Kommunalwahlen in Norwegen: Das Bedürfnis, sich zu engagieren
Am Montag finden die ersten Kommunalwahlen nach den Attentaten in Norwegen statt. Das politische Interesse der Jugendlichen ist stark gestiegen.
STOCKHOLM taz | "Glaubst du wirklich, ich würde mich in einer rassistischen Partei engagieren?" Ombir Upadhyay verteilt Wahlzettel vor der Wahlbude der Fortschrittspartei auf der Karl-Johans-Gate in Oslos Innenstadt. Der Migrant aus Indien mit Wirtschaftsdiplom in Norwegen kandidiert auf der Liste der Fortschrittspartei für das Regionalparlament und muss ständig Fragen nach dem Verhältnis seiner Partei zu Einwanderern und Muslimen beantworten.
Am Montag geht Norwegen zur Wahl. Die Kommunalwahlen in 429 Gemeinden und die Regionalwahlen in den 18 "Fylkesting", in die Norwegen eingeteilt ist, finden gerade einmal sieben Wochen nach dem Bombenanschlag in Oslo und dem Amoklauf auf Utøya statt. Der Wahlkampf ist deshalb verspätet in Gang gekommen. "Erst wussten wir gar nicht, wie wir uns verhalten sollten", sagt Haakon Brænden, Osloer Parteivorsitzender der Christlichen Volkspartei, die nach der Fortschrittspartei die meisten einwanderungskritischen WählerInnen in ihrer Anhängerschaft hat. "Aber eine Wahl ist eben der Streit unterschiedlicher politischer Standpunkte."
Die anfängliche Unsicherheit ist mittlerweile fast wieder der üblichen Wahlkampfroutine gewichen. Nach starken Ausschlägen nach oben in den Meinungsumfragen für die Sozialdemokraten und nach unten für die rechtspopulistische Fortschrittspartei liegen alle Parteien etwa wieder auf dem Niveau vor dem 22. Juli. Doch scheint dieser Tag deutliche Spuren im Willen zum politischen Engagement bei Jugendlichen hinterlassen zu haben. Dazu kommt, dass in 20 Versuchskommunen erstmals auch 16-Jährige wählen dürfen.
"Zeichen, dass sie nicht vergeblich gestorben sind"
"Arbeidernes ungdomsfylking" (AUF), die Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei mit bislang rund 9.000 Mitgliedern, meldete in den letzten Wochen einen rekordhohen Neuzugang von 3.000 Mitgliedern. Auch die anderen Parteijugendorganisationen melden auffallendes Wachstum. Für Kari Helene Partapuoli von Oslos "antirassistischem Zentrum" eine Entwicklung, die man derzeit allerdings auch am rechtsextremen Rand beobachten könne: In neonazistischen und rassistischen Diskussionsforen und Facebook-Gruppen sei ebenfalls eine deutlich wachsende Aktivität zu merken.
"Ich hatte nach Utøya einfach das Bedürfnis, mich politisch zu engagieren, auch als Zeichen, dass sie nicht vergeblich gestorben sind", sagte AUF-Neumitglied Thea Eide, als sie im Rahmen der Schulwahlen "ihren" Parteivorsitzenden Jens Stoltenberg traf. Diese Schulwahlen - die traditionell wenige Tage vor dem eigentlichen Wahltermin landesweit in den drei obersten Gymnasiumsklassen stattfinden - gelten als wichtiges Stimmungsbarometer, weil sie meist die grundlegende Tendenz bei den "richtigen" Wahlen recht getreu vorwegnehmen. Auch wenn dabei oft Parteien von links- und rechtsaußen überproportional abschneiden.
Diesmal schrumpften diese deutlich. Und die Sozialdemokraten wurden mit nie da gewesenen 29,7 Prozent bei den Jugendlichen klare Gewinner. Auch die Konservativen legten vor allem auf Kosten der rechten Kleinparteien kräftig zu, während die Fortschrittspartei ein Viertel ihrer Stimmen gegenüber den Wahlen 2007 verlor, obwohl sie ihre einwandererfeindliche Rhetorik im Wahlkampf deutlich zurückgefahren hat.
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