piwik no script img

Kolumne GeräuscheWie das Amen in der Kirche

Kolumne
von Arno Frank

Wer nicht in die Kirche geht, zu dem kommt die Kirche nach Hause.

B eim Frühstück läuft, wie immer, das Radio. Und wie immer bei mittelhohen bis hohen christlichen Feiertagen wird aus irgendwelchen Tempeln in Krefeld oder Erfurt ein Gottesdienst übertragen. Diesmal wars Fronleichnam. Ich höre da gerne zu, immer wieder.

Obwohl ich beim besten Willen nicht glauben kann - zumindest nicht daran, dass ein kosmischer jüdischer Zombie, der sein eigener Vater war, mir das ewige Leben schenkt, wenn ich sein Fleisch verspeise, sein Blut trinke und ihm auf telepathischem Wege versichere, ihn als meinen Meister zu akzeptieren, damit er meine Seele von einer teuflischen Macht befreit, die dort vor Jahrtausenden hineingeraten ist. Weil eine aus der Rippe eines Mannes geschnitzte Frau von einer sprechenden Schlange dazu überredet wurde, die Frucht eines Wunderbaumes zu naschen. Umso vergnüglicher finde ich es, wenn die Anhänger dieses irren Glaubens ihre Feste feiern - und ich zuhören darf.

Ich mag nämlich dieses verschämte Geräusper und Gehuste im Hintergrund. Es zeigt an, dass sich da tatsächlich eine Gemeinde eingefunden hat. Menschen , deren Opel Meriva oder Ford Focus draußen im Nieselregen parken, mit dem stilisierten Fisch am Heck. Menschen, die zuhause im Regal den Quackelquatsch der tödlichen Margot Käßmann stehen haben, "Fantasie für den Frieden", "Zur Geborgenheit finden", "Wurzeln, die uns Flügel schenken" und wie sie alle heißen, diese wie auf Autopilot lieblos zusammengeflickte Ratgeberpornografie "mit Herz und Zunge". Und doch mag ich die ungelenke Inbrunst, mit der diese Leute ihre Lieder schmettern und den Hall, wenn die Schallwellen durch das Kirchenschiff schwappen. Ich finde, ein wenig Liturgie wirkt wie ein metaphysischer Brotaufstrich, das tut jedem profanen Frühstück gut.

Leider kippt meine weihevolle Stimmung spätestens dann, wenn die ausführende Fachkraft für Übersinnliches zu ihrer Predigt ansetzt. Dann stimmt einfach der Ton nicht mehr, alles Feierliche weicht dem Weinerlichen, und dann kommts knüppeldicke, und zwar - sinngemäß - nach dem immergleichen Strickmuster: "Alle drei Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an Hunger.

Hungern wir nicht alle nach Liebe, Zuneigung, Nähe? Der HERR aber stillt unseren Hunger, wenn wir seinen Leib essen und sein Blut trinken", ihm also seine Story abkaufen. Prompt schäume ich über: "Was für eine bo-den-lose Unverschämtheit! Der Mann gehört nicht auf die Kanzel, sondern in eine Zwangsjacke! Unsere drolligen Wohlstandswehwehchen mal eben metaphorisch mit dem Tod durch VERHUNGERN kurzzuschließen! Wie KANN ein denkender oder fühlender Mensch diese Scheiße einfach KAUFEN?

Ich verstehs nicht …" - "Ach, das ist wie mit Bob Dylan", sagt ungerührt meine Liebe, "den verstehst du auch nicht". Da ist was dran. Wer auf den Sound Gottes abfährt, fühlt sich darin wohl. Alle anderen müssen leider draußen bleiben. So soll es sein.

Text: "An it aint no use to sit and wonder why, babe/ If you dont know by now (Bob Dylan.

Musik: Wenn mein "Pinbot"-Flipper von Williams "I can see you" sagt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Inlandskorrespondent

7 Kommentare

 / 
  • WL
    Wolfgang L.

    Man muss selbst nicht fanatischer Christ sein um bei dem Verfasser eine "ekklesiogene Neurose" zu diagnostizieren, weil er mit verzweifelter Polemik versucht,den christlichen Glauben "madig" zu machen, statt sich kritisch-sachlich mit den Fehlformen und Auswüchsen des Glaubens jeder Religion auseinanderzusetzen. Das gelingt heute kaum noch jemanden....vielleicht noch Drewermann, Küng...Eine psychologische Aufarbeitung seiner neurotischen Einstellung zu Religion und Glaube täte dem Verfasser gut...;-)

  • AS
    aus Schleswig

    Klasse geschrieben. Treffender und witziger geht es nicht. Man wird aber lange darauf warten, daß in der TAZ was Gleichwertiges auch über den Islam geschrieben wird. Da hättet ihr viel zuviel Angst, daß euch die Scheiben eingeschmissen werden oder sonst was Handfeses passiert. Denn die sich davon angesprochen fühlen, kommen dann ja bekanntlich sehr schnell zur Sache.

  • AH
    Aus Haching

    Lieber Herr Frank, man kann Christ sein (selbst Protestant), ohne auch nur ein Buch von Frau Käßmann im Regal zu haben oder gar zu kennen.

     

    Was die Geschichte mit dem Zombie angeht, glauben Sie wirklich, dass man anno 2011 damit noch provozieren kann?

  • J
    Joba

    Selten habe ich eine so profunde Auseinandersetzung mit biblischer Überlieferung und christlicher Theologie gelesen. Es wird deutlich, dass, wenn etwas abgelehnt wird, von dieser Seite kommen kann was will, es ist eh scheiße und bestenfalls bauernfängerisch. Welches Trauma hat Herr Frank erlitten, dass er vernünftiges Denken überall, nur nicht bei ChristInnen vermutet? Jedenfalls ist es psychohygienisch entlastend, sich denjenigen gegenüber erhaben zu fühlen, die einem auf die Nerven gehen. Herr Frank legt eine Haltung an den Tag, die Gläubigen immer vorgeworfen wird, nämlich sich anderen überlegen zu fühlen. Viel Spaß auf dem hohen Ross. Die katholischen Kirchenfürsten freuen sich, denn so ist ihrer unchristlichen Amtsanmaßung nicht beizukommen.

  • E
    exts

    Beeindruckend.

    Und jetzt schreiben Sie doch einfach mal so einen Text über den islamischen Glauben.

    Wenn Sie das machen, kann Sie wirklich ernst nehmen (und lustig finden?).

  • V
    vic

    Am morgen höre ich gerne D-Radio Kultur. Außer an

    Sonn-und Feiertagen. Zu viel religiöse Salbung für meinen Geschmack.

    Dann kommt die Zeit von Motor FM.

  • CH
    c h

    Wie es sich fast überall herumgesprochen hat, glaubt in den christlichen Konfessionen kaum mehr jemand an die wörtliche Auslegung der Bibel.

    Meine Erfahrung zeigt, dass diejenigen, die den Christen das vorwerfen, einfach nur an billigem Christenbashing als an Diskurs interessiert sind.

    Würden Sie diesen Artikel auch schreiben, wenn es nicht um eine christliche Predigt, sondern um eine muslimische, jüdische oder hinudistische Gebetstunde ginge?

    Wenn ja: Wenigstens konsequent.

    Wenn nein: Dann können Sie sicher erklären, warum es gerechtfertigt ist, Christen alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit zu veralbern.

    Wenn Sie das nicht erklären können, war'S wohl doch nur billiges Christenbashing. Wenn's Ihnen Spaß macht... Wir können damit leben.