die wahrheit: Kristallkugelkucken mit Madame Horx

Was heute so alles als Beruf durchgeht: "Trendforscher"! Oder "Zukunftsforscher"! Weiß jemand, welche Qualifikationen man für ein solches Beschäftigungssurrogat braucht? ...

Was heute so alles als Beruf durchgeht: "Trendforscher"! Oder "Zukunftsforscher"! Weiß jemand, welche Qualifikationen man für ein solches Beschäftigungssurrogat braucht? Fragen wir doch einfach mal den penetrantesten Vertreter der Zukunftszunft, Matthias Horx: "Der Zukunftsforscher muss sich im Prinzip in allen wichtigen Disziplinen auskennen.

Er muss wahnsinnig viele Bücher, Zeitschriften und Studien lesen. Er sollte über die wichtigsten und aktuellsten Erkenntnisse der Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften auf dem neuesten Stand sein. Er sollte die wichtigsten Philosophen, Ökonomen und Intellektuellen kennen und über ein tiefes Verständnis der Menschheitsgeschichte verfügen." Kurzum: Er muss ein Universalgelehrter sein.

Ja, warum erfahre ich das jetzt erst? Das ist der ideale Job für mich! Schließlich habe ich zwischen 1987 und … äh … irgendwann in den Neunzigern im beschaulichen Hildesheim "Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis" studiert. Damals nannte sich der Studiengang noch demütig "Kulturpädagogik", inhaltlich korrekt wäre allerdings gewesen: Kulturgeneralismus.

Wir mussten das ganze Feld beackern oder, um mit Helmut Schmidt zu sprechen, "die ganze Scheiße": Literatur, Theater, Musik, bildende Kunst, Film, Ikebana, Serviettentechnik - in allen Varianten, U und E, Pop und Klassik, dead or alive. Internet hatten wir damals noch nicht, soweit ich mich erinnere, wurde das aber später von uns erfunden.

Dazu studierten wir noch Philosophie, Soziologie, Politik, Psychologie, Botanik und Kernphysik. Okay, das mit den Naturwissenschaften stimmt nicht. Aber das kann man ja nachholen. Ein paar Folgen "Wissen macht Ah" und schon ist man auf dem Laufenden.

Wobei es beim Trendforschen laut Matze Horx dann doch weniger aufs Wissen ankommt: "Trendforschung handelt von sozialen, kulturellen, ästhetischen Wandlungsprozessen, die in der Gegenwart stattfinden. Um sie zu erkennen, sind Fähigkeiten wie Sensibilität und Fingerspitzengefühl gefragt, da zählt auch das ,Bauchgefühl', aber man muss es trainieren."

Das Bauchgefühl? Trainieren? Vielleicht durch morgendliche Sit-ups? Egal, jetzt noch mal ganz deutlich: Man beobachtet also, was so passiert, und wenn viele was Neues machen, isses ein Trend. Wenn man diese Erkenntnis ins Verhältnis zum Vortragshonorar eines Trendforschers setzt - solche Leute werden ja auch gerne zu Wirtschaftskongressen eingeladen -, dann lässt sich ein klarer gesellschaftlicher Trend zum Sichfreudigverarschenlassen erkennen. Das Geld sei den Trendschamanen aber gegönnt, es wäre nur schön, wenn sie es leise verdienen könnten. Still. Ohne andere zu belästigen.

Noch eine Frage zum Abschluss: Ist es Zufall, dass der Name "Horx" im westfälischen und küstennorddeutschen Zungenschlag wie "Hoax" klingt? Klar, ich weiß, dass man das englische Wort "hoax" wiederum ganz anders ausspricht, aber mein Waschbrettbauchgefühl sagt mir da irgendwas …

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kari

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