Alternatiives Wohnprojekt: Wohnen in der "Villa P" in Walle

Ein Mehrgenerationen- und Mehrfamilien-Wohnprojekt soll es werden, selbst organisiert, selbstbestimmt, ökologisch, mit politischem Anspruch: die "Villa P"

An der "Villa P" wird mit Hochdruck gearbeitet. Bild: miba

Der braune Lehmputz mit den Strohfasern erinnert an eine marokkanisches Beduinenburg. Aber nur auf der Hälfte der Innenwände ist die braune Masse verstrichen. "Sehr ökologisch, aber zu teuer", sagt Norbert Jagemann, "wir konnten uns das nicht für alle Wände leisten."

So gibt es in der "Villa P" in Walle nun abwechselnd Lehm und gewöhnlichen Zement. Jagemann, Historiker und Outdoor-Verkäufer, ist ehrenamtlicher Baukoordinator. In drei Monaten will er mit zwölf weiteren Erwachsenen und einigen Kindern in das Fabrikgebäude nahe dem Walle-Center einziehen: Ein Mehrgenerationen- und Mehrfamilien-Wohnprojekt soll dies werden, selbst organisiert, selbstbestimmt, ökologisch, mit politischem Anspruch.

Angesichts des Baufortschritts scheint der Zeitplan sehr ambitioniert. Alles sieht aus, als könnten sich die Handwerker und Bewohner noch wesentlich länger mit dem Ausbau beschäftigen. Doch Jagemann ist zuversichtlich: "Wir sind schnell."

Die Gruppe, unter ihnen Physiker, eine Pressesprecherin, Verkäufer, fand sich zwar bereits vor drei Jahren. Im Mai 2010 kaufte sie das Gebäude in Walle. Da stieg allerdings die erste Person aus. "Die hatte keine Lust, in Walle zu wohnen", sagt Jagemann. Drei Monate später war dennoch Baubeginn. In einem Nebengebäude sind eine provisorische Küche und eine Werkstatt untergebracht, an der Wand hängt ein Plan - "da trägt jeder für jede Woche ein, wann man auf der Baustelle arbeiten kann."

Der Altbau wurde erweitert, ein weiterer Stock kam aufs Dach, eine Lagerhalle wurde teils abgerissen, die Reste zur Terrasse umfunktioniert. "Was möglich war, haben wir selber gemacht," sagt Jagemann, die "Horizontalsperre" etwa. Die soll verhindern, dass Feuchtigkeit aus dem Erdreich in die Mauern aufsteigt. "Wir haben mit langen Bohrern 2.000 Löcher in die Mauern gebohrt und mit Kieselsäure gefüllt," sagt Jagemann. 22.000 Euro habe man so gespart.

Wegen des Geldes aber, sagt Jagemann, "haben wir das Ganze nicht gemacht." Das hätte sich auch nicht gelohnt. Die kalkulierte Miete ist hoch. "In Walle kriegt man WG-Zimmer billiger", sagt Jagemann. Dafür bietet die "Villa P" aber andere Vorteile: "Wir haben viel Gemeinschaftsflächen, und wegen der ökologischen Bauweise sehr niedrige Energiekosten. Das ist sonst ein Posten, der überall steigt. Außerdem können wir nicht rausfliegen und wir können selbst alles entscheiden." Zum Beispiel die Miethöhe - wer wenig Geld hat, zahlt weniger. Die Kredite werden dann eben langsamer zurückbezahlt.

Dass alle der Bewohner den Rest ihres Lebens in dem Projekt verbringen werden, glaubt Jagemann nicht. "Es ist natürlich realistisch, dass Leute ausziehen - wegen der Liebe, wegen Streitigkeiten oder wegen eines neuen Jobs." Um zwischen den Gründern und den Nachfolgern die "Lasten zu streuen", haben die Bewohner sich entschlossen, die Tilgungsrate niedrig anzusetzen.

1,4 Millionen Euro wird der Bau am Ende gekostet haben, 600.000 davon hat sich die "Villa P" selbst aufgebracht oder bei Privatleuten geliehen - zum Zinssatz von "null bis zwei Prozent, das konnten sich die Leute aussuchen", sagt Jagemann. Was die davon hatten? "Sie konnten ihr Geld ökologisch, lokal und sozial anlegen."

Tatsächlich versteht sich die Villa auch als politisches Projekt. Ein Teil der Bewohner lebt gemeinsam in "Finanzcoops" - sie teilen ihre Einkünfte freiwillig miteinander. Die Konstruktion mit einem Nutzerverein und einer ausgegründeten GmbH als Bauherr und Vermieter soll ausschließen, das irgendjemand Privateigentum an der "Villa P" erwerben kann. Die künftigen Bewohner erwägen, auch dem Freiburger Mietshäuser-Syndikat beitreten. Das würde einen Verkauf der Immobilie grundsätzlich ausschließen. "Dann würde das Haus niemals dem Kapitalmarkt als Spekulationsobjekt zur Verfügung stehen, sondern immer denen gehören, die drin wohnen."

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