Kolumne Wortklauberei: Pauschalurlaubsurteil
So ist das in Europa. Nichts ist siebeneckig, noch nicht einmal ein Kolumnist.
V orhin in den Radionachrichten, ich denk, ich hör nicht recht: "Thüringen geht weiter gewaltsam gegen Rebellen vor." Ja, Herrgott. Was? Ach so, Syrien! Schlimm genug. Das hatte sich geklärt, dafür rätsle ich noch immer über einen Satz, der gerade im "heute journal" fiel. In der Halbzeitpause von Polen - Deutschland trug Marietta Slomka einen Fiebertraum in Schimmerblau und schaute so ganz besonders messerscharf, als obliege es ihr allein, mit schierer journalistischer Seriosität den Fußball-Prolo-Popanz außen rum für ein paar Minuten vergessen zu machen.
Es ging um die Suche nach dem verschwundenen Gaddafi und einen "von niemandem gefilmten Konvoi" (wo gibts denn so was heute noch? Da, wo ich herkomme, gibts nicht mal mehr eine von niemandem gefilmte Kleinkinderdreiradfahrt) nach Burkina Faso, und nach dem Beitrag knipste Slomka ihren allerherumgekommensten Blick an und moderierte ab mit dem mich ratlos zurücklassenden Satz: "So ist das in Afrika: Nichts ist eindimensional, noch nicht mal ein Diktator."
So also ist das in Afrika. Aber auch in Europa ist nicht alles gar so eindimensional wie oft hingestellt. Ich etwa habe hier letztes Mal was hingestellt und wurde jetzt auf weiteren Wortklaubereibedarf hingewiesen. Bezugnehmend auf meinen Spott über eine kreuzbehämmerte Werbekampagne ("Fliegengagiert", "Fliegenergiebewusst" etc.) seiner Firma erreichte mich ein Brief von Herrn Winter von der Condor Flugdienst GmbH. In dem humorig-jovial gehaltenen Schreiben weist der "Leiter Kommunikation" zunächst darauf hin, Condor sei seit Februar 2009 keine Lufthansa-Tochter mehr - okay, Berichtigung vermerkt. Dann packt Winter das moralische Totschlagargument vom verunglimpften kleinen Mann aus. "Auch Ihre Leser fliegen mit einem Ferienflieger in den Urlaub", schilt er, "dass Sie den deutschen Urlauber pauschal in Verruf bringen, in einem Bumsbomber zu fliegen", sei "sträflich". Condor biete außerdem nicht mehrheitlich Charterflüge an, "und erst recht nicht an reine Pauschalurlaubsziele", man fliege auch nach Vancouver, Florida und Puerto Rico.
35, lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
Abgesehen davon, dass man als Condor-Kunde hoffentlich auch in Vancouver und Puerto Rico bumsen darf, gehen die Einwände doch ein Stück weit an meiner intendierten Kritik vorbei. "Der deutsche Urlauber" - einige meiner besten Freunde sind deutsche Urlauber, und ich wäre ab und zu gern selbst einer - fühle sich bitte nicht in Verruf gebracht. Er fliege in Gottes Namen auch weiter rum, Linie oder Charter, pauschal oder individuell, zum Bumsen oder wegen der Kultur. Aber er lüge sich dabei bitte nicht in die Tasche und lasse sich auch nicht von einer Marketingabteilung das Hirn dahingehend grünwaschen, das Gedüse habe dann irgendwas mit Engagement und/oder Energiebewusstsein zu tun.
Aber ach. Herr Winter hat zur "Prämierung" meines Slogan-Vorschlags "Fliegengelberthumperdinck" seinem Schreiben zwei Fluggutscheine Frankfurt-Mallorca beigefügt. Ich werde in Versuchung geführt! "Ja", gibt der taz-Redakteur trocken zurück. Na toll. Und jetzt?
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