Bedrohte Beratung

ARBEIT Die Solidarische Hilfe in Bremerhaven ist gefährdet, weil ihre Mitarbeiterinnen vom Amt empfohlen, aber nicht mehr gefördert werden - es sei denn als Ein-Euro-Jobber

Geht doch nach Berlin! Dort gibts Beratung in der Kneipe! Bild: dpa

Die Solidarische Hilfe in Bremerhaven steht nach über 20 Jahren möglicherweise jetzt vor dem Aus.

Die Beratungsstelle müsse gegebenenfalls geschlossen, zumindest aber das Angebot stark eingeschränkt werden, sagte Geschäftsführerin Silke Lieder. Zunächst einmal bleibt die Einrichtung vier Wochen lang zu. Der Grund: Zwei der bislang drei Mitarbeiterinnen bekommen vom Amt keine Beschäftigungszuschüsse mehr, weil die entsprechenden Fördergelder gekürzt wurden. Zwar steht im Raum, dass sie als Ein-Euro-Jobber weiter gefördert werden könnten. Das aber lehnt die Solidarische Hilfe strikt ab: "Wir geißeln das aufs Schärfste", sagt Lieder, deswegen sei es "fadenscheinig", jetzt selbst Ein-Euro-Jobber zu beschäftigen. Sanktionsbewehrte Maßnahmen lehne man prinzipiell ab.

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Solidarische Hilfe in Bremerhaven fast 7.000 Schuldner- und Sozialberatungen - Tendez steigend: 2008 waren es noch gut 6.000. Die beiden jetzt betroffenen Mitarbeiterinnen, beide um die 50, sind schon seit vielen Jahren dabei, immer wurde ihre Arbeit mit Arbeitsmarktprogrammen öffentlich gefördert. Jetzt aber ist nur noch Geld für Bärbel Kappus da, die letzte noch verbliebene hauptamtliche Beraterin. Sie hat den Verein Ende der Achtziger mit begründet, in weniger als zwei Jahren geht sie in Rente. Dann könnte es Schluss sein mit der Beratungsstelle. "Wir versuchen, uns über Wasser zu halten", sagt Kappus, "wissen aber nicht, wie es nun weitergeht." Es sei "schwieriger denn je", sagt auch Lieder. Förderungen, die nur auf wenige Monate angelegt sind, lehnt Kappus ab - mit Verweis auf die schwierige Materie des Sozialrechts.

Für zusätzlichen Zündstoff hat jetzt Bremerhavens Sozialstadtrat Klaus Rosche (SPD) gesorgt: Als die Stadtverordnetenversammlung jüngst über die Solidarische Hilfe diskutierte, die Arbeit der betroffenen Frauen von der Opposition gelobt wurde, sagte er, der Nordsee-Zeitung zufolge: Wenn sie wirklich so gut seien, dann hätten sie wohl schon längst eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Rosche dementiert das Zitat nicht, will es aber "im Kontext" der Debatte verstanden wissen. Lieder nennt es "zynisch" und "unglaublich dreist".

Die Arbeit der Solidarischen Hilfe sei "in Ordnung", sagt Rosche, es sei nichts dagegen zu sagen. Bei der Förderung der beiden Mitarbeiterinnen habe man aber schon "alle Augen zugedrückt" und die Beschäftigungsmaßnahme "für mehrere Jahre verlängert". Nun sei "alles ausgeschöpft". Immer wieder habe man sich für die Solidarische Hilfe eingesetzt, so Rosche. "Man kann uns nicht vorwerfen, nichts getan zu haben."

Lieder dagegen sagt: "Es fehlt der politische Wille." Zudem seien Förderanträge der Solidarischen Hilfe vom Amt mit "haarsträubenden Begründungen" abgelehnt worden. Der Sprecher des Jobcenters allerdings war gestern nicht zu erreichen. Die Arbeitslosen indes schickt die Behörde durchaus zur Solidarischen Hilfe.

Und während Kappus sagt: "Eine Beratung in der Art, wie wir sie leisten, gibt es in Bremerhaven sonst nicht", spricht Rosche von einem "Strauß" an Beratungsangeboten und Leuten, die sich auskennen. Der SPD-Politiker verweist dabei auf die Bremerhavener Arbeitsloseninitiative (Bali) oder die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt, auf Gewerkschaften oder das Arbeitsförderungszentrum AFZ, dessen Geschäftsführer Siegfried Breuer ist, der SPD-Unterbezirksvorsitzende.

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