Die Wahrheit: Irrster unter Irren

Es gibt viele Möglichkeiten, ein Fußballspiel live zu erleben. Am einfachsten ist es, sich ein Ticket zu kaufen ...

Manchmal ist das aber nicht möglich, weil das Spiel ausverkauft und der Schwarzmarktpreis zu hoch ist. Mein Bekannter Peter war neulich mit Bus und Bahn von Dublin nach Tallinn gefahren, wo Irland im Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2012 gegen Estland antreten musste.

Er hatte keine Eintrittskarte. So trieb er sich eine Weile in einer Kneipe herum, wo sich die irischen Fans vor dem Spiel trafen, und hoffte, dass ein irischer Funktionär mit ein paar überschüssigen Tickets vorbeikommen würde. Der tauchte zwar tatsächlich auf, hatte aber nur zehn Karten, die er verloste. Peter zog eine Niete. Doch vor dem Wirtshaus entdeckte er einen unverschlossenen Reisebus, der mit der irischen Fahne dekoriert war. Er setzte sich in die letzte Reihe und wartete ab. Schließlich füllte sich der Bus und fuhr ins Stadion.

Es stellte sich heraus, dass der irische Multimillionär Denis OBrien den Bus gemietet hatte. Grundstein für dessen Vermögen war eine Handy-Lizenz, die er sich durch Bestechung gesichert hatte. OBrien, der einen Teil des Gehalts des irischen Nationaltrainers Giovanni Trapattoni zahlt, hatte eine Loge im A.-Le-Coq-Stadion gemietet. Da der Kontrolleur nicht darauf achtete, ob die Anzahl der Tickets mit der Anzahl der Personen übereinstimmte, gelangte Peter in die Loge und kam in den Genuss von Freibier und Häppchen. Es hätte ein schöner Abend werden können, wenn Peter Nichtraucher gewesen wäre. So aber trat er noch vor der Halbzeitpause vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen, und kam danach nicht wieder ins Stadion, weil er keine Eintrittskarte hatte.

Ein Conor Cunningham aus Cork machte es geschickter. Der 27-Jährige hatte sich durch den Medieneingang ins Stadion geschlichen. Als er einen Kontrolleur nahen sah, verdrückte er sich durch die erstbeste Tür. Die führte in einen Lagerraum, wo Trainingsanzüge der estnischen Nationalmannschaft sowie ein Netz mit Fußbällen hingen. Cunningham zog sich einen der Trainingsanzüge an, schnappte sich die Fußbälle und setzte sich auf die estnische Reservebank neben den Trainer Tarmo Rüütli. Der hielt ihn offenbar für den Zeugwart, und eine Weile ging alles gut. Schließlich bat man ihn jedoch, sich hinter der Bank auf die Tribüne zu setzen - auf einen der besten Plätze im gesamten Stadion.

Cunningham wäre vor Freude fast geplatzt, als die Iren vier Tore schossen, musste aber stets eine traurige Miene aufsetzen, um nicht aufzufliegen. Nach dem Schlusspfiff gab es aber kein Halten mehr. Cunningham stürmte auf das Spielfeld, um mit den irischen Spielern zu feiern. Die wirkten zunächst etwas verstört, als der kahlköpfige Mann im estnischen Trainingsanzug auf sie zurannte. "Es ist okay", schrie Cunningham, "ich komme aus Cork." Da Cork die höchste Dichte von Verrückten in Irland hat, waren die Spieler nun erst recht verstört und flüchteten in die Kabine. Cunningham aber wird daheim seitdem als Irrster unter den Irren gefeiert.

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kari

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