EWE-Sponsoring: Busemanns Verstrickungen
Als CDU-Kultusminister ordnete Bernd Busemann Lehrer für das umstrittene "Sign"-Projekt ab, das von der EWE finanziert wurde - ein Millionengrab. Das konnte er nicht wissen. Aber es scheint ihn nicht zu interessieren.
HAMBURG taz | Als der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann Anfang Dezember vom NDR gefragt wurde, warum er als Kultusminister das mittlerweile heftig kritisierte Schulpräventionsprojekt "Sign" generös mit Lehrerstellen unterstützt habe, sagte der CDU-Mann: Der Oldenburger Energiekonzern EWE habe "Sign" mit mehreren Millionen Euro jährlich finanziert, da habe man nicht beiseite stehen wollen. Bildungspolitik nach dem Motto: Wo andere Geld raushauen, machen wir mit. Wird schon passen.
Zu dumm, dass das Projekt ein Millionengrab war. Die Geschäftsführerin der Agentur Prevent GmbH, die "Sign" an 116 Schulen durchführen sollte, hat offenbar Millionen am Projekt vorbeigeschleust. Ob mit oder ohne Wissen von EWE-Chef Werner Brinker, klärt derzeit die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen Brinker wegen Verdachts der Untreue und gegen Agentur-Chefin Claudia del Valle wegen Betrugsverdachts.
Das konnte Busemann damals, als er 2003 Kultusminister wurde, nicht wissen. Aber es scheint ihn auch nicht weiter interessiert zu haben. Auf die Frage, was die Agentur-Chefin - eine gelernte Reiseverkehrskauffrau - befähigt habe, Präventionsarbeit zu machen, antwortete Busemanns Sprecher lapidar, das müsse man del Valle schon selbst fragen. Gleichlautend hatte zuvor schon die Landesschulbehörde geantwortet - die nach eigener Auskunft "Sign" bis zu 3,5 Lehrerstellen überließ. Obwohl es 2007 von einem Schulleiter laute Klagen über "Sign" gab.
Das Projekt: Mit "Sign" sollten Schüler an 116 niedersächsischen Schulen für ein Leben ohne Gewalt und Drogen stark gemacht werden.
Finanziert wird es seit 2000 durch den Oldenburger Energiekonzern EWE, der jährlich mehrere Millionen an die Agentur Prevent zahlte, die das Projekt mit Lehrern und Angestellten durchführte. Die Landesschulbehörde unterstützte "Sign" mit Lehrern.
Der Schmu: Recherchen der taz ergaben, dass viel weniger "Sign"-Seminare veranstaltet wurden, als möglich gewesen wären. Einen Teil des Geldes schleuste die Agentur-Chefin an "Sign" vorbei. Möglicherweise mit Wissen der EWE. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Busemann scheint sich von EWE-Chef Brinker regelrecht bezirzt haben zu lassen. Kaum war er Minister, wurde das Stundenkontingent für "Sign" von acht auf 30 und dann auf 40 Stunden aufgestockt. 2006 dann sollte sich auf Geheiß von Agentur-Chefin del Valle Brinker an Busemann mit der Bitte wenden, einen bestimmten Lehrer noch schnell ins "Sign"-Projekt abzuordnen. Die Zeit war knapp, der Stellenplan kurz vor der Verabschiedung. Der damalige Leiter der Osnabrücker Abteilung der Landesschulbehörde, der heutige Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD), so schrieb del Valle an Brinker, wolle helfen, das könne er aber "nur mit einer Weisung aus dem Ministerbüro". Brinker nun möge Busemann anrufen, "damit die Weisung möglichst schnell vom Ministerbüro an Herrn Pistorius kommt". Weder EWE, noch das Ministerium oder die Agentur Prevent bestreiten, dass es zur Kontaktaufnahme durch Brinker kam - und die erfolgreich scheint: del Valle bekam ihren Lehrer zum 1. August 2006.
Es hat mehrere solcher Interventionen durch Brinker gegeben; später forderte er nach taz-Informationen via Busemann von der Landesschulbehörde zwei Vollzeitstellen, worauf der Minister offenbar wenigstens eine Vollzeitkraft abordnen ließ - erstmals bei "Sign". Busemanns Sprecher findet nichts dabei: "Das Land hat keine Agentur gefördert, sondern ein Präventionsprojekt in Schulen pädagogisch unterstützt und begleitet. Es ist kein Geld geflossen. Lehrerinnen und Lehrer haben im Interesse der Schülerinnen und Schüler ihre pädagogischen Qualifikationen für ein Konzept zur Gewalt- und Suchtprävention eingebracht."
Daran stimmt offenbar gleich mehreres nicht: Das Land zahlte ja die Lehrer weiter, nur waren die nun für del Valles GmbH tätig - und wurden dort, wie ehemalige "Sign"-Lehrer angaben, auch gerne mal abseits ihrer pädagogischen Expertise dafür genutzt, "Sign"-Rucksäcke oder -Schlüsselbänder zu verteilen. Del Valles Agentur stellte der EWE für Verteilaktionen um die 100 Euro pro Stunde in Rechnung. Da kamen bei Rucksäcken im Schuljahr 2003/04 schon mal 20.400 Euro zusammen. Auf die Frage, ob sie auch den Einsatz der bereits vom Land bezahlten Lehrer berechnet habe, wollte del Valle wegen der laufenden gerichtlichen Auseinandersetzung nichts sagen.
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