Obdachlosen-Politik: Zahlenspiele fürs Klo

Die veranschlagten Kosten für das geplante Toilettenhaus an der Kersten-Miles-Brücke könnten sich als Luftnummer erweisen. Denn der Bau scheint überdimensioniert zu sein.

In den Augen aufgebrachter Bürger droht ein solcher Luxusabort für die Obdachlosen. : dpa

HAMBURG taz | In der Diskussion um das geplante Toilettenhaus an der Kersten-Miles-Brücke sind Zweifel an der Höhe der bislang veranschlagten Kosten aufgekommen. Das Haus war eine der Ideen, die ein runder Tisch entwickelt hatte, um das Miteinander von Anwohnern, Touristen und Obdachlosen zu entspannen. Der Leiter des Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber (SPD), hatte für ein Toilettenhaus mit 14 Kabinen die Summe von 500.000 Euro genannt.

Dieser Preis war ihm auf Anfrage in einem Bericht der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) genannt worden, die für öffentliche Toiletten in der Stadt zuständig ist. Daraufhin war in verschiedenen Medien mit Überschriften wie "Luxusklo für Obdachlose" eine Debatte um die Angemessenheit der Ausgabe geführt worden. Das Bauressort hatte in seinem Gutachten jedoch darauf verwiesen, dass der Bau überdimensioniert sei, was Amtschef Schreiber dem runden Tisch aber nicht weitergegeben hatte.

Dazu sagt der Sprecher des Bezirksamts, Lars Schmidt-von Koss, dass es die gemeinsame Vorstellung des runden Tischs gewesen sei, ein festes Haus statt einer Dixi-Toilette zu errichten, die sofort umgeworfen würde. Man sei davon ausgegangen, dass die als öffentliche Toilette gedachte Anlage eine ganze "Busladung" von Touristen ohne lange Wartezeit versorgen müsse. Der Einwand der Baubehörde, dass das Haus überdimensioniert sei, sei zudem durch die Anmerkung relativiert worden, dass sich die Existenz einer solche Anlage schnell herumsprechen und damit für mehr Gäste sorgen würde.

Laut Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) ist die Helgoländer Allee, über die die Kersten-Miles-Brücke führt, eine "touristische Hauptachse".

2010 beschließt die Bezirksversammlung, den historischen Zustand der Brücke wiederherzustellen. Das Bezirksamt spricht von Klagen von Anwohnern und Touristen über die Vermüllung des angrenzenden Parks, zudem habe es eine Vergewaltigung und einen Totschlag unter den Obdachlosen gegeben.

Im August 2010 wird für 100.000 Euro umgebaut, unter anderem legt man Pflaster, in das Felsbrocken eingearbeitet sind.

Am 19. September wird ein 2,80 Meter hoher Stahlzaun errichtet, der die Fläche abriegelt.

Am 1. Oktober wird der Zaun nach Protesten wieder abgebaut.

Nach einem Bericht des Straßenmagazins Hinz&Kunzt sind die genannten Zahlen fragwürdig. Die Kosten für ein Toilettenhaus dieser Größe veranschlagt der Marktführer Hering Bau demnach mit 300.000 Euro plus Mehrwertsteuer. Bedeutsamer noch erscheint der Einwand, dass unter der Kersten-Miles Brücke ohnehin kein Platz für eine Toilette dieser Größe sei, sondern lediglich für eine Ein-bis-zwei-Zellen-Toilette, deren Kosten laut Hinz&Kunzt bei 30.000 bis 90.000 Euro liegen würden.

Wer die übernehmen würde, war in der Vergangenheit strittig. Der Bezirk Mitte hatte nachdrücklich darauf verwiesen, keine Mittel dafür zur Verfügung zu haben. "Wir konnten uns nur den Zaun leisten", sagt Amtssprecher Schmidt-von Koss. Den hatte der Bezirk Ende September für 18.000 Euro aufstellen lassen, um die Obdachlosen unter der Kersten-Miles-Brücke zu vertreiben. Nach Demonstrationen und heftigen Protesten der Opposition war der Zaun nach knapp zwei Wochen wieder abgebaut worden. Im Anschluss suchte ein runder Tisch aus Vertretern von Bezirksamt, Sozialbehörde, Polizei, Diakonischem Werk und einem Vertreter von Hinz&Kunzt nach Lösungen für ein besseres Miteinander an der Brücke. Neben dem Toilettenbau verständigte man sich auf ein Regelwerk zu den Themen Sauberkeit und Ruhestörung. Ein Team mobiler Sozialarbeiter soll Kontakt zu allen betroffenen Gruppen pflegen.

Inzwischen ist die Federführung für das Projekt an das Sozialressort übergegangen, da es dabei um den Umgang mit Obdachlosen gehe, so die Sprecherin der Behörde. Genaueres zum Konzept soll erst am 1. November zu erfahren sein, wenn die Sozialbehörde ihr Winternotprogramm vorstellt.

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