Kritik am VfL Osnabrück: "Wir sind nicht Fans einer Firma"

In Osnabrück gründen Fans eine Vereinigung. Sie wollen den VfL revolutionieren und fordern Mitbestimmung, Transparenz und mehr Demokratie.

Verunsichert: VfL-Präsident Dirk Rasch. Bild: dpa

OSNABRÜCK taz | In einem mit dichtem Zigarettenrauch gefüllten Hinterzimmer einer Osnabrücker Szenekneipe sitzen sechs Männer zwischen 25 und 60 Jahren aufgereiht an zusammengestellten Tischen. Die Szene erinnert unweigerlich an Leonardo da Vincis Gemälde vom letzten Abendmahl. Doch das Sextett hängt nicht an Jesus, sondern am VfL Osnabrück.

Diesen Verein wollen sie revolutionieren, lautet das erklärte Ziel. Am Sonntag, 15. Januar, soll die Fanvereinigung "Nur für diesen Verein" (NfdV) gegründet werden. Ziel der Fans ist: Mitbestimmung, Transparenz und mehr Demokratie. Lange habe man in Osnabrück im Paradies gelebt, sagt Klaus-Peter Blaser, 56 Jahre, Projekt-Leiter. Der VfL spielte in einem Stadion, das mit modernen Event-Arenen nichts zu tun habe. Der Verein gerierte sich als große Familie.

Doch die Unzufriedenheit mit der Vereinsführung wuchs, sagt Friedrich Eversmeyer, genannt Finne, 55 Jahre, Getränkehändler. Erst sei aus einer ehemaligen Stehplatz-Tribüne eine neue Tribüne mit Sitzplätzen gebaut worden.

Dann wurden Pläne für einen "VIP-Tower" vorgestellt, einem Turm für betuchte Kunden, die die Struktur des klassischen Fußballstadions auf den Kopf gestellt hätten. Sie seien in die Bauvorhaben entgegen vorheriger Absprachen nicht involviert worden, kritisiert Kalla Wefel, 60 Jahre, Kabarettist. Er prangert zudem die Vetternwirtschaft im Verein an. Jüngstes Beispiel sei die für Juli geplante Versetzung des noch amtierenden Sportdirektors Lothar Gans in die Marketing-Abteilung des VfL. "Das Präsidium lebt nicht für den Verein, sondern von dem Verein", sagt Wefel.

Auch die mangelnde Kommunikationsfähigkeit der Vereinsvorderen und deren Gebaren auf den Jahreshauptversammlungen missfielen den Fans zunehmend. Die Jahreshauptversammlungen hätten Sitzungen des Politbüros geähnelt, sagt Finne. Jahrelange habe es keine Gegenstimmen gegeben, der Vorstand sei ohne Kritik entlastet worden, obwohl es angesichts sportlicher Misserfolge und finanzieller Ungereimtheiten Redebedarf gegeben hätte, so Finne weiter.

Schließlich entbrannte sich der Zorn der Fans an dem Plan, die Fußballabteilung des VfL in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern. "Wir sind Fans eines Vereins, nicht einer Firma", spricht Kalla Wefel den engagierten Fans aus dem Herzen.

Über ein Internet-Forum haben sich mehrere Anhänger zusammengefunden, um den Verein NfdV zu gründen. "Die NfdV-Gründung ist Mittel zum Zweck, um Strukturen zu schaffen", sagte Markus Schlosser, 31 Jahre, Finanzbeamter. Über das Organ solle der Weg der Fans in die Gremien des VfL-Vorstands geebnet werden. Dieser Weg ist momentan noch verbaut.

Durch die Satzung des Vereins ist festgelegt, wer Zugang zur Vereinsspitze erhält. Der Ehrenrat schlägt einen Kandidaten für den Präsidenten vor. Das Präsidium bestimmt jedoch die Mitglieder des Ehrenrats. Beim Wirtschaftsrat sind die Strukturen ähnlich. Der wird zwar von der Mitgliederversammlung gewählt, die Kandidaten werden aber vom Präsidium vorgeschlagen. Deshalb fordert der NfdV mehr Demokratie. "Ohne geht es nicht", sagt Daniel Dincher, 25 Jahre, BWL-Student.

Die Gründungsmitglieder des NfdV betonen, dass sie keine "Wut-Fans" analog zu den "Wut-Bürgern" seien. Sie wollen konstruktiv im Sinne des Vereins mitarbeiten, sagt Daniel Dincher. Das begrüßt der noch bis November 2012 amtierende VfL-Präsident Dirk Rasch.

Der 61-jährige Rasch wirkt verunsichert. Er wisse nicht, ob der Fußball durch die Kommerzialisierung auf einem sicheren Weg sei. Er habe aber das Gefühl, dass "diese jungen Leute" vom NfdV Verantwortung übernehmen wollen. Dies sei eine neue Qualität, sagt Rasch.

In der Vergangenheit habe der Vorstand stets Zustimmung auf den Jahreshauptversammlungen erhalten. "Es gab keine Gegenstimme", sagt Rasch. Der Vorstand habe das Mandat bekommen, die Dinge im Verein nach vorne zu bringen. Für Rasch bedeutet dies: Der VfL muss in die 2. Liga. Im Fußball gehe es um Geld, sagt Rasch. "Um nichts anderes." Er halte es für wichtig, die Fans in die Arbeit des Vereins mit einzubinden. Er stellt aber die klare Frage an den NfdV: "Akzeptiert ihr den kommerziellen Fußball?" Ohne ihn gebe es nach Ansicht Raschs keine Überlebenschance für den VfL in der 2. Liga.

"Der sportliche Erfolg ist zweitrangig. Hauptsache, der Verein geht an die Fans zurück", sagen Teile der NfdV'ler. Die damit geforderte Basis-Demokratie ist laut Rasch nicht machbar in einem Fußballverein: Es gebe Themen, die nicht mit der Basis kommuniziert werden könnten. "Sonst kann man nicht arbeiten."

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