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Kommentar Grünen-ParteitagGrüne können locker bleiben

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Bewegungsorientierte Basis und Realos in der Spitze der Grünen streiten um die Zustimmung zum Atomausstieg. Ihren Wählern ist aber egal, wann das letzte AKW vom Netz geht.

W ieder einmal droht den Grünen ein Showdown. Im Streit über die Frage, ob sie bei ihrem Sonderparteitag am Samstag den schwarz-gelben Atomausstiegsplänen zustimmen sollen oder nicht, kämpft die Parteispitze mit aller Vehemenz für eine Zustimmung. Große Teile der bewegungsorientierten Basis wettern heftig dagegen. Erinnerungen an den Karlsruher Parteitag von 2000 werden wach, als die Grünen-Spitze mit ihrem Atomkonsens die ihr bis dahin nahe stehende Anti-Atom-Bewegung verprellte. Nun stehen die Grünen erneut vor einer Zerreißprobe. Dabei könnten sie sich dieses Mal entspannt zurücklehnen.

Zum einen stehen sie nicht in unmittelbarer Regierungsverantwortung. Ihr Parteitagsbeschluss ist nicht wirklich von Belang, weil die konkreten Verhandlungen mit der Atomlobby ganz allein Schwarz-Gelb führt.

Zum anderen ist die Wählerschaft der Grünen inzwischen eine völlig andere. Die alte Dichotomie von bewegungsorientierter Basis auf der einen Seite und Realos in der Parteispitze auf der anderen mag innerparteilich noch eine Rolle spielen. Ihr Wählerspektrum setzt sich längst aus großen Teilen der Mitte der Gesellschaft zusammen. Und dieser Mitte ist es egal, ob das letzte Atomkraftwerk in sechs Jahren vom Netz geht oder in elf.

taz

FELIX LEE ist Redakteur im Inlandsressort der taz.

Die Angst der Parteiführung, dass ihr bei einer Verweigerung das Stigma der notorischen Neinsager anhaftet, ist denn auch überbewertet. Bei vielen Themen werden die Grünen als sehr viel realitätsnäher wahrgenommen als etwa die FDP mit der Forderung nach Steuersenkungen in Zeiten von Schuldenkrisen. Ebenso wenig muss die Basis im Falle einer Zustimmung befürchten, ihre Ideale zu verraten. Als Opposition können sie bei der konkreten Umsetzung weiter kräftig Kritik üben. Aus Sicht ihrer Wähler bleiben die Grünen die Ausstiegspartei.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

2 Kommentare

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  • SL
    Simon Lissner

    Ich zähle mich zu dem was Lee als "Mitte" beschreibt, bürgerlich, mitte links, liberal im weitesten Sinne, und mir ist es definitiv nicht egal, und da spreche ich die gleiche Sprache, wie viele Grüne Wähler/innen, ob die DInger noch 5, 11 oder weitere 20 Jahre laufen:

    Die Statistik sagt, alle 10 Jahre wenigstens 1 GAU, und zwar in den Ländern, in denen die meisten dieser Kraftwerke stehen. Handgeld 8.500 Euro pro vernichteter Existenz ist das, was in Japan gezahlt wird. Deshalb wählen viele Wähler/innen die ich kenne und die immer CDU gewählt haben, nicht mehr CDU. Nach dem Grünen Beschluss können sie das wieder "guten Gewissens" tun.

  • HJ
    Hein Jo

    Den ersten Teil des Kommentars finde ich sehr treffend. Dagegen finde ich folgenden Satz überhaupt nicht überzeugend: "Und dieser Mitte ist es egal, ob das letzte Atomkraftwerk in sechs Jahren vom Netz geht oder in elf." Denn alle, wirklich alle bündnisgrünen Wählerinnen und Wähler, die ich kenne, und die übrigens durchaus verschiedenen Bildungs- Alters- Einkommensgruppen angehören - und sogar aus verschiedenen Bundesländern sind (sich z.T. untereinander gar nicht kennen), alle diese mehr als ein ganzes Dutzend Leute, finden einen Atomausstieg 2022 für zu spät. Freilich, vielleicht kenne ich zufällig nur solche Leute. Sicher wird es auch welche geben, die mit 2022 einverstanden wären, aber die weiter gehende These von Felix Lee scheint mir doch sehr spekulativ zu sein. Und mit Kategorien wie "Mitte" oder "bürgerlich" lassen sich Haltungen zur Energiepolitik auch nicht unbedingt sehr trennscharf analysieren, finde ich nebenbei. Diese Kategorien kommen doch eher aus Diskursen um Einkommensverteilung, Arbeiter_innenrechte und ähnliche (und sogar da sind sie oft eher Klischees, als griffige Analysewerkzeuge). Ansonsten aber wie gesagt ein treffender Kommentar, finde ich.