Kolumne Landmänner: Brandenburg, digital bearbeitet

Unsere Heimat als Filmstandort: Wenn die Wiesen nicht grün genug sind, muss man nachhelfen.

Ich brauche dringend einen Bauernhof mit Scheune, eine Wiese, einen Berg, eine Gaststätte und einen Fußballplatz, meldet Euch", so schepperte es aus der Mailbox.

Was sich zunächst anhörte wie das dringende Gesuch eines obdachlos gewordenen Gutsherrn, entpuppte sich als Bitte um Unterstützung von einem befreundeten Location-Scout. Das sind Menschen, die für Film, Fernsehen und Werbung Örtlichkeiten casten, an denen dann Actimel-Werbespots in Sichtbetonästhetik gedreht werden. Oder eben Filme, die auf dem Land spielen.

Unser Freund operiert normalerweise in Berlin und hat daher auch keine Probleme, geeignete Örtlichkeiten zu finden. Die ganze Hauptstadt ist eine einzige Kulisse, und ihre Bewohner sind Darsteller ihrer selbst oder was sie dafür halten.

Das flache Land aber überfordert ihn völlig. Als er schließlich, bewaffnet mit Drehbüchern, Blackberry und Digitalkamera bei uns ankam, berichtete er völlig außer Atem von seiner letzten Exkursion nach Teltow-Fläming: "Ich hatte kein Netz. Mein GPS funktionierte nicht, und ich stand plötzlich mitten in einem dunklen Wald."

Aufgrund seiner Notsituation erklärten wir uns bereit, all diese Landschaften, die wir sonst am Wochenende hauptsächlich privat zu unserer Ergötzung nutzen, für Filmaufnahmen zur Verfügung zu stellen. Und schon waren wir "Local Scouts", Buschführer also.

Gott sei Dank hatte er schon einen Berg im Kasten, denn solche sind in Brandenburg rar. Er hatte einfach den Berliner Teufelsberg, der eigentlich aus Trümmern des Zweiten Weltkrieges besteht, als Brandenburger Anhöhe verkauft. Aber auch einen idyllischen Bauernhof zu finden ist nicht ganz einfach in Zeiten der Agrochemie mit ihren monströsen Großbetrieben.

"Wenn es in der Scheune keine Tiere gibt - kein Problem, die können wir ja organisieren", sagte unser Freund. Aber erst einmal mussten wir ja überhaupt eine "freistehende Scheune" finden.

Nach fast hundert Kilometern Fahrt durch Buschwerk, Ödland und Steppen, an denen Cechov seine Freude gehabt hätte, fanden wir schließlich einen einsam gelegenen Aussiedlerhof, der so pittoresk war, dass es sogar für den deutschen Film schon wieder zu viel gewesen wäre. Und die Besitzerin erst! Eindeutig Bette Davis in "What Ever Happened to Baby Jane", die aber dann leider den grandiosen Satz von sich gab: "Film? Aus dem Alter sind wir raus."

Auf der Suche nach dem nächsten Bauernhof casteten wir wie nebenbei "weite Flächen", "einen Bach umgeben von Bäumen" und "endlose Wiesen" ("Wenn ich die digital nachbearbeite, bekommen wir die auch in Grün.") Einen nicht mehr bewirtschafteten Bauernhof fanden wir schließlich - der Eigentümer: ein Filmfan. Gaststätte schafften wir mit links, unsere beiden Lieblingswirtinnen erklärten sich bereit mitzumachen, und die Stammgäste sind ja sowieso immer da.

Die Überraschung des Tages war dann der Fußballplatz von Ackerbürgerstadt: "Kein Problem, hier wurde schon öfter gedreht", so beschied man uns vonseiten der Vereinsleitung. Alles Medienprofis bei uns in Ackerbürgerstadt.

In diesem Sinne habe ich diese Scouting-Geschichte jetzt einfach mal als Landmänner-Kolumne verwertet. Mehrfachnutzung, bei den Medien wird ja überall gespart.

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* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien

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