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Ukrainischer Schachmeister in BrasilienPistole auf der Brust

Schock für Wassyl Iwantschuk bei den Schach-Masters in São Paulo: In der Halbzeit des Finales wird der Ukrainer ausgeraubt - doch das stachelt ihn nur an.

Genial, aber kauzig: der Ukrainer Wassyl Iwantschuk. Bild: ap

BERLIN/BILBAO taz | Dass Raubzüge gefährlich sein können, wusste Wassyl Iwantschuk zumindest vom Schachbrett. Wer gierig einen feindlichen Bauern stiehlt, gerät schon mal mit seiner Dame in Bedrängnis. Dass das auch abseits der 64 Felder gilt, musste der Großmeister in São Paulo erfahren. Zur Halbzeit des Masters-Finales wurde der Ukrainer in der brasilianischen Metropole mit vorgehaltener Pistole ausgeplündert. Unter Schock erwog Iwantschuk den Abbruch des Turniers, flog dann aber trotzdem nach Bilbao und baute gleich seine Führung beim Masters aus.

Die Gauner hatten wohl vermutet, dass sich in den zwei Koffern des Weltranglistensiebten schon das üppige sechsstellige Preisgeld befindet, das Iwantschuk gewinnen könnte. Doch die Halunken erbeuteten kaum Wertvolles; nur den Reisepass von Oxana Iwantschuk, der Frau des Denksportlers, vermissten die Opfer. Ohne Visum musste seine Gattin zurück nach Lwiw reisen, während Iwantschuk verspätet nach Spanien übersetzte. Seinen Groll bekam Hikaru Nakamura zu spüren. Der Liebling der Fans agierte kaum weniger gewalttätig als seine Peiniger in Brasilien: Mit Wut im Bauch attackierte Iwantschuk mit wuchtigen Schlägen den Königsflügel des US-Amerikaners.

Leben in Extremen

Typisch dann, dass der aufgekratzte 42-Jährige anschließend im Kulturzentrum Alhondiga gegen das spanische Schlusslicht Francisco Vallejo Pons unterlag. Iwantschuk, der ehemalige Europameister und Vizeweltmeister von 2002, führt ein Leben in Extremen. Für ihn gibt es kein Dazwischen, keine Grauschattierung. Mal gewinnt Iwantschuk Topturniere im großen Stil und verliert beim nächsten die erste Partie, dann seine Lust und wird schließlich abgeschlagen Letzter. Deshalb stürzte der frühere Remagener Bundesligaspieler 2009 auf Platz 30 der Weltrangliste ab, nachdem er ein Jahr zuvor rechnerisch für drei Tage ganz vorne gelegen hatte. "Wo ich stehe, hängt allein von meiner Form ab", sagt er.

Dem Kauz hilft nach Niederlagen seine eigene Therapie: "Manchmal liebe ich es, einfach in einem dunklen Raum zu sein und mich zu erholen. Das ist aber ein wichtiger Unterschied: Nicht im Bett zu liegen, sondern auf einem Stuhl zu sitzen. Dabei erhole ich mich wirklich gut." Vor den beiden letzten Runden in Bilbao muss Iwantschuk jedoch im sichereren Hotel keine Gardinen zuziehen. Dank der Dreipunktewertung führt der Ukrainer nach acht Partien mit 14 Zählern. Während die Rivalen häufig remisieren, setzte sich der wechselhafte Spitzenreiter mit vier Siegen und zwei Niederlagen ab.

Nach herkömmlicher Rechenweise mit halben und ganzen Punkten läge Magnus Carlsen knapp dahinter. So muss der Weltranglistenerste aus Norwegen ebenso wie Nakamura (beide 11) auf Aussetzer des Führenden hoffen. Weltmeister Viswanathan Anand und der Berliner Lewon Aronjan haben keine Chance mehr. Der Inder und der Armenier folgen mit neun beziehungsweise acht Punkten überraschend deutlich abgeschlagen.

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1 Kommentar

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  • J
    Jürgen

    Warum gibt es eigentlich keine Schach-Ecke in der online-taz?