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Geldanlage Fan-AnleihenTeure Liebeserklärung

Immer mehr Fußball-Klubs legen Anleihen auf. Die sind vor allem bei den Fans beliebt. Großinvestoren halten sich zurück: Der Erfolg ist zu schlecht zu kalkulieren.

Eine Anleihe des FC St. Pauli im Wert von 500 Euro. Bild: Screenshot: fcstpauli-anleihe.de/die-anleihe.html

BERLIN taz | Selten zeigten sich die beiden unterschiedlichen Hamburger Fußballwelten so deutlich, wie am Montag vor einer Woche. Während HSV-Vorstandschef Carl-Edgar Jarchow die Fortsetzung eines großbürgerlichen "Investoren-Modells" um Logistik-Milliardär Klaus-Michael-Kühne in Aussicht stellte, verkündete der FC St. Pauli, dass er weiterhin auf den kleinen Mann setzt, oder besser gesagt: auf die "FC St. Pauli-Anleihe 2011/2018".

Dabei kann jeder dem FC St. Pauli bis 2018 ein wenig Geld leihen, um dem Verein beim Umbau des Millerntorstadions und dem Ausbau des Trainingszentrums zu helfen. Anleihen gibt es im Wert von 100, 500 und 1.910 Euro. Bis 2018 bekommt man jedes Jahr 6 Prozent Zinsen und kann sich eine schicke Urkunde ins Wohnzimmer hängen, die den Besitzer als Geldgeber des FC St. Pauli adelt.

Nach etwas mehr als sechs Jahren kann das angelegte Geld wieder bei der Bank abgeholt werden. Für viele anscheinend ein unwiderstehliches Angebot. Zwar hatten auch Hertha BSC Berlin, Hansa Rostock und Alemannia Aachen in den letzten Jahren Anleihen platziert, so erfolgreich wie der ewige Kiezklub war aber keiner. Am 10. November 2011 gab der Verein Anleihen in Höhe von 6 Millionen Euro aus.

"Exzessive Nachfrage"

Nur vier Wochen später waren alle Anleihen vergriffen. Am Montag vor einer Woche wurden weitere 2 Millionen Euro ausgeschrieben. Diesmal dauerte es nur zwei Tage, bis genügend Anleger gefunden waren. St. Paulis kaufmännischer Geschäftsführer Michael Meeske spricht von einer "exzessiven Nachfrage". Nur Schalke 04 konnte mit 11 Millionen Euro bisher eine höhere Vereins-Anleihe aufnehmen.

Der Erfolg von Fußball-Anleihen ist aber keineswegs garantiert. St. Paulis Erzfeind Hansa Rostock hatte im Juli ebenfalls eine Anleihe platziert und im November erst 300.000 der angepeilten 5 Millionen Euro eingenommen. "Das Timing ist wichtig", meint Markus Kern, der als Projektleiter für die Schalke- und die St.-Pauli-Anleihe verantwortlich war.

Vereine, die sich ohnehin in einer schwierigen sportlichen und finanziellen Lage befinden, würden wahrscheinlich kein gutes Geschäft mit Anleihen machen. Der FC St. Pauli hingegen hat trotz des Abstiegs solide Finanzen. In der abgelaufenen Saison machte der Klub 5,3 Millionen Euro Gewinn. Ein neuer Rekord.

Viele Kleinstanleger

Meeske weiß, bei wem er sich für das viele frische Geld zu bedanken hat: "Wir gehen davon aus, dass fast ausschließlich Fans unsere Anleihe gezeichnet haben." Dafür spricht, dass pro Anleger im Schnitt "nur" 1.400 Euro gezeichnet wurden. Und selbst dieser statistische Durchschnitt liegt wohl deutlich über dem Betrag, den ein Großteil der Zeichner investiert hat.

"Über die Hälfte solcher Zeichner sind Kleinstanleger, die nur 100 oder 200 Euro investieren", schätzt Marcus Kern. Für Fans sind vor allem die vom Verein schick designten "Schmuckurkunden" interessant, auf denen der Schuldenbetrag von schicken Motiven eingerahmt wird. Solche Schmuckurkunden sind in den Zeiten von Onlinebanking und elektronischen Börsen eigentlich ähnlich zeitgemäß, wie Stoffpuppen von Alf.

Sonst kennt man diese Schuldscheine höchstens noch von verstaubten Dachböden in Hollywood-Filmen, wo sie von Kindern gefunden werden. Dank der Anleihen von Fußball-Klubs erleben sie jetzt eine Renaissance. Beim FC St. Pauli kann man jede der drei verschiedenen Schmuckurkunden wahlweise mit Totenkopf- oder Vereinsemblem-Aufdruck bekommen.

Ordentliche Rendite

Deshalb schlagen viele Fans womöglich gleich doppelt zu. "Ein Trikot gibt es jedes Jahr, aber die Anleihe vielleicht nur einmal im Leben", umschreibt Kern die Exklusivität der Schmuckanleihe als "Fanartikel". Natürlich kann man sich die Anleihen von Fußball-Klubs auch in ein schnödes elektronisches Wertpapierdepot bei der Bank stecken und auf die Schmuckurkunde verzichten.

Großinvestoren lassen anscheinend aber trotzdem die Finger von den Papieren - obwohl die Rendite mit 6 Prozent recht ordentlich ausfällt. Kapitalmarktexperten haben oftmals trotzdem kritisiert, dass die angebotene Verzinsung im Verhältnis zum Risiko zu niedrig ist. Schließlich ist sportlicher Erfolg nicht kalkulierbar und ein Abstieg dramatisch für die Finanzen eines Profivereins.

Als Alemannia Aachen im letzten Jahr vor der Insolvenz stand, wurde der Klub nur von einer 5,5-Millionen-Euro-Bürgschaft der Stadt Aachen gerettet. Sicherheiten, die der Klub auch brauchte, um die Rückzahlung der 2008 zur Finanzierung des neuen Stadions herausgegebenen "Tivoli-Anleihen" abzusichern. Eine sichere Anlage sieht anders aus.

Neues Geld für die Arminia

Doch Fans sehen in den Anleihen des eigenen Vereins weniger Finanzanlage denn emotionales Investment in den eigenen Verein. Das zeigt das Beispiel von Arminia Bielefeld. Als der damalige Erstligist 2006 fünfjährige Anleihen ausgab, um den Umbau des Stadions zu finanzieren, ahnte noch keiner, dass der Verein nach dem Ablauf der Anleihe als fast hoffnungslos überschuldeter Drittligist dastehen würde. Um die Insolvenz zu verhindern, flehte der Klub im Herbst seine Fans an, die auslaufenden Anleihen zu verlängern.

Über 40 Prozent der fast 2.500 Gläubiger folgten der Bitte und stundeten den Ostwestfalen die Schulden bis 2016. 86 verzichteten sogar komplett auf ausstehende Forderungen. Und damit nicht genug: Über 1.000 Menschen, fast ausschließlich Kleinanleger, zeichneten eine "Zukunfts-Anleihe" und gaben dem Verein damit neues Geld.

Und das, obwohl die Arminia im Herbst 2011 am unteren Tabellenende der dritten Liga dümpelte und kurz vor dem direkten Durchmarsch in die Viertklassigkeit stand. Arminias Geschäftsführer Marcus Uhlig nennt das Verhalten der Fans in der Krise "sehr wohlwollend".

St.Pauli des Ostens

Man könnte auch sagen: Das war weniger eine Finanzanlage, als vielmehr die ultimative Liebeserklärung der Fans an den eigenen Verein. Genauso gut hätten die Anleger ihr Geld auf dem Höhepunkt der Ehec-Krise in spanische Gemüsegurken stecken können.

Einen anderen Weg ist im Dezember Union Berlin gegangen. Der gerne "St. Pauli des Ostens" genannte Klub gab keine Anleihe, sondern eine Aktie heraus, um den weiteren Umbau seines Stadions zu finanzieren. Die Aktien laufen nicht aus und werfen im Gegensatz zum gängigeren Anleihe-Modell auch keine Zinsen ab. Die Regeln für Käufer waren strikt.

Niemand durfte mehr als zehn der 500 Euro teuren Aktien kaufen. Zudem mussten alle Käufer Vereinsmitglied des 1. FC Union sein. Wie viel Geld der Aktienverkauf in die Kassen gespült hat, will der Klub zwar erst am Donnerstag bekannt geben, klar ist aber schon: Der Verein wird sich auch in Zukunft von keinem Großinvestor ins Alltagsgeschäft reden lassen müssen. Stattdessen steht Union jetzt bei seinen Fans in der Kreide.

Die eigenen Fans als Gläubiger

Auch Michael Meeske vom FC St. Pauli weiß um den "Komfort", die eigenen Fans als Gläubiger zu haben. Die Anleihen seines Klubs schätzt er aber als sicher ein: "Ich glaube an die emotionale Systemrelevanz des Fußballs. Aufgrund unserer besonderen Alleinstellungsmerkmale sind wir nahezu insolvenzsicher. Zumindest so lange es keine gravierenden Veränderungen gibt oder schwere Fehler gemacht werden. Ein geringes Restrisiko bleibt eben."

Auch Anleihen-Experte Markus Kern weist darauf hin, dass die Einordnung in gängige Rating-Kategorien durch klassische Bilanzkennzahlen nicht ausreicht. Die Vereine spielen an vielen Standorten eine große gesellschaftliche Rolle und die öffentliche Hand hat in Krisensituationen oft geholfen.

Beim 1. FC Köln jedoch lief alles nach Plan. Als deutschlandweit erster Klub zahlten die Rheinländer letztes Jahr das komplette Anleihevolumen an ihre Schuldner zurück. Die Katastrophe ist also keineswegs vorprogrammiert. Und zur Not liebt der Fan seinen Verein vielleicht mehr als sein Geld.

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3 Kommentare

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  • T
    Thomas

    Stimme Tanja voll zu, St. Pauli als Verein, sowie die Fans, nach außen hin Anti-kommerziell, doch wie man sieht macht die Führung von St. Pauli es recht clever!

     

    Dann schaue ich mir doch lieber, kleinen, ehrlichen Fußball in der Regionalliga an und das beim SV Eintracht aus Trier, der ja bekannterweiße St. Pauli aus dem DFB-Pokal rausgehauen hat =)

  • K
    Kapitalist

    Erstmal natürlich absolute Zustimmung an Tanja über die Mainstream konformistischen Paulianer und zukünftig Unioner. Und dann möchte ich als Paradebeispiel des Pseudolinken Kapitalisten noch anmerken, dass einzig Union nicht bei seinen Fans "in der Kreide steht", wie der Autor fälschlicherweise schreibt, sondern hier vielmehr kein Fall von Gläubigern wie bei Pauli vorliegt, sondern eine Beteiligung wie etwa auch beim BVB.

  • T
    Tanja

    Für mich sind die meisten Pauli "Fans" wie die Bayern "Fans": Kunden. Die einen Erfolgskunden, die anderen laufen irgendeiner idealisierten Lebenseinstellung hinterher. Und beide werden abgezockt und gemolken wo es nur geht.

     

    Der FC St. Pauli ist längst zum symbolischen Style-Verein verkommen, der sich nach außen hin als anti-kommerziell verkauft, aber das System nur subtiler nutzt, nämlich auch am eigentlichen Fussballfan vorbei die Umsätze generiert.

     

    Die bittere Wahrheit für die Pauli"fans" ist doch: "Alternativ" und "Unangepasst" zu sein, ist schon seit Jahren der eigentliche Mainstream. Jeder denkt das von sich, und es reicht eben heutzutage schon ein Armband mit einem Pauli-Emblem oder –Totenkopf zu tragrn, um in diesen Mainstream aufgenommen zu sein. Was nervt, ist das mangelnde Reflektionsvermögen dieses Mainstreams, der sich nicht als solcher erkennt. Ist ja auch verständlich, dass sich diese Leute lieber einer Illusion hingeben, denn sonst würden sie sich ja selbst ihre Ego-Krücke wegziehen.