die wahrheit: Träumer und Treter
Wenn wir Spiegel Online nicht hätten! ...
... Wie fänden wir uns ohne Spiegel Online, diese gebenedeite Informationsquelle unter den Websites, in unserer so kugelrunden wie kugeldummen Welt zurecht? Wo bekämen wir die wahrlich relevanten Nachrichten zu Gesicht, mit deren Hilfe wir im Chaos der grunzgescheiten Gegenwart Orientierung zu gewinnen vermögen - wenn nicht auf Spiegel Online, diesem täglichen Wunder an journalistischer Sorgfalt und Differenzierung? Ja, benedeien und noch mal benedeien wollen wir Spiegel Online, zumal dafür, uns am 30. Dezember die Augen geöffnet und wortwörtlich und pfeilgerade gemeldet zu haben: "2012 wird ein Sportjahr."
Parbleu! Hut ab! Zum Wohle! Gott sei Dank! 2012 wird - ein Sportjahr. Na dann. Dann kann es ja wie gewohnt weitergehen und all der zu erwartende Schamott allgemach nach alter Sitte unverändert vor sich hinrumpeln - zumindest bis zum vom Mayakalender allerdings reichlich spät auf den 21. Dezember 2012 terminierten Untergang des Euro und der Weltwirtschaft, den die unwiderstehliche Fifa aber lässig überstehen wird. Auch das haben die ollen Mesoamerikaner prophezeit.
Die Hüter finanzkaufmännischer Wohlanständigkeit und fiskalischer Redlichkeit, unsere lieben Schweizer Nachbarn samt Weltbankpräsident Joseph Blatter, weissagen unterdessen in Sachen Sportjahr 2012 in Gestalt der Neuen Zürcher Zeitung: "Bayern München gewinnt nach einer Schiedsrichterfehlentscheidung die Champions League. Irgend jemand siegt am French Open."
Aha. Und - am French Open? Sagt man so am diamanten funkelnden Zürichsee zwischen dem aus Platin gegossenen Uetliberg und dem brokatbezogenen Zürichberg? Und woher wissen die Meineidgenossen, dass ihr größter Sohn, Sepp Blattgold, im November "des Amtes enthoben" und hernach weiß Gott stringent von keinem Geringeren als von Dr. iur. rer. pol. oec. und paed. Theo Zwanziger beerbt und der Fifa-Sau- und -Saftladen sodann in ein von Ehrenamtlichen geleitetes Institut zur Förderung interhumanitärer Gemeinnützigkeitsmaßnahmen umgewandelt wird?
Nun, eines ist gewiss: "Fußball ist Zukunft." Punkt. Das schreibt der scheidende Präsident Zwanziger auf der DFB-Website. Nur, da wir schon beim Fragen sind - welche Zukunft ist Fußball? Beziehungsweise, um Herrn Zwanziger sprachlich ein wenig auf den Gaul zu helfen: Welche Zukunft hat der Fußball? Übernimmt Wolfgang Niersbach am 2. März wirklich Theos rubinbesetztes Zepter, auf dass Ruhe im Karton in der Otto-Fleck-Schneise einkehre? Oder kommt doch Uli Hoeneß von hinten durch die kalte Küche, brüllt "Ätsch!" und plumpst auf den DFB-Thron?
Abwegig ist das keineswegs. Dieser Tage lobte Exbundestrainer Berti Vogts Theo Zwanzigers Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder dafür, dass jenem "nur wichtig" gewesen sei, "dass das Bier kalt und der Rotwein trocken war". Und welchen "Traum" gab zur selben Zeit Uli Hoeneß gegenüber der FAZ preis? "Ich könnte mir vorstellen, einen Biergarten aufzumachen und den Leuten das Bier zu servieren." Sind da nicht gewisse Parallelen erkennbar? Liegen da nicht Konsequenzen bierglasklar auf der Hand? Warum sollte Uli Hoeneß lediglich den Biergarten hinter der DFB-Zentrale bewirtschaften - anstatt des ganzen Schuppens?
Zweifellos, sportlich und sportpolitisch gesehen dürfte es gewaltig rauchen und brummen im Sport-, Spiel- und Spaßjahr 2012. Da die Maskottchen für die Olympischen Spiele in London, Wenlock und Mandeville, offenbar unter Zuhilfenahme psychoaktiver Substanzen entworfen wurden, lässt uns das, als Zeichen gedeutet, für all die Jux- und Gauklerauftritte all der hochintegeren Topathleten hoffen - insbesondere der deutschen Medaillengranaten oder eher -garanten in den traditionellen Hammerdisziplinen Diskus, Speer, Kugel und selbstverständlich Hammer. Diese unsere Hoffnungsträger können vorher, parallel zur Fußball-EM in Theo Zwanzigers Lieblingsurlaubsländern Polen und der Ukraine, und zwecks Evaluation leistungsförderlicher Spurenelemente noch eine Leichtathletik-Europameisterschaft in Helsinki runterrocken. Halleluja!
Yeah, das Sportjahr 2012 wird scheppern. "Ich glaube, dass die EM insgesamt ein Hammerturnier wird", meint Bundestrainer Joachim Löw. Und werfen wir einen abschließenden, die Sache zu- und den Sack rund machenden Blick voraus, so verhehlen wir nicht, uns wie Bolle auf die im August im finnischen Savonlinna stattfindende Mobile Phone Throwing World Championship zu freuen, auf die Moorschnorchel-WM in Wales und auf drei weitere Top-notch-Events im olympisch eben voll durchgebrutzelten Good ol England: auf die Brennnessel-Ess-WM, das Käserollen in der Grafschaft Gloucestershire und die Meisterschaft im Schienbeintreten.
Spiegel Online wird berichten, seien Sie sicher - mit Liveticker, Käsehäppchentombola und Schienbeinbruchwettquoten. Mann, wird das krass reinknallen!
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