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Kolumne Älter werdenDie Wiederkehr der Schweinewölfe

Hört das denn nie auf? Nein, nie! Eine Blutspur geht durch Deutschland, und da müssen wir jetzt durch (letztmalig mit Degenhardt!).

D as ist das Jahr der Schweine, und das wird lang, liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus, (undogmatisch) links. Es zieht durch unsere Städte dieser Schweinegestank: "Hurra, hurra, die Nazis, die sind da" (treuherzige deutsche Schlachtenbummler bei Auswärtsspielen der Nationalmannschaft)! Fankultur überall. Tatsächlich zieht sich eine Blutspur durch Deutschland - von Ost nach West, von West nach Ost und bis nach Polen. Hört das denn nie auf!? Nein, nie!

Denn hier im Innern des Landes leben sie noch nach den alten Sitten und alten Gebräuchen, kaum dezimiert durch Kriege und Seuchen. Sie wollen mal wieder den Stall ausmisten und hassen Migranten und Antifaschisten. Mir schlägt das Brüllen dieser Leute auf den Magen, die sich "humbatäterä!!" auf die Schenkel schlagen. Wie oft hat man SIE eigentlich schon totgesagt, die Schinkenspeckgesichter, die Zehntel Skat mit Hirschbock spielen, wo man gierig Geld in seine Taschen wischt!? Darüber jedenfalls haben SIE immer herzlich gelacht.

Doch wenn ein Chef kommt: tiefer bücken. Bei IHRER Suche nach denen, die angeblich schuldig sind an all dem Unglück in der Welt, führt vor allem im Osten der Schulze wieder den Haufe an. Da kommt kein Fremder (ob mit oder ohne Hinkefuß) die Böschung mehr hoch, um sich in seinen Wagen (schnell und rot) zu retten.

privat

Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

Und was sagen Sie von "My Generation" dazu? Verdammt, wir leben doch heute!? Ja, gewiss - aber so sind hier die Leute! Die alten Zeiten sind halt längst noch nicht vorbei. Wer neun "Fremde" und eine Polizistin verbrennt, kriegt seinen Ehrensold dafür heute allerdings vom Verfassungsschutz. Die Erde riecht weiter brandig, aber (fast) alle schauen weg und fressen ruhig weiter.

Im Chor und Marschtakt lachen

Denn vom Himmel fällt noch Wasser und die Sonne ist noch weit … Vergeblich warnt August der Schäfer vor den Wölfen, die wieder das Fraßlied heulen. Doch wer hört schon auf einen alten Hut … und ist auf der Hut!? Zirka zehn dieser Biester hatte das Dorfhexenkind nachts im Steinbruch entdeckt, blutbefleckt und die Schnauzen im Wind. Und es wurde Herbst im Land, über Smog und Glasbauwand flog das erste braune Laub.

Schließ ich jetzt die Fensterläden, zapfe ein Kännchen Schnaps vom Fass und lass mir das MG bringen? Entsichere ich, wenn DIE in ihren bepissten Trainingshosen (Lumpenproletariat), den schwarzen Kapuzenpullovern (Freie Kameraden/NPD) und den Haiderschen Lodenröcken (REP/NPD) sich zur Feierabendzeit zusammenrotten, im Chor und Marschtakt lachen und ihre Kragen öffnen?

Lasse ich sie endlich raus, die rote Wut, deren Ausbruch wir alle bislang doch meistens vermieden haben!? Natürlich nicht. "Wir" sind zwar älter geworden, gewiss. Und müder auch. Aber nicht so wie DIE!! Doch irgendwas mach ich mal irgendwann?. Übrigens: Morgen früh, da dusche ich, turne und rasiere mich, so wie jeden Tag, und dann heißt es wieder: Life is fun!

Epilog: Ist das nun ER in dem treibenden Kahn? Sein hoher Hut mit dem rostroten Band? Und seine Sense, die da so blinkt, und seine bleiweiße Knochenhand … treiben, gleiten, treiben. Fränzken! Du fehlst!

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12 Kommentare

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  • CL
    Cordula Lippke

    Seit einem Jahr fehlt dieser Kolumnist auf Erden und liest nun vielleicht seine charmant bissigen Texte zum Harfenspiel dem Petrus vor - der wirft sich weg vor Lachen (nein nein, nicht böse gemeint) über die Menschlein, die immer wieder ihre Schäfchen ins Trockene bringen, während es von hinten schon wieder reinregnet ...aber auf den Klingelschmitt wollten sie ja nicht hören. Dabei heisst er schon so: da klingelt's doch in den Öhren! Jetzt nicht mehr.

  • DP
    Daniel Preissler

    @reblek

     

    "tragisch" ist das übrigens nicht. Tragisch sind andere Dinge und in erster Linie Theaterstücke.

    Semantische Korrektheit ist aber gerade nicht das Thema.

  • UK
    Ulrike Kudrass

    Ohne die Kolumnen von Klaus-Peter Klingelschmitt fühlt sich die Welt ärmer an.

  • R
    reblek

    @ ilmtalkelly: "Überlest bitte meinen letzten Kommentar.Ich stand scheinbar auf der Leitung." - Wenn nur "scheinbar", dann wäre es ja nicht tragisch, denn "scheinbar" bedeutet: "Es sieht nur so aus, als ob..." Tatsächlich ist aber "anscheinend" gemeint: "Es sieht ganz so aus, als ob..." Aber wer kennt den Unterschied schon?

  • V
    vic

    Und du, Klaus-Peter, du fehlst auch.

  • I
    ilmtalkelly

    Überlest bitte meinen letzten Kommentar.Ich stand scheinbar auf der Leitung.

    Jetzt sind wirklich andere am Zug.

  • M
    Mirko

    Die Menschlichkeit mit aufrechtem Gang vorhertragen. Selten, heutzutage.

     

    Bitte nach dem Turnen weiterschreiben nicht vergessen, wie jeden Tag, dankeschön!!

  • T
    Toby

    o.k., das war besser, als die beiden offiziellen Nachrufe auf Degenhardt in diesem Blatt.

  • G
    Gutmensch

    Danke. Was für ein wunderbarer Nachruf auf Väterchen Franz, den versoffnen Chronisten!

  • I
    ilmtalkelly

    Herr Klingelschmitt, ich liebe ihrer Kolumnen. Was mich dann doch etwas befremdet, ist der verstaubt latente Unterton des Schmerzes über den Verlust des Erkämpften. Generation 50+ muss akzeptieren, dass nichts ewig gilt und immer von Neuen erstritten werden muss. Nur nicht mehr von Gen. 50+ (von Ausnahmen abgesehen). Die diesen Packen weiter tragen, stehen längst bereit und sie werden es brachialer tun müssen, als die vor ihnen. Wunden lecken brauchen wir nicht. Mut machen schon.

    Mobilisieren Sie Menschen unter ihren Alters, darüber hat man sich zu oft eingerichtet. Auch mit seinen Klagen.

    Der Weg ist das Ziel !

  • R
    ron

    selten einen so guten artikel in der taz gelesen.wow!danke

  • D
    dasdome

    ..diesmal sind wir Jäger,

    in die falle tappt jetzt ihr ,

    ich blaß euch hallali,

    in die Falle tappt jetzt ihr...

     

    danke KPK,