Rüstungswirtschaft: Deutsche Waffen sind Nischenprodukte
Der Anteil der Rüstungsgüter an den deutschen Exporten liegt bei deutlich unter einem Prozent. Die Rüstungsunternehmen halten sich dennoch für einen Innovationsmotor.
HAMBURG taz | Weltberühmt sind die Pistolen und Gewehre von Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar. Doch besteht die Rüstungswirtschaft keineswegs nur aus volkswirtschaftlichen Leichtgewichten aus der Provinz. So produziert der halbstaatliche Hochtechnologiekonzern EADS-Airbus, dessen größter privater Aktionär Daimler ist, Kampfflugzeuge und Lenkwaffen.
Zudem spielen im zivilen Wettstreit mit Boeing staatliche Subventionen in Form von Militäraufträgen ebenfalls eine Rolle, etwa das Transportflugzeug "Airbus A400M". Und der Stahlgigant ThyssenKrupp hat sich zwar gerade aus dem Schiffbau verabschiedet, will aber weiterhin aus Kiel Brennstoffzellen-U-Boote bis nach Pakistan liefern und entwickelt neuartige Marathon-Kriegsschiffe "F125". Sie sollen ab 2016 bis zu 24 Monate lang nonstop vor fremden Küsten kreuzen können.
Als gewinnträchtig für beide Beteiligten gilt auch der im vergangenen Jahr geschmiedete Panzerverbund von MAN und Rheinmetall. Ersterer gehört seit Juli zu Volkswagen, und Letzterer stellt zusammen mit Krauss-Maffei Wegmann den Kampfpanzer "Leopard" her, von dem Saudi-Arabien 200 Stück kaufen will. Mehr als 3.000 dieser Kampfmaschinen wurden bislang für schätzungsweise über 20 Milliarden Euro an die Bundeswehr und 15 andere Armeen geliefert.
Die neue Tochtergesellschaft von Rheinmetall und MAN gehört inzwischen zu den ersten drei der besonders lukrativen Radpanzerbranche.
Rüstungsgüter im Wert von etwa 5 Milliarden Euro
Die weltweite Rückkehr des Guerillakrieges hat vor allem das Geschäft mit gepanzerten Radpanzern explosionsartig anschwellen lassen. Im asymmetrischen Krieg gewinnen sie wieder eine überragende taktische Bedeutung für die Militärs. Nur noch in schwer gepanzerten Spezialfahrzeugen können sich Soldaten durch ein Land bewegen, in dem preiswerte ferngesteuerte Sprengfallen und Hinterhalte an jedem Straßenrand drohen.
Wie in anderen exportorientierten Industriezweigen erschöpft sich das deutsche Angebot jedoch nicht allein in "Hardware". Der richtungweisende Panzerriese Rheinmetall entwarf und betreut das neue Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Altmark, konzipiert den multimedial vernetzten "Infanteristen der Zukunft" und arbeitet an künstlichen 3-D-Projekten.
Aus der Bundesrepublik Deutschland wurden allein im Jahr 2009 Rüstungsgüter im Wert von rund 5 Milliarden Euro exportiert. Das geht aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hervor. In der Ära der großen Koalition ist das genehmigte Exportvolumen für Kriegswaffen, Rüstungsgüter und militärische Dienstleistungen in alle Welt deutlich gestiegen. Dennoch liegt der Anteil an den gesamten deutschen Exporten weit unter 1 Prozent, und von ehemals 400.000 Arbeitsplätzen in Ost- und Westdeutschland sind nur noch etwa 80.000 übrig geblieben.
Trotzdem halten sich in Deutschland die 80 Rüstungsunternehmen im Industrieverband BDI für einen technologisch unverzichtbaren "Innovationsmotor".
Leser*innenkommentare
max
Gast
So lange der Käufer wenigstens bar zahlt (Saudi Arabien, Panzer) anstatt die Rüstungsgüter auch noch (zum Teil) geschenkt zu bekommen (Israel, U-Boote)!
Karl
Gast
Lob an die Redaktion!
Der TPz für die ABC-Abwehr ist ein zweckmäßiges Motiv. Die Technik kann auch gut im Umweltschutz eingesetzt werden, jedenfalls das eingebaute MM2.
Wegen der Schennbestimmung der Horror für jde Umweltsau!
Glück auf!
Karl
PeterWolf
Gast
"das Geschäft mit gepanzerten Radpanzern"
Gibts auch ungepanzerte Radpanzer?
Winnfield
Gast
@stefan seither:
glaub ich nicht...
Markus Brandt
Gast
Muss dem Vorredner Recht geben. Der begriff Innovationsmotor bedeutet nur das und nichts anderes. es bedeutet nicht "Hauptverantwortlicher für den Exportüberschuß". Bei der Rüstung geht es um Menschenleben. Da investiert man in bessere und neuere Technik. Die selben Argumente galten übrigens auch für die bemannte Raumfahrt und den Steinkohlebergbau in Westdeutschland. Es wurde argumentiert, dass hier Techniken entwickelt werden und Stimuli entstehen die auf anderen Gebieten später zu völlig neuen Lösungen führen werden. Die Mikrokanalplatte die das Spektrogramm auf meiner CCD-Kamera verstärkt wurde zB in der Wehrindustrie entwickelt (WW II, beide Seiten) und ich messe jetzt meine Doktorarbeit zu einem absolut zivilen Thema darauf. Das nenne ich Fortschritt.
stefan seither
Gast
Ich wäre ja lieber arbeitslos als in der Rüstung zu arbeiten.
PnazerFan
Gast
Ich will auch nen Pnazer, hihi.
Enzo Aduro
Gast
Natürlich kann die Rüstungsindustrie auch bei "nur" 5 Milliarden Umsatz ein innovationsmotor sein. Weil in der Rüstung ganz andere Zahlungsbereitschaften da sind als bei zivilen produkten sind da immer der allerneuste schnickschnack drin.
Oder wer odert heute Brennstoffzellen, wenn nicht die U-Boot Branche?
Vieles (mit sicherheit nicht alles) kann auch später zivil genutzt werden.
Enzo Aduro
Gast
Ein paar anmerkungen:
*Daimler ist zwar Aktionär von EADS, aber das eher unfreiwillig und historisch bedingt. Die Daimler-Aktionäre würden sicher gerne Aussteigen, aber die deutsche Politik drängt Daimler dazu das nicht zu tun, dann würde nähmlich Frankreich in EADS die Überhand haben. Für Daimler selbst passt das Aktienpaket weder ind Portfolio (Autos), noch hat es eine besonders hohe Rendite.
*Für Deutschland ist es strategisch wichtig das Know-How in der Verteidigungstechnik aufrechtzuerhalten, vergleichbar mit der Fähigkeit sich selbst zu ernähren, daher ja auch dieses ganze Landwirtschaftssubventionskram. Ohne eigene Bestellungen der Bundeswehr und ohne Exporte wird die Branche aber pleitegehen.
Man sollte natürlich trotzden darauf achten wohin man was exportiert.