US-Militär unter Sparzwang: Schluss mit Doppelschlag
Präsident Obama und sein Verteidigungsminister stellen die neue strategische Ausrichtung des Militärs vor. Auf Bodeninterventionen will man sich möglichst nicht mehr einlassen.
BERLIN taz | Konkrete Sparvorschläge wollten US-Präsident Barack Obama und sein Verteidigungsminister nicht vorstellen, als sie am Donnerstag zu einer gemeinsamen Pressekonferenz ins Pentagon luden. Vielmehr sollte es um die strategischen Überlegungen zur US-Verteidigungspolitik gehen, denen sich alle in den nächsten zehn Jahren anstehenden Kürzungsvorhaben unterzuordnen hätten. Gleichzeitig mit der Pressekonferenz veröffentlichte das Verteidigungsministerium ein 16-seitiges Leitlinien-Dokument.
Sechsmal hat sich Präsident Obama mit leitenden Beamten aus dem Pentagon getroffen, um strategische Fragen abzustimmen - das gilt als hoher Grad persönlichen Engagements, und genau das will Obama im Wahljahr mit dieser ersten Pressekonferenz eines Präsidenten im Pentagon wohl auch demonstrieren.
Wichtigste Änderung dabei: Die USA wollen von der seit vielen Jahren geltenden Maßgabe abrücken, das Militär müsse jederzeit in der Lage sein, zwei Kriege gleichzeitig zu führen. Genau genommen: Nach den Erfahrungen der langen Afghanistan- und Irakeinsätze will man eigentlich am liebsten überhaupt nicht mehr mit Bodentruppen irgendwo intervenieren, geschweige denn Aufgaben des "Nation Building" übernehmen, mit denen sich die USA in beiden Ländern überfordert gezeigt haben.
Offiziell heißt es allerdings, man müsse bereit sein, einen Krieg zu führen, die Antiterrormaßnahmen fortzusetzen und gleichzeitig irgendwo solche Maßnahmen durchführen zu können wie die Durchsetzung einer Flugverbotszone.
Um 450 Milliarden Dollar gekürzt
Der Reformdruck entsteht durch die derzeit beschlossenen Einsparungen: Bereits im letzten Frühjahr hatte die Regierung die Kürzung des Verteidigungshaushalts um 450 Milliarden US-Dollar binnen eines Jahrzehnts angekündigt. Und nachdem sich die aus Vertretern beider Kongressparteien bestehende Sparkommission nicht hatte einigen können, treten automatische Kürzungen in Kraft, die dem Pentagon weitere Einsparungen von 500 Milliarden Dollar in zehn Jahren ab 2013 auferlegen würden. Ob es dazu allerdings kommt, hängt vom Fortgang der parlamentarischen Haushaltsverhandlungen ab, letztlich auch von der Zusammensetzung von Kongress und Weißem Haus nach den Wahlen im November.
Insbesondere an der Zahl der Soldaten und Marines soll gespart werden. Vor einem Jahr hatte das Pentagon bereits angekündigt, ab 2015 bei den Marines 15.000 bis 20.000 und bei der Armee 27.000 Soldaten einzusparen. Derzeit stehen 565.000 Soldaten und 202.000 Marines unter Waffen, insgesamt knapp 50.000 mehr als noch 2007.
Im Wahljahr darf die Armee nicht zu stark streichen
Verteidigungsminister Leon Panetta geht einen Schritt weiter: US-Medienberichten zufolge hält er eine Armee aus 490.000 Soldaten für ausreichend, will diese Kürzungen aber schrittweise umsetzen, um in der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt keine Welle von Exsoldaten in die Arbeitslosigkeit zu entlassen - schon gar nicht im Wahljahr.
Darüber hinaus, so berichtet die New York Times, dürfte die Anschaffung des von Lookhead Martin gebauten neuen F35-Kampfflugzeuges um ein paar Jahre verschoben werden. Die Zahl der US-Flugzeugträger, so verlautet aus dem Weißen Haus, soll auf Betreiben des Präsidenten selbst nicht von elf auf zehn reduziert werden.
Dabei dürfte Obama auch die neue strategische Ausrichtung auf den asiatischen Raum im Kopf haben, die er selbst bei einem Besuch in Australien im vergangenen November angekündigt hatte. Zunächst 250, dann 2.500 US-Soldaten sollen in Australien stationiert werden, hatte Obama verkündet, um militärisch ein Gegenwicht zu China zu setzen.
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