piwik no script img

Kolumne FernsehenDie Würde der Gaby Köster

Kolumne
von David Denk

Eigentlich mag ich keine Comedy. Aber wer sich so zurückmeldet, dem gebührt einfach Respekt.

A us einem schwarzen Loch heraus tritt die kölsche Komikerin Gaby Köster ("7 Tage, 7 Köpfe") gerade zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Es dürfte sie ganz schön blenden. Vielleicht hat sie sich auch deswegen diesen Zottelvorhang aus Dreadlocks zugelegt, hinter dem ihr Gesicht beim Auftritt im RTL-Kuriositätenkabinett "stern TV" am Mittwoch kaum zu erkennen war. Sie selbst verglich ihre Frisur zur Freude des Studiopublikums mit einem Bobtail.

Spaß machen kann Köster also immer noch - auf Tour gehen wird sie aber wahrscheinlich nie wieder. Denn vor dreieinhalb Jahren erlitt sie einen Schlaganfall, ist seitdem halbseitig gelähmt. Jetzt darf man darüber schreiben, vor ein paar Wochen noch wurden Spekulationen über den Gesundheitszustand der 49-Jährigen prompt mit Post ihrer Anwälte quittiert. Sie pochten auf das im Pressekodex festgeschriebene "Recht auf informationelle Selbstbestimmung", was den Gesundheitszustand als Teil von Kösters "Geheimsphäre" einschließt. Und da sie weder an die Öffentlichkeit gehen konnte noch wollte, durfte niemand berichten.

Die Verletzungen dieses Rechts bedecken, wie der Beitrag vor Kösters "stern TV"-Auftritt zeigte, deren ganzen Gartentisch. HIV-infiziert sollte sie sein, weil sie mal eine Aidsschleife getragen hat - oder auch gleich ganz tot. Die bunten Blätter fantasierten das Blaue vom Himmel und schreckten vor keiner Geschmacklosigkeit zurück.

privat
David Denk

leitender taz-Medienredakteur.

Wer Raubtieren so plötzlich nichts mehr zu fressen gibt, muss damit rechnen, dass sie selbst auf die Jagd gehen. Bei "stern TV" erzählte Köster, wie ein Paparazzo sie im Rollstuhl vor der Klinik abschießen wollte: "Und dann hab ich zu ihm gesagt, er soll abhauen. Dann sagt er zu mir, dann lauf doch weg. Und wenn ich da schon so weit gewesen wäre wie jetzt, dann hätte ich dem in seine nicht vorhandenen Eier getreten." Diese Zeit ist zum Glück vorbei. "Jetzt muss ich mich nicht mehr verstecken", freute sich Köster bei "stern TV". Und doch blieb der Eindruck, dass der Fankontakt im Supermarkt genau wie das Interview im Studio sie sehr anstrengt.

Die Frage, warum sie sich das antut, hat sie in der aktuellen Stern-Ausgabe freimütig beantwortet: Köster sieht im Vermarkten ihres Buchs "Ein Schnupfen hätte auch gereicht - Meine zweite Chance" einen ersten, wackeligen Schritt zurück ins Berufsleben, leugnet aber auch nicht, dass sie Geld braucht. Durch die lange Krankheit habe sie ihre "Rente verblasen".

Nichts an Gaby Kösters erstem Auftritt hatte die Würdelosigkeit der Rückkehr von Monica Lierhaus, dieses Desorientierte, Hilflose, Hingeschobene. Kösters behandelnder Arzt saß im Publikum, schien also mit dem Wunsch seiner Patientin einverstanden zu sein. Meinetwegen darf sie gern wieder häufiger kommen - auch wenn ich Comedy eigentlich nicht mag. Aber Gaby Köster mag ich, jetzt erst recht. Wegen dieser Jetzt-erst-recht-Haltung.

"Nichts ist mehr, wie es war", lautet ihr neues Lebensmotto, "Never Gonna Be The Same" von Sean Paul ist ihre Hymne. Das ist trotzig - und rührend. Gaby Köster hat ihre zweite Chance aber so was von verdient.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ressortleiter tazzwei

5 Kommentare

 / 
  • WD
    Wahrheit, die 121ste

    @ Titus

     

    Namenswitze gehen immer und sind eine ganz fantastische Angelegenheit. Das bestätigt Ihnen jeder Experte.

     

    Huch! Könnte es sein, dass Sie und ich uns auf jeweils unterschiedliche Expertenpools beziehen? Na so was.

     

     

    @ Christian

     

    Habe ich Sinn und Zweck einer Kolumne in Frage gestellt? Tatsächlich? Mir persönlich wäre das neu.

    Mir ging es eher um sprachliche Feinheiten.

    Dass das nicht jedermanns Sache ist, kann ich verstehen.

    Ebenfalls kann ich verstehen, wenn Menschen (z.B. Sie) von Zeit zu Zeit das Bedürfnis haben, einfach mal belehrend auf Leute mit anderen Auffassungen (z.B. auf mich)zu reagieren. Möglicherweise steckt in Ihrem Fall sogar die ehrenvolle Absicht dahinter, mich an ihrem reichhaltigen Wissensschatz teilhaben zu lassen und/oder mich zu beruhigen ("Nun machen Sie mal halblang...")

     

    Leider kann ich Ihrer freundlichen Aufforderung, mich an "geistreichen Wortspielen" zu versuchen, nicht nachkommen, da ich nicht weiß, was Sie darunter verstehen.

  • T
    Titus

    Ein Wort, Kolumne.

    *facepalm

     

    @Wahrheit

    Außerdem gehen Namenswitze nie und nimmer nicht.

    Das bestätigt ihnen jeder Experte.

  • C
    Christian

    Liebe Wahrheit,

     

    vielleicht sollte noch einmal überdacht werden, was der Sinn einer Kolumne ist, dass es sich nämlich gerade um einen Meinungsbeitrag handeln soll. Hier wird nicht der Anspruch des objektiven Journalismus erhoben.

     

    Also machen Sie mal halblang und versuchen Sie sich nächstes Mal an geistreichen Wortspielen.

     

    Grüße

  • WD
    Wahrheit, die 120ste

    So, so, Lierhaus' Auftritt war "würdelos".

     

    Mein lieber Herr Denk, das finden Sie. Ob es wirklich so WAR, sei mal dahingestellt. Ich kenne genügend Leute, die das tatsächlich anders sehen.

     

    Sie erscheinen mir wie ein fast schon typischer, unreflektierter Paradevertreter der Journaille allgemein:

    Ihre persönliche Wahrnehmung versuchen Sie dem Leser als ultimative Wahrheit zu verkaufen.

     

    Es ist aber nicht so. Mit ein klein wenig NachDENKen wären Sie vermutlich sogar selbst darauf gekommen. Oder etwas nicht?

  • K
    Kaiserbubu

    Das finde ich auch!