die wahrheit: Oma in der Falle

Traumjobs: Schädlingsbekämpfer in deutschen Supermärkten.

"Wie Zoos voller exotischer Tieren, wenn man nur genau hinguckt!", sagt Konrad Klausthaler über Deutschlands Supermärkte. Er weiß, wovon er spricht, denn Klausthaler hat Schädlingsbekämpfung an der Fernuniversität Hagen studiert und, obwohl er "nicht sooo oft da war", nach dem Abschluss ein erfolgreiches Einmannunternehmen aufgebaut. Klausthalers Spezialgebiet: Aufklärung und Eliminierung exotischer blinder Passagiere in deutschen Supermärkten.

Immer wieder schockieren Meldungen wie diese die Öffentlichkeit: "Giftspinne reiste in Bananenkiste bis in Supermarkt" oder "Elefant drei Wochen unentdeckt in Kühltheke eingesperrt" oder "Giftschlange von Hausfrau für Cervelatwurst gehalten". Steht ein Supermarkt im Verdacht, unliebsames Getier über Lebensmittellieferungen in die Filiale importiert zu haben, klingelt Klausthalers Telefon. "Es ist ein dreckiger Job, weil ich oft auf den Knien durch die Gänge rutsche, aber einer muss es ja machen."

Er übernehme eigentlich jeden Fall, außer Aufträge von asiatischen Supermärkten. "Oft handelt es sich da um Pandas, die beispielsweise in Säcken mit Bambussprossen mitreisen, weil die das so gerne essen. Aber wenn ich die zur Strecke bringe, hagelt es sofort schlechte Presse - von wegen, die wären doch so süß oder so."

Die Artenvielfalt kennt bei Klausthalers Einsätzen kaum Grenzen. Von Spinnen über Skorpione bis hin zu Yaks - oft bleibt dem Selfmademan nur übrig, den vermeintlichen Übeltäter zu googeln, schließlich ist er kein studierter Zoologe. Doch egal ob giftig oder ungiftig, zuerst versucht der fröhliche Mittvierziger immer den, wie er es nennt, "sanften Weg". Bewaffnet mit rhetorischem Geschick, schier unbändigem Idealismus und einer Portion Kartoffelsalat von daheim gegen den Hunger, verwickelt Klausthaler die verantwortlichen Filialleiter in stundenlange, mitunter äußerst dröge Gespräche über den Schädling in spe: Farbe, Form, Geschmack, letzter Sichtungsort, eventuelle verbale Kontaktaufnahmen - jedes noch so winzige Detail kann Leben retten, nur nicht das des Schädlings. Hat Klausthaler alle Informationen, die er benötigt, kann die eigentliche Arbeit beginnen. Im ersten Schritt stellt er Fallen auf. Bis zu 200 verschiedene Fallen kommen zum Einsatz - von der Größe einer Streichholzschachtel bis zu riesigen metallischen Lebendfallen in Garagengröße.

"Das ist nötig. Meistens können die Betroffenen wegen der Schockwirkung, die sie beim ersten Kontakt mit dem Schädling erlitten haben, keine zuverlässigen Angaben über deren tatsächliche Größe machen. Und wenn sich beispielsweise ein Rhinozeros den Zeh in einer Mausefalle klemmt, kann das sehr, sehr sauer werden", erklärt Klausthaler den erheblichen Aufwand.

Dann beginnt das Warten. Oft vergehen Tage, manchmal Wochen. Während dieser Zeit campiert Klausthaler mit Isomatte und Schlafsack in den Gängen und liest gegen die Langeweile Bücher - am liebsten "Krieg und Frieden" von Tolstoi.

Klausthaler plädiert immer dafür, den Supermarkt weiterhin geöffnet zu lassen, um die finanziellen Einbußen für die Betreiber gering zu halten. Damit sich keine Kunden in den Fallen verirren, hängt er große Warnschilder auf - ähnlich den schwarzen Vögeln, die auf Fensterscheiben geklebt werden, nur mit dem Motiv Mensch. "Tappt trotzdem mal ne Oma rein, dann ist das immer ein großer Spaß für alle Mitarbeiter", meint er.

Sollte Klausthaler nach vier Wochen nichts gefangen haben, bleibt nur noch eine Möglichkeit, den Supermarkt schädlingsfrei zu bekommen. "Dann zünd ich den ganzen Laden an. Sie können ja nicht ewig da rumhocken und warten, bis sich was auch immer bequemt, in die Falle zu latschen", erläutert Klausthaler die für Laien eher drastisch wirkende Maßnahme.

Manchmal aber ist es schwierig, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Klausthalers letzter Fall in einem Supermarkt in Oberhausen stellte die bisher größte Herausforderung für sein Spürtalent dar. Über zwei Wochen führte ihn der Parasit an der Nase herum, fraß tagsüber die Käsetheke leer, besoff sich nachts unbemerkt in der Spirituosenabteilung und erbrach sich dann im Kassenbereich. Nach dem Tipp eines Kunden konnte Klausthaler zuschlagen und den Übeltäter überführen. Ein Gorilla hatte sich als Filialleiter getarnt und so völlig unerkannt die Geschicke des Supermarkts gelenkt, ihn sogar bis an die Börse gebracht. Jetzt sitzt er in einer 2-mal-2-Meter-Holzkiste auf dem Weg zurück in den Kongo. Klausthaler kann sich noch an seine letzten Worte erinnern: "Ich zeig Sie an, Sie geistesgestörter Vollidiot!"

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