Kolumne Bio: Sex und Crime in der Hauptstadt
Wenn Frank Henkel Berliner Innensenator wird, kann die Junge Union endlich aufhören, Autos anzuzünden.
E isregen! Der Petersilie auf dem Outdoor-Fenstersims kann das nicht guttun. Würde sie binnen einer Nacht glasiert werden, genau wie Schily?
Der Blick aufs Smartphone zeigt: acht Grad. Also praktisch null. In ein paar Tagen werden die Chilipflanze Schily und der Thymian in ihr Winterquartier umziehen müssen. Schily habe ich schon seit letzten Sommer, als ich ihn gemeinsam mit drei Tomatenpflanzen in einem Blumenkasten zum Hof auswilderte. Das Vierergespann benannte ich nach den RAF-Anwälten, die dritte Tomate hieß Ulrike Meinhof.
Im Jahr davor hatte L. die Tomaten nach grünen Spitzenpolitikern benannt - Renate, Jürgen, Claudia und Cem. Das fanden alle lustig. Mit den RAF-Anwälten hingegen wurde keiner warm. Zum Glück starb das politisch unkorrekte Tomatenkollektiv schnell, Problem erledigt.
ist Autorin der taz.
Schily trägt derweil rote Schärfekissen an seinem hageren Stamm und zittert auf der anderen Seite des Fensters in der Kälte. Der Berliner Sommer dauert vom Ersten Mai bis dann, wenn es vorbei ist.
Und überhaupt: Er war groß! Auch mit Gummistiefeln und Regenjacke kann man sich schön anziehen. Unvergessen das Fusion-Musikfestival in Mecklenburg-Vorpommern. NDR: "Die schlimmsten Regenfälle seit Jahrzehnten." Regenrekord, Yeah! Und auch ansonsten. Bei unserem Kurztrip nach Kaschubien ("Ostpreußen") hatten W. und ich die Sonne gepachtet. Der Regen, das sind immer die anderen, sagten die Pfützen auf der Straße.
Nun, am Fenster, also nicht Regen, sondern gefühlter Eisregen. Zugvögel. Der Berliner Sommer ist vorbei. Vorbei auch der letzte Wahlkampf des Jahres. Für unbeteiligte Gäste aus der Zuschauerloge wie mich Popcorn pur. Autobrennerdebatte, Drogenpolitik, Piraten. Dass der lustige Wowibär wegen einer Autobahn lieber mit der CDU in die Kiste springt, muss Berlin nicht verstehen, verheißt jedoch weitere Affären im Bereich Baukorruption und Innenpolitik. Schwarz-Rot in Berlin - das ist Sex und Crime! Von wegen arm und unsexy, man muss die Berliner CDU lieben lernen. Spätestens am Ersten Mai werden wir sehen, wie Innensenator Henkel aufräumt. Gegen brennende Autos muss er ja nichts mehr tun, die Junge Union kann jetzt aufhören, die anzuzünden, man ist ja jetzt in der Regierung.
Ich bekomme E-Mails von der Tomatenbenennerin L. Sie motiviert mich, ins Wendland zu kommen. Norbert Röttgen will Gorleben zum Endlager machen. Das geht ja wirklich nicht. Protest dagegen ist alternativlos. Berichterstattung über den Protest auch. Und ich würde auch gerne mal durch den Wald wandern und im Zwielicht auf eine 5.000 Menschen starke Schienenblockade treffen.
Der späte Castortermin wird den alljährlichen Wendlandurlaub sicherlich zu einem besonderen Erlebnis machen. Zelten bei Raureif! Noch mehr Minusgrade! Vielleicht Eisregen. Nächte im Wald. Die Asphaltstraße vor dem Zwischenlager. Wenn dann nach etwa drei Tagen der Akku leer ist, weiß man wieder, was wirklich wichtig ist: warmes Essen, Kakao, Freunde - und ein Zimmer mit Heizung und Bett.
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