wäre es für das Label "Panorama" wohl gewesen, hätte die ARD ihre Politmagazinmarken auf die bekanntesten reduziert. Weil die Debatte darüber aber inzwischen "tot ist" (NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz), entstehen vielleicht sogar weitere Spin-offs. Zumindest langfristig, so Cichowicz, sei etwa das Format "Panorama - Interview" vorstellbar.

Dienstag, 14. Juni, 21.15 Uhr, NDR

Weitere Ausgaben am 21. und 28. Juni

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