Bayer Leverkusen im Aufwind: Auf Rang sechs gerumpelt
Nach miserablem Saisonbeginn stimmen bei Bayer Leverkusen nun die Ergebnisse. Vom schönen Stil früherer Tage ist unter Trainer Robin Dutt nichts mehr zu sehen.
LEVERKUSEN taz | In der Adventszeit ist Robin Dutt in festliche Stimmung geraten. Vor der Bundesliga-Begegnung gegen Hannover 96 (Samstag, 18.30 Uhr) hielt der sonst so nüchterne Trainer von Bayer 04 Leverkusen jedenfalls plötzlich eine Feierrede, in der er die Qualitäten seiner Mannschaft mit Inbrunst pries. "Es ist beeindruckend", hob der 46-Jährige an, "wie die Jungs im vergangenen halben Jahr gearbeitet haben." Die Mentalität dieser Spieler sei klasse: "Diese Spieler beweisen fantastischen Teamgeist und einen großartigen Charakter."
In der geschönten Bilanz seiner ersten Monate mit Leverkusen fehlen allerlei Details. Die Wirklichkeit hinter der Dutt-schen Lobrede sieht so aus: Der Trainer hat mit Bayer 04 als Vorrundenzweiter das Achtelfinale der Champions League erreicht und sich in der Bundesliga auf Rang sechs vorgerumpelt. Das ist unter den gegebenen Umständen ein ordentliches Ergebnis, aber auch nicht mehr.
Ursprünglich wollte der ehrgeizige Schwabe mit Bayer 04 viel höher fliegen. Als Dutt im Sommer aus Freiburg kam, sprach er davon, dass er der braven Werkself eine nie gekannte Siegermentalität verpassen wolle. Zudem strebte er ein besseres Resultat an als sein Vorgänger Jupp Heynckes, der seine letzte Saison mit Bayer 04 auf Rang zwei abgeschlossen hatte.
Seine Träume musste Dutt schnell aufgeben. Am Anfang lief es überhaupt nicht, schlimmster Ausrutscher war ein 1:4, das Leverkusen Mitte September gegen den Erbfeind 1. FC Köln kassierte. Seine Mannschaft hatte damals weder Wettkampfhärte noch Nervenstärke und ließ sich ganz leicht auskontern. Dutt reagierte störrisch auf Kritik, er belehrte das Fußballvolk gern mit kryptischen Taktikdiskursen, in denen Ausdrücke wie "abkippende Sechser im Halbfeld" vorkamen. Schließlich war er der beste Absolvent seines Trainerlehrgangs an der Kölner Sporthochschule im Jahr 2005.
Der ruppige Herr Dutt
Es gab etliche Spieler, die mit der ruppigen Art des Trainers Probleme hatten. Der Übergang war schwierig. Sie waren vorher zwei Jahre lang von Spieler-Freund Heynckes verwöhnt worden. Sogar der liebe Bayer-Kapitän Simon Rolfes meuterte einmal ein wenig, weil ihn Dutt ohne Erklärung ausgewechselt hatte.
Und dann war da das ewige Ballack-Drama. Am Anfang wollte Dutt den ehemaligen Capitano nicht zusammen mit Rolfes im defensiven Mittelfeld einsetzen, sondern nur alternativ zu ihm. Michael Ballack hätte also regelmäßig die Bank drücken müssen – was der 35-Jährige bekanntlich gar nicht schätzt.
Doch dann wurde aus der Not eine salomonische Lösung geboren. Der Brasilianer Renato Augusto (23) verletzte sich im Oktober am Knie – und so wurde ein Platz im Mittelfeld frei, den sich Ballack erkämpfte. Er spielte zuletzt meist einen offensiven Part als hängende Spitze. Ballack ist zwar lange nicht so schnell wie Renato Augusto in Bestform, er schuftet jedoch mit aller Kraft für einen gelungenen Abschluss in Leverkusen.
Langsam stabilisierte sich das Team im Herbst. Dutt legte etwas von seiner Halsstarrigkeit ab, die Ergebnisse wurden besser. Höhepunkt war der 2:1-Sieg gegen den FC Chelsea. Was Bayer 04 unter Dutt jedoch völlig fehlt, ist der spielerische Glanz, den die Elf mit Heynckes geboten hatte. In Leverkusen wird nun auf dem Platz gerackert.
Dutts Erklärung: In Zeiten "verbesserter Defensivkonzepte" sei es nicht mehr so einfach, "mit Spielwitz allein Erfolg zu haben". Der Kölner Stadt-Anzeiger spottete: "Aus der Hochgeschwindigkeits-Passmaschine ist ein Ballschlepper-Unternehmen geworden, das mit hohem physischem Aufwand einen Matthäus-haften Ball-am-Fuß-Stil arbeitet."
All diese Dinge ignorierte Dutt, als er resümierte: "Wenn wir die beiden noch ausstehenden Spiele am Samstag in Hannover und zu Hause gegen Nürnberg gewinnen, hätten wir eine richtig gute Vorrunde gespielt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite