Die Wahrheit: Pralle Leben, im Osten eben
Unsereins scheint pausenlos auf Achse zu sein. Der Weltläufigkeit halber postieren wir die folgende Begegnung am Saum der Bundesstraße 1, irgendwo zwischen Aachen und Kaliningrad...
...Irgendwo? Na-hein und mitnichten! Weckerling und ich flezten uns vor dem Eiscafé Karpe in der beschaulichen Ortschaft Eichenbarleben zwischen Erxleben und Irxleben. Wer so im Leben weilt, stellt jene klassische Frage gelassen: Tod, wo ist dein Stachel?
Zunächst aber ist eine weitaus härtere Nuss im frühherbstlich durchsonnten Raume zu knacken: Wie und warum trafen sich Weckerling und ich ausgerechnet inmitten der Magdeburger Börde? Nun, mich hatte meine ferrarirote Gefährtin, eine 125er Vespa, auf der herkulischen Fahrt entlang der B 1 von Hameln nach Berlin um Rast gebeten.
Wie es sich geziemt, ist mir der 30 Jahre jungen Lady Wunsch ein Befehl. Weckerling seinerseits verdingt sich mitunter als Eulenspiegel-Darsteller für die Touristen in Schöppenstedt und Kneitlingen. Trotz der Entfernung meinte Weckerling dank seiner bisweilen kölnischen Frohnatur, sich die Anreise per Taxi gönnen zu können.
Den zweiten Krokantbecher vertilgend setzte er die geografische Betrachtung fort: "Tja, hier tobt also Leben herum. Eines in Erx, ein anderes in Irx. Außerdem verläuft die historische Allee durch Morsleben, Alleringersleben, Eimersleben; und Eilsleben, Tundersleben, Uhrsleben, Dreileben, Siegersleben und so weiter sind von der Strecke aus quasi zu grüßen.
Dem entgegen sprechen nackte Zahlen. Ununterbrochen entfliehen etliche Bewohner dieses Bundesland, wandern aus. Eines nicht allzu fernen Tages wird Sachsen-Anhalt einer Wüstenei gleichen."
Die Lady mahnte indessen zum Aufbruch, um über Magdeburg, Burg und Brandenburg so gemächlich wie strikt in die Hauptstadt zu knattern. Es erwartete uns noch ein beträchtliches Stück des Weges. Vage Unruhe drängte mich, Zuversicht auszustrahlen. Denn eine der Erleuchtungen lautete gerade: "Es wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden." Braunschweig lag gottlob hinter uns. Was gibts da zu verstehen?
Westwärts rollten drei Harleys vorüber, und ich wollte nun etwas Erbauliches vorschlagen, sagte: "Dieses Bundesland sollte eine der lebensgesättigten Ortschaften umbenennen, wodurch sie in den Registern sämtlicher Atlanten an prominenter Stelle, Guiness-Buch-artig eingetragen wäre: Ganz hinten!
Da die Letzten die Ersten sein werden: weit vorne. Wie wäre es mit dem Namen Zworxleben?" Weckerling sinnierte und sagte: "Nein, das reicht nicht. Um den Schlusspunkt zu erobern, nennen wir die Ortschaft Zyxleben. Dem dürfte sogar kein polnisches Städtchen den Rang bestreiten. Zyxleben. Das nehmen wir, zumal die Styx drinsteckt."
Ich stimmte zu. Grübelte kurz noch paar Kilometer später, etwa zwischen Dunkelforth und Wust, ob man konsequent handeln und "Zyxtod" draus schmieden müsse. Nein! Viel zu oft mischt sich der Sensenmann ein. Zyxleben, so wirds getauft. Und wir werden zu Ehrenbürgern. Hölle, wo ist dein Sieg?
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