Schloss Clemenswerth: Bayerisches Rokoko im Emsländer Wald

Sommer im Museum (5) Das Schloss Clemenswerth ist ein Ort südlicher Lebenslust mitten in der norddeutschen Landschaft. Durch verschiedene Events soll das Schloss zum Touristenmagneten werden. Ein Teil des Programms sind Ausstellungen aktueller Kunst

Das Besondere an Schloss Clemenswerth ist seine Alleesternanlage. Bild: Emslandmuseum Schloss Clemenswerth

PAPENBURG taz | Eine Großwerft steht mitten auf den Kuhwiesen bei Papenburg, etwas weiter kurvt die Teststrecke des Transrapid durch die Landschaft. Marschen mit kilometerlangen schnurgeraden Kanälen wechseln sich ab mit ausgedehnten Wäldern auf Sandboden.

In Wehrle steht ein Hotel namens "African Sky" in dem es Krokodil- und Springbock-Fleisch gibt und bei Sögel findet sich samt italienischen Fresken die nördlichste Präsenz des bayerischen Rokoko. Das nördliche Emsland ist eine seltsame Gegend.

Das Schlosses Clemenswerth, das knapp 30 Kilometer von Papenburg entfernt liegt, wurde ab 1737 vom Münsteraner Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun errichtet.

Schlaun hielt sich auch bei diesem Bau an die für ihn typische Kombination aus rotem Klinker und wenigen Sandsteinapplikationen. Am 18. August 1747 war das Schloss fertiggestellt, einen Tag nach dem 47. Geburtstag des bauversessenen und jagdliebenden Fürsten Clemens August.

Der war der Sohn des bayrischen Kurfürsten Max Emanuel und hatte eine ganz ungewöhnliche Zahl von Ämtern auf sich vereinigt: Clemens August von Bayern war als Clemens August I. von 1723 bis 1761 Erzbischof von Köln und damit gleichzeitig Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches,

Landesherr des zugehörigen Erzstifts und Legatus natus des Heiligen Apostolischen Stuhls zu Rom sowie Herzog von Westfalen. Außerdem war er Hochmeister des Deutschen Ordens und Fürstbischof von Münster, Osnabrück, Paderborn und Hildesheim.

Warum nicht, gerade im Sommer, das aufspüren, was die Peripherie oder, gut versteckt, die eigene Stadt so an Kultur zu bieten hat? Das kann bedächtig, muss aber nicht verschlafen sein, sondern im Gegenteil: engagiert, bodenständig, mal öffentlich, mal privat und im besten Sinne facettenreich. Wir stellen einige Museen, Gedenkorte, Initiativen der Region vor, die zu besuchen sich lohnen könnte - wenn auch, vielleicht, nicht für jede und jeden.

Sein Jagdschloss Clemenswerth ist heute ein norddeutsches Kulturdenkmal und ein Ausstellungsort - unter anderem werden jährlich drei Sonderausstellungen mit aktueller Kunst gezeigt.

Das Besondere an Schloss Clemenswerth ist seine vollständig erhaltenen Alleesternanlage. Acht Lindenalleen, jede zweite doppelreihig, führen zum kleinen Jagdschloss im Zentrum.

Das ist völlig symmetrisch, mit zentralem runden Saal und Fensterblicken in die Alleenachsen. Darum herum gruppieren sich ringförmig, wie der Hofstaat um den Fürsten, acht kleinere Pavillons, einer davon die Schlosskapelle mit angeschlossenem, heute noch aktivem Kapuzinerkloster.

Der werbend "Der Stern des Emslandes" genannte Schlosskomplex ist nach wechselvoller Geschichte seit 1972 Museum und der Museumsleiter darf als moderner Schlossherr dort leben.

Überhaupt scheint Direktor Oliver Fok eine besondere Beziehung zu Gesamtkunstwerken aus Natur und Kultur zu haben: Bevor er in Clemenswerth arbeitete und wohnte, arbeitete der Hamburger Kunsthistoriker und Volkskundler am Freilichtmuseum Kiekeberg und leitete die Kunststätte Bossard, den "Bossard-Tempel" bei Jesteburg in der Nordheide.

Genau wie "sein" Fürst Clemens August liebt der heutige Herr auf Clemeswerth eher das Land als die Stadt. Aber die Jagd des Museumsdirektors gilt einer besonderen Beute: den Touristen.

Mag die Bedeutung eines Baus noch so groß und die damit verbundene Geschichte noch so interessant sein, kaum ein historischer Bau kann heute mit seinem bloßen Vorhandensein eine größere Anzahl Besucher locken.

So können die jährlich rund 30.000 Besucher auch in Clemenswerth mehr als nur die Prunkräume mit ihrem Gold und ihren Rocaillen bewundern oder in den Pavillons die Dokumente zur Geschichte des Hauses und der Region sehen. Schon immer fanden die Straßburger Fayencen Interesse, besonders die figürlichen Terrinen des Jagdgeschirrs, die beispielsweise als lebensgroßer Kopf eines Keilers geformt sind.

Heute gibt es dazu eine Ausstellung moderner Keramik und eine Keramikwerkstatt. Ohne Shop und Restaurant ist ein Schlossmuseum sowieso nicht mehr denkbar, ebenso gehören große Veranstaltungen dazu: Traditionelle Jagden, Falknerei-Vorführungen, Gauklerauftritte, Kunstmärkte und Nachtevents.

Direktor Oliver Fok sorgt sich zudem mit neuen Kinderprogrammen um den Nachwuchs: Gegen die zu trocknen Zahlen aus fernen Zeiten tritt nun ein "freundlicher Schlossgeist" auf und gibt eine kindgerechte Einführung oder es wird hinter den sonst verschlossenen Türen der fürstlichen Räume gezeigt, wie der Luxus durch die vielen dienstbaren Geister ganz praktisch ermöglicht wurde.

Jährlich gibt es zudem drei Sonderausstellungen mit aktueller Kunst. Zurzeit sind das draußen im Grünen die Skulpturen von Klaus Großkopf. Drinnen ist "Rocaille Fauxpas" inszeniert: Vier KünstlerInnen aus dem Kreis um die Hamburger Fotokünstlerin Carmen Oberst bespielen die Sonderausstellungsräume mit von der Anlage inspirierten Arbeiten.

So zeigt Ted Green seine vielschichtig mit biologischen Assoziationen spielende, immer symmetrisch aufgebaute Malerei und Susanne Bürger lässt ihre aus Halbkreisen zusammengesetzten Farbplanetenformen unter der Decke oder im barocken Kamin auftauchen. Karin Keller referiert auf kannelierte Säulen mit Fahrradschlauch-Objekten,

Monika Lutz kombiniert in ihren nur wenig manipulierten Fotos Details aus dem Schlossensemble mit kleinbürgerlichen Inszenierungen der Alltagskultur. Und Carmen Oberst überlagert in stets berauschender Fülle neue Anregungen und gelebtes Leben zu komplexen, fotochemisch manipulierten Fotocollagen und hat einen neuen Experimentalfilm produziert.

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